Quelle: Kreis-Anzeiger 16.05.2017
Von Susanne Kleinmann
KONZERT: Calmus-Ensemble aus Leipzig begeistert mit außergewöhnlichem Luther-Programm in der Marienkirche
(BÜDINGEN/sk) - „Das heutige Programm erklang vor einer Woche in New York. Wie glücklich können wir sein, dass sie heute hier sind.“ Mit diesen Worten begrüßt Kantorin Barbara Müller die Sänger des renommierten Calmus-Ensembles aus Leipzig in der Marienkirche. Auch in New York hatte das Quintett in einer Kirche gesungen. Und auch dort, in „The Cloisters“, einem Gebäude, das aus Architekturfragmenten europäischer Klöster erbaut worden ist und zum Metropolitan Museum of Art gehört, hatten die fünf Sänger ihr Luther-Programm vorgetragen.
Und während sich die Ausstellung im Chorraum der Marienkirche mit Luther und der Judenfrage auseinandersetze und ihn, so Müller, in einem nicht so schönen Licht zeige, seien die Lieder Martin Luthers, vorgetragen von den fünf Sängern aus Leipzig, eine einzige Hommage an den großen Reformator. Das Vocalensemble hat sich in seinem Programm „Luther Collage“ dessen Werke vorgenommen und sie bearbeitet.
„Etwa 30 Lieder sind von Luther überliefert“, so Manuel Helmeke, Bassstimme des Ensembles, in seiner Begrüßung. „Manche stammen direkt von Luther, andere hat er aus gregorianischer Musik weiterentwickelt. Das Sammelsurium ist bunt. Es gibt Bearbeitungen von Bach, Praetorius, Brahms, Reger, Mendelssohn und vielen anderen. Wir haben die Bausteine zusammengesucht und zu einer musikalischen Collage zusammengesetzt.“ Besonders abwechslungsreich werden die Collagen dadurch, dass sich die Musiker nicht nur Vocal-, sondern auch Orgelwerke vorgenommen und bearbeitet haben. So beginnt der Choral „Christum wir sollen loben schon“ mit einem romatischen Choralvorspiel von Carl Piutti, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelebt und gewirkt hat. Gefolgt wird das wunderbar vorgetragenen Choralvorspiel von einer Motette des Reformators Johann Walters, um dann mit Brahms wieder in die Romantik zurückzukehren. Besonders beeindruckend in dieser Collage: die Interpretation von Max Regers Choralvorspiel, bevor das Stück mit Mendelssohn ausklingt.
Die Collagen sind unglaublich feinfühlig und klug zusammengestellt und zeugen von einem großen musikalischen Verständnis. Und immer beeindruckt: die hohe gesangliche Qualität. Schon mit den ersten Tönen von „Eine feste Burg ist unser Gott“, angestimmt von der dunklen Bassstimme Helmekes, gefolgt von den vier Stimmen von Ludwig Böhme (Bariton), Tobias Pöche (Tenor), Sebastian Krause (Alt) und Isabel Jantschek (Sopran) wird deutlich: Da stehen vier Männer und eine Frau, die im Singen ihre Berufung gefunden haben. Alle im Leipziger Thomanerchor groß geworden, singen sie mit großer Präzision und dennoch auch Leichtigkeit. Absolut sauber intoniert, mit einer glasklaren Tongebung und sehr homogen im Miteinander, tragen die Sänger ihr Programm vor. Da wird die Stimme des Basses oder Baritons durchaus auch einmal zum Rhythmusgerät, während die Stimmen der anderen Sänger sich geradezu miteinander zu unterhalten scheinen. Besonders beeindruckend ist die unglaubliche Freude, die das Quintett während des Singens ausstrahlt. Da stehen Menschen, die ihre Profession gefunden haben. Und wenn sich die Sänger bei „Kristallen den fina“, einer Bearbeitung von „Nun kommt der Heiden Heiland“ von Gunnar Eriksson, voneinander entfernen, um sich in der Kirche zu verteilen, sind die Besucher vollends berührt. Es scheint, als würde der Klang die Besucher umhüllen, Dolby Surround live sozusagen.
„Wir hören uns während des Singens ja nur gegenseitig vom Rand der Zuschauer aus. Doch auch ich habe schon einmal in einem Konzert gesessen und diesen Effekt erlebt. Das war wirklich sehr ergreifend“, erklärt Tobias Pöche. Doch, so der Tenor, es sei nicht ganz einfach, so weit entfernt voneinander zu singen, da man die Stimmen der anderen leicht verzögert höre. Und gerade in einer Kirche sei der Ton durch den Nachhall leicht verschleiert. Es sei daher sehr wichtig, genau auf den Rhythmus zu achten, so der Sänger. Dennoch passen natürlich gerade die Luther-Collagen besonders gut in ein geistliches Haus. Und in der Marienkirche, das bestätigen die Sänger alle, sei es durch die gute Akustik ganz wunderbar zu singen.
Das männerdominierte Quintett wird ergänzt durch einen Frauensopran. Seit Oktober singt Isabel Jantschek, die bis Ende des Jahres Anja Pöche vertritt. Die Sopranstimme ergänzt das Ensemble vortrefflich. Das Spektrum, Tonumfang und Klangfarbe anbelangend, wird dadurch enorm erweitert. Für Isabel Jantschek, freiberufliche Sängerin, ist es ein besonderes Geschenk, in diesem Ensemble mitwirken zu dürfen. Die Freunde darüber sieht und hört man ihr deutlich an. „Es ist wunderschön, wenn man während des Singens merkt, dass sich die Stimmen miteinander mischen und aufs vortrefflichste miteinander harmonieren, das zaubert dann auch mir während des Singens ein Lächeln ins Gesicht“, erklärt die Sängerin.
Mit dieser positiven Ausstrahlung, einer enormen Präzision und feinfühligen Interpretation haben die fünf Sänger bereits viele internationale Preise und Wettbewerbe gewonnen und treten bei renommierten Festivals auf. Welch eine Freude, sie auch in der Marienkirche hören zu dürfen. Mit den Zugaben „Benedictus“ von Josef Gabriel Rheinberger und „Waldesnacht, du wunderkühle“ von Johannes Brahms verabschieden sich die fünf Ausnahmesänger von ihrem Büdinger Publikum.
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