3.04.2023 - 6.04.2023

Eine Woche Zeit ... um Glück zu finden

Wir sind in der Karwoche angekommen - in der „stillen Woche“. Bewusst halten wir noch einmal inne und beschäftigen uns mit den Mitmachtipps in dieser Woche – die „haben es in sich“, finden wir. Wo stehe ich heute und was ist mir wichtig? Wo bin ich in Gewohnheiten gefangen, was will ich loslassen und wo will ich mehr machen?

 

 

Gehen Sie durch diese Woche mit den Worten des Propheten Jeremia: „Ich will ihr Trauern in Freude verwandeln“ (Jeremia 31,13). Ihnen eine besinnliche Karwoche und ein frohes Osterfest!

 

 


In der siebten Fastenwoche nehmen wir uns Zeit, über Glück nachzudenken

Wir blicken zurück auf sechs Wochen Klimafasten. Wir haben gefragt, wie wir Energie einsparen können, wie viele Gegenstände und wie viel Fläche wir (ver-)brauchen und ob wir sie mit anderen teilen können. Wir haben uns unsere Beleuchtung angesehen, haben überlegt, wie wir klimafreundlicher mobil sein können und wie wir die Biodiversität stärken können. Nutzen wir die letzten Tage, um darüber nachzudenken, was wir davon in unseren Alltag mit hinübernehmen. Was bzw. wieviel brauchen wir? Was macht uns zufrieden und dankbar und was besitzen wir, das uns mehr einschränkt als glücklich macht? 

 

Vielleicht hilft die märchenhafte Parabel für Kinder von James Krüss „Das Hemd des Glücklichen“ dabei, Antworten zu finden.

 

Theologischer Einstieg

  • Zum Lesen: „Glück“ - ein Theologischer Impuls von Dr. Hubert Meisinger, Pfarrer und Referent für Umweltfragen im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Ev. Kirche in Hessen und Nassau
  • Zum Hören: Unsere Audioimpulse wurden von den Kollegen und Kolleginnen bei Kirche im SWR erstellt und zur Verfügung gestellt. Autorin in dieser Woche ist Rut Schneeberger.
  • Zum Anschauen: Das Video „Klimafasten-Andacht Woche 7“ wurde uns zur Verfügung gestellt von der Ev. Kirche in Hessen und Nassau. Sprecher ist Pfarrer Dr. Hubert Meisinger, theologischer Referent für Umweltfragen im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Für Pfarrer Marco Frey ist Glück stimmiges Verhalten - ein Videobeitrag der Evangelische Erwachsenenbildung Ostalb

 

Mitmachtipps: In dieser Woche ...

  • ... lasse ich mir durch den Kopf gehen, was Glück eigentlich ist.
  • ... überlege ich, was ich zum Glücklichsein brauche.
  • ... übe ich mich in Dankbarkeit.
  • ... bin ich optimistisch.
  • ... vermeide ich Grübeleien.
  • ... stärke ich meine sozialen Beziehungen.
  • ... versuche ich zu vergeben.
  • ... lebe ich im Hier und Jetzt.
  • ... kümmere ich mich um Leib und Seele
  • ... spreche ich mit Freundinnen und Freunden darüber, was Glück für uns bedeutet.

 

Weitere Infos


Zum Nachlesen im Internet:

  • Wohlfahrtsmessung in Deutschland - ein Vorschlag für einen nationalen Wohlfahrtsindex
  • Die Evangelische Erwachsenenbildung Ostalb hat in ihrem Video-Impuls gefragt: Für mich bedeutet glücklich sein
  • Die journalistisch unabhängige Redaktion von Good News sammelt täglich die besten und wichtigsten lösungsorientierten Nachrichten der deutschsprachigen Medien und stellt sie kostenlos zur Verfügung.
  • Rund 10.000 Gegenstände besitzen erwachsene Westeuropäer*innen im Durchschnitt. Längst ist uns klar, dass es kein unbegrenztes Wachstum gibt und dass wir unsere Erde über die natürlichen Grenzen hinaus ausbeuten. Wir leben auf Kosten der nächsten Generation und der Menschen im Globalen Süden – höchste Zeit, zu überlegen, was wir wirklich brauchen und was uns wichtig ist. Mit diesem Thema hatte sich das Klimafasten 2021 unter dem Motto „Eine Woche Zeit für ein einfaches Leben“ auseinandergesetzt
  • “Jetzt ist die Zeit. Hoffen. Machen” ist das Motto des Kirchentags in Nürnberg. Seid dabei!

