Dekanin Sabine
Bertram-Schäfer
In den letzten Wochen und Monaten haben wir so manche Grenzen erfahren, die wir uns vor einem halben Jahr nicht vorstellen konnten. Wir standen vor verschlossenen Türen: Geschäfte und Gaststätten waren geschlossen, Kulturveranstaltungen, Arbeitssitzungen und auch unsere Gottesdienste wurden abgesagt. Tür zu! Kein Einlass! Krankenhäuser und Altenheime ließen Angehörige nicht mehr in Ihre Häuser, um die Patienten, die Bewohner und die Pflegekräfte und Ärzte zu schützen. Länder schlossen ihre Grenzen und Angehörige und Freunde durften sich nicht zu Familienfeiern oder gemeinsame Unternehmungen treffen.
Das sind Grenzerfahrungen, wie wir sie bisher noch nicht erlebt haben. Und ich muss ehrlich sagen, ich habe eine solche Situation nicht für vorstellbar gehalten. Und doch habe ich mich an alle Vorschriften und Verordnungen gehalten – und tue das auch immer noch, um die Schwächsten, die unsere Brüder und Schwestern sind, zu schützen. Das Gebot der Nächstenliebe fordert uns in dieser Zeit dazu auf, Grenzen zu akzeptieren und Einschränkungen miteinander zu tragen.
Für manche sind diese Grenzen sehr schwer, ja geradezu existentiell geworden. Kleinkinder zu betreuen, Schulkinder zu unterrichten, gleichzeitig im Homeoffice zu arbeiten und den Alltag zu gestalten, bringt manche Familie an die Grenzen dessen, was sie leisten können. Gewerbetreibende, Unternehmer und Kulturveranstalter bangen um ihre Existenz. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit lassen so manchen bange in die Zukunft blicken. Das sind Grenzerfahrungen, die wir nicht wollen, die Ängste und Nöte auslösen. Verschwörungstheoretiker finden hier ihren Nährboden. Die Not auf den Corona-Stationen der Kliniken, die Bilder von überfüllten Krankenhäusern z.B. in Italien, Spanien und New-York und die Aufnahmen von Massengräbern werden verdrängt und verharmlost. Die zum Teil sehr harten Grenzen des Lock down zu akzeptieren, fällt manchen schwer und führt zu Verharmlosungs- oder Verschwörungstheorien.
Meine Gedanken zum Himmelfahrtstag heißen in diesem Zusammenhang: Achtet die Grenzen und erkennt, dass die Grenze der Ort ist, an dem sich der Blick weiten kann. Paul Tillich, ein Theologe und Philosoph des 20. Jahrhunderts, war davon überzeugt, dass die Grenze der eigentlich fruchtbare Ort der Erkenntnis ist. Das Innehalten und in die vergangene Zeit und in die Zukunft blicken, lässt uns fruchtbare Erkenntnisse gewinnen. Die Erkenntnis, wie wir mit unserer Zeit, mit unseren Kräften, mit den Mitmenschen, den Pflegekräften, dem Klima und dem Frieden in der Welt umgehen wollen. Ich bin in den letzten Wochen in manchen Bereichen dazu sehr nachdenklich geworden. Die Frage, was wirklich wichtig ist, hat nicht nur mich beschäftigt.
Eine Grenzerfahrung, die wir an Himmelfahrt feiern, ist die Grenze zwischen dem Himmel und der Erde. Vor dieser Grenze stehen wir, wenn wir das Leben und den Tod vor Augen haben. Jesus hat diese Grenze überwunden. Er hat uns die Hoffnung gegeben, dass auch wir diese Grenze überwinden werden und die Osterbotschaft der Auferstehung und eines Lebens nach dem Tod auch für uns gilt. Der Glaube an diese Botschaft an den Grenzen des Lebens, lässt Hoffnung entstehen und öffnet uns für neue und fruchtbare Erkenntnisse für unser Leben, für unsere Mitmenschen und für die Welt!
Ich wünsche uns allen, dass wir die Grenzen als Orte
der fruchtbaren Erkenntnisse entdecken. Jesu Himmelfahrt ist dafür für mich ein guter Ansatzpunkt. Christus spricht: „Wenn ich erhöht werde von der Erde,
so will ich alle zu mir ziehen.“ Bleiben Sie behütet und gesund!
Ihre Dekanin Sabine Bertram-Schäfer
Evangelisches Dekanat Büdinger Land | Bahnhofstraße 26 | 63667 Nidda
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Telefon: 06043-8026-0
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Hintergrundbilder:
Vögel im Winter: © Hilke Wiegers / fundus-medien.de
Winterweg: © Stephan Krebs / fundus-medien.de
Rote Winteräpfel: © Hans Genthe / fundus-medien.de
Fußspuren im Schnee: © Rolf Oeser / fundus-medien.de