Quelle: Kreis-Anzeiger 14.02.2017
(BÜDINGEN/ka) - Der Arbeitskreis Diakonie der evangelischen Kirchengemeinde Büdingen existiert seit mehr als 60 Jahren. Seine Mitglieder kümmern sich um die Menschen in der Kirchengemeinde - im Geiste christlicher Nächstenliebe Der Kreis-Anzeiger hat mit Ines Gallenkamp, die im Herbst 2016 den Vorsitz übernommen hat, und Monika Konrad, die sich seit drei Jahrzehnten im Arbeitskreis engagiert, über Senioren, gesellschaftliche Teilhabe und Zukunftspläne gesprochen.
Wie erklären Sie, was unter Diakonie zu verstehen ist?
Konrad: Das ist ein uraltes Aufgabengebiet der christlichen Kirchen. In der Kirche hören wir das Wort Gottes, und die Diakonie setzt es als Dienst am Menschen in die Tat um. Daraus ergeben sich verschiedene Arbeitsfelder. Die Büdinger dürften die Diakoniestation kennen. Dann gibt es den Besuchsdienst. Wenn die Pfarrer verhindert sind, machen wir Geburtstagsbesuche bei den Gemeindemitgliedern, die einen besonderen Geburtstag feiern, 80, 85, 90 Jahre alt oder älter werden.
Gallenkamp: Dann gibt es zum Beispiel das Begegnungscafé für ausländische Mitbürger. Das findet jeden Montag im Gemeindesaal statt und ist sehr gut besucht. Wir sind außerdem auf dem Weihnachtsmarkt aktiv.
Auf den Internetseiten der Kirchengemeinde ist zu lesen, dass Sie besonderes Augenmerk auf Angebote für Senioren legen.
Konrad: Wir organisieren und koordinieren den Seniorennachmittag, der jedes Jahr im März in der Willi-Zinnkann-Halle stattfindet und zu dem etwa 200 Personen kommen. Bis jetzt war dies wirklich ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir bereiten das Programm vor, bündeln die Kräfte. Das Thema wird bereits am Ende des Vorjahres ausgewählt. 2017 wird es "Luther" sein. Wir brauchen einen großen Vorlauf, weil auch die Chöre mitwirken und proben müssen. Im September wiederholen wir diesen Seniorennachmittag in abgespeckter Form im Seniorenwohnheim des Roten Kreuzes. Vor allem für jene, die nicht mehr mobil sind.
Warum gerade Senioren? Es gibt so viele Menschen, die am gesellschaftlichen Leben immer weniger teilhaben.
Konrad: Das kann ich gar nicht mehr genau sagen. Wir haben den Seniorennachmittag und das Café mit Basar auf dem Weihnachtsmarkt von Pfarrer Herrmann übernommen und fortgeführt. Aber wir haben auch andere Sachen gemacht. Unter Pfarrer Koob haben wir in den 1990er Jahren zum Beispiel innerhalb eines Jahres Geld für einen VW-Bus gesammelt. Der wurde nach Ungarn gebracht und dort für Transporte eingesetzt. Wir haben in dieser Zeit auch in Zusammenarbeit mit der Russlandhilfe Wetterau eine Suppenküche in Moldawien unterstützt. Dann haben wir uns als Diakonie um die Russlanddeutschen gekümmert, die oben im Fischerhof einquartiert waren. Wir haben im Gemeindesaal gemeinsam gekocht. Die Integration der Menschen war nicht einfach. Das hat eine Generation gedauert. Aber es hat geklappt.
Gallenkamp: Mit den Geflüchteten, die heute in Büdingen untergebracht sind, kochen wir auch. Das hat Ruth Weyel-Bietz übernommen. So kommen wir einander näher. Das Fremde wird vertrauter.
Was ist mit Kindern, die von Armut betroffen sind und deshalb von vielem ausgeschlossen?
Gallenkamp: Ich kann mir vorstellen, dass der Arbeitskreis sich auch anderen gesellschaftlichen Gruppen als den Senioren zuwendet. Ich arbeite beruflich mit Kindern und habe in der Kinderkirche auch mit Kindern zu tun, die hungrig zu uns kommen, weil sie zuhause unregelmäßig zu essen bekommen. Es gibt Kinder, die sind sich selbst überlassen, wenn die Eltern arbeiten. Manche verhalten sich auffällig und sind schwierig. Oft liegt es aber am Umfeld.
Konrad: Aber auch die Altersarmut nimmt zu. Das ist sichtbar. Das passiert in unserer Mitte. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich engagiere mich auch in der Büdinger Tafel.
Was können Sie tun, um auf Defizite aufmerksam zu machen?
Konrad: Ich wünsche mir, dass meine Kirche ihre Stimme deutlich erhebt gegen soziale Ungerechtigkeit. Wir vor Ort können versuchen, mit unseren Projekten für die Menschen da zu sein.
Gallenkamp: Ich wünsche mir, dass Nächstenliebe mehr ins Blickfeld rückt - auf allen Ebenen.
Ist das der Grund, warum Sie sich im Arbeitskreis Diakonie engagieren?