Ideen für die Arbeit mit Kindern für Woche 7: Zum Glücklichsein


Gedanken zum Thema Glück – zusammengestellt von Gert Holle am 7.01.2015

NACH DER SONNE GRABEN

Foto: canva.com / Gert Holle
Foto: canva.com / Gert Holle

Glück will jeder haben. Doch: Glück ist nicht gleich Glück. Ob etwas wirklich Glück ist, oder nicht vielleicht ein Unglück, zeigt oft erst der große Zusammenhang.  Dazu eine kleine Geschichte:

 

Ein alter russischer Bauer hatte einen Sohn. Der bewirtschaftete mit dem einzigen Pferd, das sie hatten den kleinen Hof. Eines Tages lief das Pferd weg. „Ach was für ein Unglück“, sagten die Nachbarn, „wie willst du jetzt dein Land bestellen?“ Doch der Bauer antwortete nur: „Na, vielleicht ist es auch Glück.“ Tags darauf kam das Pferd wieder und brachte 4 Wildpferdstuten mit. „Was für ein Glück“, sagten die Nachbarn. „Na, vielleicht ist es auch Unglück“, sagte der Alte. Beim Einreiten der Wildpferde stürzte der Sohn und brach sich sein Bein. „Was für ein Unglück“, sagten da die Nachbarn. „Na, vielleicht ist es auch Glück“, antwortete der Bauer. Tags darauf kamen die Soldaten des Zaren und pressten alle jungen Männer in den Kriegsdienst. Nur der Sohn konnte aufgrund seines gebrochen Beines nicht mit...

 

Wie gesagt: Was Glück oder Unglück ist, erweist sich oft erst im großen Zusammenhang. Und den übersehen wir oft gar nicht. Höhere Mächte scheinen da im Spiel zu sein. Das ist das erste Verständnis von Glück. Der Engländer sagt „luck“ dazu, der Lateiner spricht von „Fortuna“, Einige nennen es „Schwein“.  

Das Streben nach Glück hat vermutlich nie zuvor mehr Aufmerksamkeit erfahren als heute. Viele Bereiche, von der großen und kleinen Politik über Beratungsunternehmen, Buchautoren und Lebenshilfe-Trainer, Zeitungsbeiträge und Studien gehen der Frage nach, wie wir „Glück“ erlangen und dauerhaft in unser Leben einbauen können. Der Glücksbegriff selbst ist dabei ebenso ungenau gefasst wie schillernd. Wir sprechen von Glück und meinen damit:

 

-        Glück haben,

-        Glücklich sein oder 

-        Glücklich werden.

Glück in der Wortbedeutung - Ein etymologischer Einblick

 

Der Ursprung unseres Wortes „Glück“, dessen Herkunft ab dem 12. Jahrhundert bezeugt ist, wechselt zwischen „Zufallsglück“ (Glück haben“), „glücklichem Leben“, das jemand führt oder „Lebensglück“ (glücklich sein“), das jemand hat. Das Wort „Glück“ kommt von mittelniederdeutsch gelucke/lucke (ab 12. Jahrhundert) bzw. mittelhochdeutsch gelücke/lücke. Es bedeutete „die Art, wie etwas endet/gut ausgeht“.

KAPITEL 1

Was ist nun eigentlich Glück?

 

Seit den Anfängen der Philosophiegeschichte wird versucht, „Glück“ zu fassen. Religionen machen es zum Gegenstand von Verheißungen, die Psychologie forscht nach seinen Ursachen. Glück ist Thema in der Kunst. Die Jagd nach dem Glück scheint uns alle zu beschäftigen.

Mit der oft gestellten Frage "Bist Du glücklich?" ist am ehesten an das ganz subjektive Empfinden gedacht. - "Fühlst Du Dich glücklich?". Glück als Gefühl, als Stimmung.

Der Vorphilosophische Diskurs:

-        Der alttestamentarische Hiob wird zu Beginn des gleichnamigen Buches als glücklicher Mann geschildert. Dabei wird aufgezählt, worin sein Glück besteht. Es werden neben den Kindern ausnahmslos materielle Dinge genannt. An Ansehen übertraf dieser Mann alle Bewohner des Ostens. Als er nach einem Deal zwischen Gott und dem Satan alles, nur nicht seinen Glauben verliert, belohnt Gott ihn für seine Treue. Er erhält alle Güter zurück und noch mehr.  

