Von Wolfgang Keller
Liebe Leserin, lieber Leser,
Morgen feiern wir den 1. Mai, den „Tag der Arbeit“. In vielen Ländern der Erde dient dieser Tag der Erinnerung und der Mahnung, den Wert der Arbeit, der gerechten Entlohnung und der sozialen Sicherheit nicht aus den Augen zu verlieren. Politische Themen, die auch bei uns heutzutage von höchster Brisanz sind. Gerade in einer arbeitsteiligen Gesellschaft wie der unseren, die vor allem der entlohnten Erwerbsarbeit nach wie vor höchste Priorität beimisst und die unser aller Leben weitgehend bestimmt, darf das kritische Nachdenken über die „Arbeit“ nicht aufhören. Hat auch die Kirche, hat auch unser Glaube zu diesem politischen Thema etwas zu sagen? Ich denke: selbstverständlich! Gerade weil die Arbeit unser Leben in so umfänglichen Maß mitbestimmt und beeinflusst ist sie auch ein Thema des Glaubens und der Religion. So kennt und überliefert uns die Bibel grundlegende Erkenntnisse dazu: Dass unser Leben zwar nicht nur, aber eben doch wesentlich aus Mühe und Arbeit besteht, dass wir sechs Tage arbeiten, am siebten aber ruhen sollen und dass wir auch die beschwerliche Arbeit nicht verachten sollen, aber auch: dass jede Arbeit ihren Lohn wert ist! Auch sehr nachdenkliche und kritische Gedanken zur Arbeit sind ihr nicht fremd: Der Reiche arbeitet und kommt dabei zu Geld, der Arme arbeitet und lebt dabei doch kärglich. Eine durchaus bedrückende Aktualität, die hier zur Sprache kommt und die Teil unserer politischen Diskussion über die Zukunft der Arbeit ist. Natürlich kennt die Bibel noch nicht die Fachbegriffe dieser Diskussion: Globalisierung, Digitalisierung und Automatisierung, befristete Arbeitsverträge und mangelnde Altersversorgung, Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit. Was sie aber kennt und weiß ist gleichsam zeitlos gültig: der Mensch lebt von seiner Arbeit, überall auf der Welt bestimmt sie weitestgehend sein Leben und bildet die Grundlage seiner materiellen Existenz. Wenn daher Entscheidungen getroffen werden, die die Arbeitswelt des Menschen betreffen, dann sind das Entscheidungen von grundlegender und lebensbestimmender Bedeutung für jeden einzelnen von uns. Gedanken und Notwendigkeiten der sozialen Gerechtigkeit sowie der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit haben hier ihren unverzichtbaren Platz. Und selbstverständlich haben auch die Kirchen und ihre diakonisch-caritativen Einrichtungen als große Arbeitgeber gerade hier nicht nur mahnende Funktion anderen gegenüber, sondern wo immer möglich auch beispielgebende. Eine gewaltige Herausforderung, aber eben auch eine, die uns aus der Bibel zuwächst. So ist der Maifeiertag zwar kein originär kirchlicher, aber einer, an dem viel christliches Menschen- und Arbeitsverständnis zur Sprache kommt. Und eben deshalb doch auch ein kirchlicher Tag!
Wolfgang Keller ist Pfarrer und stellv. Dekan des Dekanats Büdinger Land