Von Martin Schindel
Die deutsche Reformation hatte ungeheuer viel mit Sprache zu tun – denken Sie nur an die Wirkmächtigkeit der von Martin Luther geschaffenen deutschen Bibel: Auch wenn sie durchaus nicht die erste Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche war (es gab vor 1520 bereits wenigstens 15 gedruckte deutsche Bibelausgaben!), so war sie doch ohne Zweifel die wichtigste.
Und Luther konnte die Bücher des Alten und des Neuen Testamentes aus den Ursprachen Hebräisch und Griechisch übersetzen, da mittlerweile entsprechende Ausgaben erschienen waren. Die vorherigen deutschen Bibeln waren der in der römischen Kirche genutzten lateinischen Übertragung gefolgt und waren schon darum von weitaus geringerer Genauigkeit und Texttreue als die ab 1522 entstehenden Übersetzungen Luthers und seiner Mitarbeiter.
1534 war die erste Fassung der kompletten Luther-Bibel endgültig erschienen; bis 1545 arbeitete er, gemeinsam mit anderen, immer weiter an Verbesserungen und Berichtigungen. Die Übersetzung zeichnete sich nicht nur durch Texttreue aus, sondern auch dadurch, dass sie sich bemüht, in alltagssprachlichen Worten und Wendungen den Sinn des Geschriebenen wiederzugeben, nicht unbedingt der wörtlichen Bedeutung der alten Vokabeln folgend.
Luthers Bibelübersetzung fand schnell Verbreitung im größten Teil Deutschlands; dazu trug auch bei, dass in den Gemeinden, die der Reformation folgten, ab etwa 1525 die Gottesdienste in Deutscher Sprache gestaltet wurden: Auch diejenigen, die nicht lesen oder sich ein Buch leisten konnten – und das war die große Mehrheit der Bevölkerung -, bekamen so Anteil an den nun verständlichen Bibeltexten.
In dem bekannten Luther-Film mit Joseph Fiennes in der Hauptrolle gibt es eine schöne Szene, die zwar historisch nie stattgefunden hat, aber verdeutlicht, wie sehr die deutsche Bibel die Menschen in Aufregung und Freude versetzte: Martin Luther hatte seine Bibelübersetzung seinem Landesherrn gewidmet. Im Film überreicht er ihm eine gedruckte Ausgabe – Friedrich der Weise unterbricht seinen Professor ungeduldig und fragt: „Darf ich mein Geschenk nun endlich haben?“
Vor zwei Jahren, zum Gedenkjahr der lutherischen Reformation, ist eine neu überarbeitete Ausgabe der Luther-Bibel erschienen; in vielen Detailfragen ist sie auch sprachlich wieder näher an Luther herangerückt. Dass sie mit ihrer Sprache unsere Gesellschaft so prägen wird wie das historische Vorbild ist unwahrscheinlich.
Ich nehme in Gottesdiensten und überhaupt in der Gemeindearbeit eher wahr, dass viele Menschen zentrale Inhalte der biblischen Verkündigung nicht mehr verstehen, ob nun in Luthers Worten oder modernen Übertragungen. Worte wie Barmherzigkeit oder Gnade sind aus unserem Alltagsgebrauch weitgehend verschwunden, und es bedarf oft eines ziemlichen Aufwandes, sie zu erläutern und begreifbar zu machen.
Vielleicht aber wäre eine Erneuerung der Sprache des Glaubens und der Weltgestaltung im Gedenken an die Reformation heute eine drängende Aufgabe, als alltäglicher Gegenpol zur Brutalisierung, Verrohung und Vertwitterung unserer Kommunikation.
Martin Schindel, Pfarrer in Ortenberg, Usenborn und Bergheim
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Hintergrundbilder:
Vögel im Winter: © Hilke Wiegers / fundus-medien.de
Winterweg: © Stephan Krebs / fundus-medien.de
Rote Winteräpfel: © Hans Genthe / fundus-medien.de
Fußspuren im Schnee: © Rolf Oeser / fundus-medien.de