-        Schauen wir auf den griechischen Geschichtsschreiber Herodot (* 490/480 v. Chr.; † um 424 v. Chr.): Im ersten von neun Büchern seiner „Historie“ berichtet er von einem Besuch Solons (ca. 640 - ca. 560 v. Chr.) beim lydischen König Krösus. Krösus fragt den Weisen, ob er während seiner Reisen je einen Menschen gesehen habe, der unter allen der Glücklichste war. Zur großen Überraschung von Krösus nennt Solon nicht ihn, den Herrscher der Lyder, sondern einen gewissen Tellus von Athen. Auf Nachfrage antwortet Solon: „Einerseits lebte Tellus, als der Staat blühte, und er hatte brave und tüchtige Söhne: Er erlebte es auch, wie  diesen allen Kinder geboren wurden und auch am Leben blieben; andererseits wurde ihm das glänzendste Ende des Lebens zuteil. Denn als die Athener mit ihren Nachbarn in Kampf geraten waren, eilte er herbei, schlug die Feinde in die Flucht und erlitt dabei den rühmlichsten Tod. Die Athenienser bestatteten ihn auf öffentliche Kosten, da wo er gefallen war, und erwiesen ihm große Ehre.“ – Dann sollte er den zweitglücklichsten Menschen nennen. Statt Krösus nennt er nun die zwei Argiver Kleobis und Biton, die nach einer Festtafel am Ende eines glücklichen Lebens friedlich einschliefen und nicht mehr erwachten.  Solon belehrt Krösus, dass aller Reichtum im Augenblick wohl keine Garantie für eine glückliche Zukunft, ja, für ein glückliches Leben insgesamt sei.  –

 

-        In beiden Erzählungen wird materieller Besitz als Inbegriff menschlichen Glücks verstanden.  „Glück“ = sichtbarer Reichtum. Allerdings: Bei Hiob wird die Treue zu seinem Gott höher geschätzt als aller materieller Reichtum. Und Solon korrigiert ebenfalls diese Auffassung: Reichtum ja, aber nur, wenn er breit gestreut sind und möglichst ein Leben lang zur Verfügung stehen. 

DIE PHILOSOPHIE SUCHT ANTWORTEN

In der Antike war der Umgang der Menschen mit dem „Glück“ ein zweiseitiger: Einerseits versuchte man das Schicksal aktiv zu seinen Gunsten zu beeinflussen, Andererseits bedienten sich die Menschen in der Antike zahlloser Techniken der Vorhersage bzw. der Interpretation himmlischer Zeichen. Sie befragten die Götter, um das für sie vorherbestimmte Schicksal zu erfahren. Das dem direkten Zugriff vorenthaltene Glück konnte nur auf Umwegen erreicht werden – durch Auslegung der göttlichen Absicht und durch eine demütig-bittende Haltung.  

Sokrates (* 469 v. Chr. in Alopeke, Athen; † 399 v. Chr ), die Galionsfigur der europäischen Philosophie, machte den lieben langen Tag nichts Anderes, als seinen Mitbürgern zu zeigen, dass sie falschen Meinungen, Deutungen und Selbstbildern aufsitzen und genau deshalb nicht glücklich sind.

Aristoteles (* 384 v. Chr. in Stageira; † 322 v. Chr. in Chalkis) sah zwei Wege, die sich für den Menschen eignen sollten, die Glückseligkeit zu verwirklichen:

Erstens: die bedürfnislose Existenz des Denkers, der sich der „theoria“ (Wesensschau) hingibt.

 

Zweitens:  Als „zoon politikon“, als „soziales Tier“, als das er den Menschen in seiner „Politik“ beschreibt, ist er auf das Miteinander mit Seinesgleichen angewiesen. Die für das Gemeinschaftsleben erforderlichen ethischen Tugenden im sozialen Umfeld zu erlernen und ihnen gemäß in Gemeinschaft mit Anderen zu leben, darin bestand für Aristoteles ein gelungenes Leben. Als wahrhaft glücklich konnte es aber erst gelten, wenn es in Bezug auf seine Dauer „einem vollen Menschenleben“ entsprach.