Konrad: Wie zu Beginn schon gesagt, ich möchte das Wort Gottes nicht nur hören, ich möchte es umsetzen.
Gallenkamp: Das geht mir genauso. Ich habe die Gabe, auf unterschiedliche Menschen einzugehen, bin einfühlsam und kann Dinge bewirken, ohne zu beharren. So kann ich Menschen für eine Sache gewinnen. Aber wir brauchen in unseren Kreis Menschen, die mitmachen. Drei Frauen hören altersbedingt auf. Sie haben das lange angekündigt, aber es reißt eine Lücke.
Warum ist es so schwer, vor allem junge Menschen zum Mitmachen zu bewegen?
Gallenkamp: In der Altersstufe zwischen 20 bis 40 fehlen uns Engagierte. Da gibt es die Konfirmanden, und dann klafft eine große Lücke.
Konrad: Die Menschen befassen sich erst wieder mit Kirche mit, wenn sie selbst Kinder haben.
Ist das als Erklärung nicht zu einfach? Kommt es nicht vielmehr darauf an, junge Menschen für eine Sache zu begeistern?
Gallenkamp: In der Kinderkirche kommen immer wieder junge Menschen dazu, die sich engagieren. Aber sie sind nicht so zuverlässig wie die Älteren. Mal sind sie da, mal sind sie nicht da. Sie haben gute Ideen, aber sie sind nicht zuverlässig. Wir Älteren fühlen uns alleingelassen. Anders ist das bei Projekten. Es findet sich immer jemand, der mitmacht. Da engagieren sich auch junge Menschen.
Konrad: Wissen Sie, das ist eine gesellschaftliche Frage. Es ist ja in vielen anderen Bereichen auch so, dass Menschen nur bereit sind, Verpflichtungen für eine gewisse Zeit einzugehen. Kaum einer will sich für einen längeren Zeitraum binden.
Wenn sich Menschen nur noch für Projekte engagieren, dann muss sich der Arbeitskreis wohl verändern.
Konrad: Bei den Seniorennachmittagen helfen viele: spenden Kuchen, dekorieren den Saal, stellen Stühle, räumen nach der Veranstaltung auf. Es müssen aber immer ein paar dabei sein, die das Ganze zusammenhalten, koordinieren, Arbeit delegieren und vor allem das Programm vorbereiten. Das ist die Aufgabe der Mitglieder des Arbeitskreises.
Gallenkamp: Veränderungen sind ein Prozess. Ich habe den Vorsitz des Arbeitskreises im Herbst übernommen und jetzt ist die Zeit, in der Weichen für unsere zukünftige Arbeit gestellt werden. Es wird sich etwas ändern, deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn Menschen dazukommen, die den Prozess aktiv mitgestalten.
Frau Gallenkamp, was sind denn Ihre Pläne als neue Vorsitzende?
Gallenkamp: Wir wollen den Kontakt zum Hephata-Haus und den Menschen, die dort leben, intensivieren. Sie in die Kirchengemeinde, in die Öffentlichkeit holen. Ich kann mir vorstellen, in der Vorstadt - in den Räumen den ehemaigen Familienzentrums "Planet Zukunft" - ein Café für Jung und Alt zu öffnen. Einen Ort, an dem sich Menschen treffen. Senioren können Kinder zum Beispiel beim Hausaufgabenmachen betreuen. Die Senioren hätten eine sinnvolle Aufgabe, die Kinder einen Anlaufpunkt. Die Ehrenamtsagentur, die Caritas machen ja auch Angebote. Wichtig ist, dass wir uns vernetzen, zusammenarbeiten, gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Kirche muss mit anderen Institutionen zusammenarbeiten. Wenn wir rüberbringen können, dass Kirche heute genauso lebendig ist wie andere Bereiche, wäre das wirklich toll.
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HINTERGRUND
Die Diakonie ist der Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirche. Die evangelische Sozialarbeit widmet sich der Unterstützung, Betreuung und Begleitung von Menschen am Rande der Gesellschaft. Das Wort bedeutet im Altgriechischen "Dienst" und steht in der kirchlichen Tradition für den "Dienst am Nächsten". Der Arbeitskreis Diakonie der evangelischen Kirchengemeinde Büdingen besteht aus sechs Mitgliedern. Ines Gallenkamp ist seit Herbst 2016 Arbeitskreisvorsitzende. Neben anderen Aufgaben bildet er die Schnittstelle zur diakonischen Arbeit des Dekanats sowie zu Einrichtungen in der Kirchengemeinde. Gallenkamp ist per E-Mail an inesgallenkamp@gmx.de erreichbar. (elk)
Evangelisches Dekanat Büdinger Land | Bahnhofstraße 26 | 63667 Nidda
E-Mail: Verwaltung
Telefon: 06043-8026-0
Fax: 06043-8026-26
Hintergrundbilder:
Vögel im Winter: © Hilke Wiegers / fundus-medien.de
Winterweg: © Stephan Krebs / fundus-medien.de
Rote Winteräpfel: © Hans Genthe / fundus-medien.de
Fußspuren im Schnee: © Rolf Oeser / fundus-medien.de