AUCH DIE THEOLOGIE SUCHT ANTWORTEN

Im Alten Testament  finden sich Verse, die versuchen, Glück und gelingendes Leben auf den Punkt zu bringen: "Glücklich ist, wer einen Freund gewonnen hat", oder: "Glücklich ist, wer eine kluge Frau hat." Oder: "Glücklich ist, wer Freude an seinen Kindern hat" ( Sirach 25). Im Jeremiabuch heißt es im Rückblick: " Wir hatten Brot genug, es ging uns gut und wir waren glücklich." (44,17) Von einfachen Glücksgütern ist hier die Rede: grundlegende Dinge des Lebens wie Nahrung, Freundschaft und gute familiäre Beziehungen. Bausteine des Glücks. Weitere Bausteine: "Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit, wohl dir, du hast es gut"; (Psalm 128,2).  Arbeit gehört wie selbstverständlich zum Menschsein (Ps.104,23), kann das Gesicht von Mühsal, Vergeblichkeit und Qual annehmen (Gen.2), aber gut ist es, wenn ich sagen kann, "dass mein Herz fröhlich (ist) von meiner Mühe“.(Pred.2,10). Wer für sich eine erfüllende Tätigkeit gefunden hat, der hat ein Stück Glück gefunden. Und das bestätigen auch Glücksforscher: Eine häufige Sonderform des Glücks könnte der "flow" sein, ein Zustand der Selbstvergessenheit, in den gerät, wer sich völlig in die Konzentration auf eine Handlung hingibt: der Chirurg bei der Operation, der Künstler am Werk, der Kurzstrecken- oder Langstreckenläufer beim Lauf.

 

Kirchenvater Augustinus (* 13. November 354 in Tagaste, auch: Thagaste, in Numidien; † 28. August 430 in Hippo Regius in Numidien, heute Annaba in Algerien) sieht in seiner Schrift "Vom glücklichen Leben" das Glück als tugendhafte und perfekte Gotteserkenntnis. Glück wird Gott zugeordnet. Die Frage, ob wahres Glück im Diesseits oder im Jenseits zu erfahren ist, hat die christliche Theologie jahrhundertelang im letzteren Sinn beantwortet, bis zur extremen Ansicht, dass diese Welt eigentlich nur ein Jammertal sei.  

 

Für den großen Philosophen Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsberg, Preußen; † 12. Februar 1804) war das Glück geradezu die Negativfolie zu einem Leben, das sich an der Pflicht orientiert. Mit anderen Einflüssen prägte er damit insbesondere die protestantischen Kirchen bis heute. Ein ordentlicher Protestant, von dem auch in mir eine Portion drin steckt, ärgert sich an der Welt und engagiert sich, um die Dinge zu verändern. Er rackert sich ab. Glück in diesem Kampf ist bestenfalls eine Nebensache. Im Evangelischen. Erwachsenenkatechismus sucht man deshalb auch nach dem Wort "Glück" vergebens. Nicht so in dem fast 20 Jahre älteren kath. Erwachsenenkatechismus - hier kommt Glück sehr wohl vor. Der Kirche - und gemeint ist vor allem die evangelische - ist das Glück ziemlich suspekt. Darum wünscht man sich lieber „Gottes Segen!“ 

KAPITEL 2

Kommt das Glück nun zufällig oder kann man es steuern?

 

Kann man Glück suchen und tatsächlich finden? So wie der Held Hector es im philosophischen Märchen von Francois Lelord in Angriff nimmt. (Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück.)

 

Auf seiner Weltreise stellt der Psychiater Hector allen, denen er begegnet, dieselbe Frage: „Sind sie glücklich?“ Und er schreibt seine Erkenntnisse in ein Reisetagebuch - insgesamt 23.

 

Gleich nach dem ersten Kapitel schreibt er auf:

  • „Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, um sich sein Glück zu vermiesen.
  • Viele Leute sehen Glück nur in der Zukunft.
  • Viele Leute denken, dass Glück bedeutet, reicher oder mächtiger zu sein.
  • Es ist ein Irrtum zu glauben, Glück wäre das Ziel.
  • Glück ist, wenn man spürt, dass man den anderen nützlich ist.
  • Glück ist, wenn man dafür geliebt wird, wie man eben ist.“

 

Nach dem zweiten Abschnitt heißt es:

  • „Glück kommt oft überraschend.“:  ein Gewinn in einer Tombola, im Lotto, früher eine nicht erwartete gute Note in der Schule. Glück kann tausend Gesichter haben. Wir werden dabei verknüpft mit dem scheinbar Zufälligen.

Das Leben ein Lotteriespiel?  Glück – ein Zufall?

Wir kennen das Glück, das uns die Liebe beschert. Es gibt Augenblicke rauschhaften Glücks, wie beispielsweise bei der WM im Spiel gegen Brasilien. 7:1 gegen Brasilien. „Glücksgefühle einer geerdeten Generation“ stand nach dem spektakulären Spiel in den Zeitungen. „Der Sieg für die Ewigkeit löste bei den deutschen Fußball-Heroen spontan gewaltige Glücksgefühle aus.“ Dieses rauschhafte Glück hat mit Freude, Erregung und Lust zu tun.

Manchmal empfinden wir auch das kleine Glück. Der belgische Künstler Adamo besang es in meiner Kinderzeit. Im Refrain heißt es:

 

Ein kleines Glück, wird einmal groß.
Wenn du nur warten kannst,
Dann fällt es auch in deinen Schoß.
Ist Liebe da, nur eine Spur.
Mit jedem Tag, mit jedem Schwur
Wird sie doch größer nur.

 

Das kleine Glück kann der Geschmack auf der Zunge, ein netter Anruf, der Anblick eines Kunstwerks, der Duft einer Blume oder ein schönes Lied sein. Wir erinnern uns alle an Momente des Glücks in unserem Leben: Der erste Kuss, die Hochzeit. Momente reiner Freude.

 

Was für den Einen Glück bedeutet, kann für den Anderen das genaue Gegenteil sein. Die eine Mannschaft wird Weltmeister, die andere stürzt in ein Tränental. Glück ist situationsabhängig, Glück scheint vergänglich, auch wenn wir uns dauerhaftes Glück so sehr ersehnen.

 

„Wir haben uns das Glück hart erarbeitet“, höre ich hier und dort von erfolgreichen Sportlern. Jahrelanges Training war der Schlüssel. Arbeit und Schweiß. Als könne man sein Glück erzwingen… -  Auch in anderen Lebensbereichen wird so gedacht. Hierzu eine weitere Geschichte:

 

Das Land der Sonnenausgräber

Eine merkwürdige Legende berichtet von einer fernen und sagenhaften Insel, die das Land der Sonnenausgräber genannt wurde. Da niemand den Namen erklären konnte, machte sich ein erfahrener und weit gereister Mann auf den Weg, das Geheimnis zu erkunden.

Nach langer Reise kam er an einem Nachmittag auf der Insel an und fand die Bewohner unruhig und geschäftig vor. Immer wieder spähten sie besorgt nach der Sonne, die sich ihrem Untergang zuneigte; und gleichzeitig schauten sie auf merkwürdige Schächte und Bohrlöcher, die die Insel durchzogen. "Sie geht wieder von dannen", bedeuteten die Leute dem Fremden, "wir werden von neuem graben und graben müssen, damit sie wieder erscheint."
"Wie" - sagte der Fremde - "ihr wollt die Sonne aus der Erde heraus graben?" - "Wir müssen", bekam er zur Antwort, "denn wenn wir es nicht schaffen, wenn wir sie nicht da unten herauskriegen, kommt sie nie mehr wieder." - "Und wie meint ihr, dass ihr es schafft?", fragte der Fremde. "Darüber streiten sich unsere Experten", hieß die Antwort. "Die einen sind der Auffassung, man müsse senkrecht nach unten graben, die anderen schwören darauf, waagrecht nach Westen sei die richtige Richtung, wieder andere behaupten: aus dem Osten komme das Licht. So graben und bohren wir in allen Richtungen gleichzeitig. Die Lösung kennen wir noch nicht. Aber zum Glück ist es uns bisher jedes Mal gelungen, sie da unten wieder aufzuscheuchen, so dass sie zu uns zurückgekehrt ist. "Deshalb", so schlossen die Leute ihren Bericht; "entschuldigen Sie uns jetzt! Wir müssen wieder an die Arbeit."
Und indem die Sonne entschwand, sah der Fremde die Inselbewohner an ihre Arbeit gehen. Mit Schaufeln und Baggern wühlten sie die Erde auf, um die untergegangene Sonne zu finden oder doch wenigstens wieder aufzuscheuchen. Sie arbeiteten die ganze Nacht.
Als der Morgen kam und die Sonne aufging, hörten sie mit ihrer Arbeit auf. Wo sie sich gerade befanden, legten sie sich hin und verfielen in tiefen Schlaf. Ihr Land hatten sie etwas weiter verwüstet. Dass die Sonne auch Kraft hat, wenn sie nicht von uns zu sehen ist, und dass sie sich ohne unser Zutun wieder zu uns wendet, hatten sie noch immer nicht begriffen.

 

 

Graben wir nicht auch manchmal nach der Sonne? Meinen, uns anstrengen zu müssen, obwohl uns etwas geschenkt wird. Meinen, etwas herbei zwingen zu müssen, was sich unserer Macht entzieht wie z.B. die Zuneigung anderer Menschen oder das Glück. Wir können weder Zuneigung noch Glück herbei beten, nicht erarbeiten, nicht erzwingen.  Manches fällt uns zu, wird uns einfach geschenkt!

 

KAPITEL 3

Glück und Sinn oder die Frage nach einem sinnvollen Leben

 

Aristoteles lehrte einst, jeder Mensch strebe danach, glücklich zu sein. Nur gebe es beträchtliche Auffassungsunterschiede darüber, worin das Glück des Menschen eigentlich bestehe. Mir persönlich erscheint es nach allem, was ich gelesen habe, am Überzeugendsten, Glück als die Erfahrung von Stimmigkeit zu deuten. Ein Zustand, in dem sich die Dinge zu einem Ganzen fügen. Wenn wir unser Leben als sinnvoll und harmonisch erfahren. Dazu braucht es gar nicht viel. Oft sind es unerwartete, geschenkte Augenblicke, die uns glücklich machen.

 

3.1 „Geld regiert die Welt“ - Aber macht Geld wirklich glücklich?

Platon (* 428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina; † 348/347 v. Chr. in Athen) meinte dazu: Glücklich werden wir erst dann, wenn wir das, was wir haben, auf eine gute und sinnvolle Weise verwenden. Das echte tiefe Glück – das Glück, das unsere ganze Seele vor Freude schwingen lässt – erfüllt uns dann, wenn wir „Ja“ sagen können: zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen, zu der Welt, in der wir leben.

 

3.2 Seines Glückes Schmied zu sein – ist das möglich?

 

Dass der Mensch seines eigenen Glückes Schmied sein könne, ist eine relativ junge Idee. Die Vorstellung, dass uns Menschen alles machbar wäre, kam erst mit der Neuzeit auf. Friedrich Nietzsche (* 15. Oktober 1844 in Röcken; † 25. August 1900 in Weimar) ging gegen dieses Denken an. Zwar war er durchaus davon überzeugt, dass der Mensch wohl sein Leben gestalten könne. Das bedeutete für ihn aber mehr, als selbst gesteckte Ziele zu erreichen. Erst wer sein Leben nicht mit dem Maßstab anderer messe, sondern herausgefunden habe, wie er sich zu sich selbst und zur Welt so ins Verhältnis setzen kann, dass es für ihn persönlich stimme, der könne glücklich sein. „Die Autorenschaft über das eigene Leben“ – das war Nietzsches große Idee: „Mich wie ein Künstler zu mir selbst verhalten, meinen eigenen Idealen folgen und mit dem Hammer des „Willens zur Macht“ (wie er es nannte) die Skulptur meines Lebens meißeln.“

KAPITEL 4

Ist Glück unspektakulär und eigentlich nichts Besonderes?

 

Einer der schönsten Texte, die je über das Glück geschrieben wurden, stammt von Hermann Hesse (2. Juli 1877, Calw - 9. August 1962, Montagnola, Schweiz). Er erzählt darin von einer Erfahrung aus Kindheitstagen, die so tief und so beglückend war, dass sie ihn sein ganzes Lebens begleiten sollte.

„Es war Morgen, durchs hohe Fenster sah ich über dem langen Dachrücken des Nachbarhauses den Himmel heiter in reinem Hellblau stehen. Auch er schien voll Glück, als habe er Besonderes vor und habe dazu sein hübschestes Kleid angezogen. Mehr war von meinem Bette aus von der Welt nicht zu sehen.“ So beginnt Hesse seine Glücksgeschichte. Und dann erzählt er, wie ihn in dieser magischen Morgenstunde das Gefühl überkam, diese wenigen Dinge – der Himmel, die Ziegel des benachbarten Daches, er selbst – würden in einer vollkommenen Harmonie schwingen. Sie „hatten einen Sinn, sie gehörten zusammen, sie spielten miteinander, es war ihnen wohl, und es war gut und tat wohl, sie zu sehen, ihrem Spiel beizuwohnen, sich vom selben Morgenglanz und Wohlgefühl durchflossen zu fühlen wie sie.“ Und genau das ist wenn wir Hesse folgen – das Glück: „Die Welt war in Ordnung.“

 

 

Glück ist, wenn alles stimmt – wenn man mit sich und der Welt im Einklang ist. Wenn man wie ein Verliebter einfach nur „Ja“ zum Leben sagt und es nimmt, wie es ist. Das erscheint tatsächlich ganz unspektakulär. 

KAPITEL 5

Das Glück beginnt im Kopf

 

Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab“, lehrte Mark Aurel  (* 26. April 121 in Rom; † 17. März 180), der einzige Philosoph, der es auf den römischen Kaiserthron geschafft hatte. Was er meinte war: Glück ist eine Frage der Einstellung. Vor allem eine Frage der Wertungen.

Lässt sich „Glück“ lehren? Kann man lernen, glücklich zu sein?

 

An der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg (Wirtschaftsgymnasium und Kaufmännische Berufsschule) wird das Fach „Glück“ gelehrt und damit der Versuch unternommen, den Schülern Bildung im ursprünglichen Sinn zu vermitteln. Ziel: die Förderung von persönlicher Zufriedenheit, Selbstsicherheit, Selbstverantwortung und sozialer Verantwortung. – Sechs Bildungseinrichtungen in der österreichischen Steiermark, von der Volksschule bis zur Höheren Technischen Lehranstalt, bieten ein modulares System mit insgesamt je 36 Stunden pro Jahr an. 

KAPITEL 6

Auch im Volksmund, in Märchen und Mythen findet sich das Glück.

 

6.1 Glücksregeln – gesprochene Traditionen

Der optimistische Engländer behauptet: „Das Glück pocht wenigstens einmal an jedermanns Pforte“. Er sagt aber auch: „Niemals sind wir so glücklich oder unglücklich, wie wir denken“.

Die Franzosen haben eine reizvolle Form von Zweckoptimismus entwickelt. „Unglück im Spiel, Glück in der Liebe“, lautet ein beliebtes französisches Sprichwort, das es auch in den deutschen Sprachraum geschafft hat.

Dass Glück auch eine Frage des Muts sein kann, bringt ein italienisches Sprichwort zum Ausdruck: „Das Glück ist dem Kühnen hold“. Pures Glück ist im Zweifelsfall aber dennoch mehr wert als Bildung, wenn es um das Erreichen des Gewünschten geht: „Ein Quäntchen Glück ist mehr wert als ein Pfund Wissen“.

Der spanische Volksmund behauptet, dass es nicht um die Quantität, sondern um die Qualität des Glücks geht: „Die Henne mit dem einen Küken ist so glücklich wie die andere mit acht.“  Zudem sollte nicht vorschnell darüber geurteilt werden, was Glück für uns bedeutet und was Unglück: „Ich habe mir den Fuß gebrochen, vielleicht zu meinem Glück“.

 

Der Deutsche ist da eher skeptisch: „Bei großem Glück ist große Gefahr“. Denn: „Das Glück hat Flügel“, „Das Glück hat Neider“, „Das Glück ist keinem treu“. Und noch eine deutsche Volksweisheit: „Wer Glück haben will, darf nichts dem Glück überlassen“

 

6.2 Und auch das gibt es: Glücksbringer

Bevor ein Krieger in die Schlacht zieht, legt er seine Rüstung an und greift zum Schild, um sich gegen die Angriffe des Feindes zu wappnen. In ähnlicher Weise verwenden Menschen Glücksbringer. Das Tragen alleine gewährt Schutz und bringt Glück.

Die Unterscheidung zwischen Maskottchen, Talisman und Amulett beschreibt der britische Verhaltensforscher Desmond Morris (geb. 1928) so: „Ein Amulett ist ein kleiner Gegenstand, der seinen Besitzer vor Schaden bewahrt. Ein Maskottchen ist etwas (oder eine Person), das oder die seinem Besitzer oder der Gruppe, für die es oder sie steht, Glück bringt. Und ein Talisman stellt einen magischen Gegenstand dar, der sowohl vor Unglück bewahrt als auch Glück bringt“.

 

6.3 Märchen

Die „Guten“, also jene Figuren, die gemäß der Moral der jeweiligen Geschichte korrekt handeln, haben im Märchen „Glück“. Sie erweisen sich als hilfsbereit, bescheiden, freundlich anderen Menschen und selbst Tieren gegenüber. Sie hadern nicht mit ihrem zu Beginn der Erzählung meist traurigen Schicksal. Sie sind bereit, hart zu arbeiten, verfolgen aber nicht mit Krampf und ohne Rücksicht auf ihre Umgebung die eigenen Ziele. Die „Bösen“ hingegen, die nicht oder nicht im ausreichenden Maß über all diese Tugenden verfügen, verlieren alles. Manchmal sogar ihr Leben.

Dass wir zum Glück, hier zum wirtschaftlichen Glück, also Wohlstand, auch selbst etwas beitragen, uns bemühen und hart arbeiten müssen, zeigt das Märchen „Frau Holle“. In der Grimmschen Fassung (Goldmaria und die Pechmaria) springt die ausgebeutete schöne Stieftochter einer Spindel nach, die in den Brunnen gefallen ist. Sie findet ihr Glück, weil sie sich – trotz permanenter Benachteiligung durch Stiefmutter und Stiefschwester – anstrengt und nie verzagt. Die hässliche und faule Stiefschwester will es ihr nachmachen, ist jedoch nicht bereit, sich für ihr Glück zu schinden. So wird sie am Schluss der Geschichte mit Pech überschüttet.

Das Märchen über Aschenputtel lehrt, dass wir unser Glück nicht auf dem Unglück anderer aufbauen können – ebenso wie die Tatsache, dass wir es nicht erzwingen können. Wenn die Zeit reif ist, findet uns das Glück.

 

„Hans im Glück“ zeigt, das Glück nicht unbedingt eine Frage von unermesslichem Besitz sein muss. Es kann durchaus im Sinne des Glücks sein, sich von seinen Schätzen jederzeit ohne großen Schmerz wieder zu trennen.  (Goldklumpen – Pferd – Kuh – Schwein – Gans – Schleifstein – Schleifstein fällt bei Rast am Brunnen in die Tiefe.) Statt über sein für Außenstehende erlittenes Unglück zu jammern, bedankt sich der Held der Geschichte beim Allmächtigen, der ihn von der Last des Steins befreit hat: „So glücklich wie ich“, rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne“

 

ZUM SCHLUSS

 

Im Kreis-Anzeiger stand am 2. Januar 2015 zum Thema Glück eine kurze Glosse. Mit den Schlusssätzen dieses Textes möchte ich meine Ausführungen zum Thema Glück beenden:

 

„Wir alle sehnen uns nach dem Hochgefühl des Lebens. Wir suchen nach Gelegenheiten, ein Stückchen davon zu erhaschen. Manchmal versuchen wir, es zu erzwingen. Aber was ist das eigentlich – Glück? Und wie werden wir glücklich?

Glück: Das sind Augenblicke, in denen wir etwas ganz intensiv erleben – mit Körper und Seele. Ein Vogel, der am Himmel kreist und oben in den Wolken verschwindet oder der Wind, der uns durch die Haare weht. All das kann glücklich machen. Der Schlüssel liegt in uns selbst. In unserer Einstellung. Glückliche Menschen setzen sich reale Ziele. Sie versprechen sich nicht zu viel vom Leben und nutzen die Glückssignale als ein ganz besonderes Geschenk.“

 

Der Vortrag wurde aus folgenden Quellen gespeist:

François Lelord: Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück. Piper, München 2004.

Christoph Quarch: Der kleine Alltags-Philosoph. Gräfe und Unzer Verlag, München, 2014.

Christoph Quarch: Das große Ja. Ein philosophischer Wegweiser zum Sinn des Lebens. Goldmann Verlag, München 2014.

Georg Schildhammer: Glück. Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte. Hrsg. Von Konrad Paul Liessmann, Wien, 2009.

Dorette Segschneider: Glück Macht Erfolg. Wie Glück zu mehr Rendite führt. Mit Knowhow und Praxisbeispielen zu mehr Output. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2014.

Glosse „Was ist Glück“ des Kreis-Anzeigers am 2. Januar 2015 (Gießener Anzeiger Verlags GmbH & Co KG).

Ökumenisches Internetportal GlaubeAktuell (leider am 19. August 2022 nach 20 Jahren eingestellt) ( www.glaubeaktuell.net). Hrsg. von Gert Holle. 

Virtuelle Kirche Eichendorf  (http://www.predigt-eichendorf.de/) . Hrsg. von Manfred Günther.