Büdingen

Samuel Ditzinger ist Herr über 2200 Pfeifen

Quelle: Kreis-Anzeiger 21.01.2017

 

 

Von Susanne Kleinmann

 

MIT BEGEISTERUNG: 16-Jähriger lernt das Orgelspiel in der Büdinger Marienkirche

 

(BÜDINGEN/sk) - 2200 Pfeifen, 29 Register, zwei Manuale und Pedal, so thront sie auf der Empore der Büdinger Marienkirche – die 1971 erbaute Hillebrand-Orgel. Schon Mozart bezeichnete die Orgel als Königin unter den Instrumenten. Und sie hat wirklich etwas Majestätisches.

 

Nicht mehr viele junge Menschen entscheiden sich dafür, dieses Instrument zu erlernen. Das ist auch nicht ganz einfach. Nicht nur, dass beide Hände und Füße mit verschiedenen Stimmen beschäftigt sind, auch aus organisatorischen Gründen ist es nicht ganz leicht, das Orgelspiel zu erlernen. Zunächst müssen einige Fragen geklärt werden. Wo ist der nächste Kantor, bei dem ich Unterricht nehmen kann? In welcher Kirche kann ich üben? Bekomme ich überhaupt einen Schlüssel von der zuständigen Gemeinde? Wie finanziere ich das? Barbara Müller, Kantorin der evangelischen Kirchengemeinde Büdingen, unterrichtet zurzeit zwei Schüler. Einer von ihnen ist Samuel Ditzinger, 16 Jahre alt und Schüler des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums.

 

„Der zeitliche Aufwand ist enorm“, erzählt die Kantorin, „die Orgelschüler spielen in der Regel auch Klavier. Das ist eigentlich Voraussetzung. Und um neben Schule und anderen Hobbys zwei Instrumente zu lernen, muss schon viel Herzblut dabei sein“. Dass das bei Samuel Ditzinger vorhanden ist, spürt man bei jedem seiner Worte. Schon sehr früh habe ihn das Instrument gereizt, die Klanggewalt und Fülle hatten es bereits dem kleinen Samuel angetan. Durch seine Großeltern hatte er schon früh einen Bezug zur Musik. Der Großvater, Anton Ditzinger, spielt Geige und war lange als Chorleiter tätig, die Großmutter sang im Kirchenchor.

 

Das häusliche Umfeld spiele eine große Rolle, erzählt Barbara Müller. „Alle Schüler, die dabeigeblieben sind, haben in ihrer Familie Menschen, die sie fördern und unterstützen. Oft auch Eltern oder Großeltern, die selbst ein Instrument spielen oder im Chor singen.“ Auch bei Samuel Ditzinger war es die Großmutter, die ihn zunächst zum Klavier spielen ermunterte. Mit sieben Jahren begann er mit dem Klavierunterricht und ist bis heute dabei geblieben. Der Jugendliche entdeckte seine Liebe zur barocken Musik. Bach spiele er bevorzugt, erzählt er, zurzeit zwei Stücke aus dem „Wohltemperierten Klavier“, einer Sammlung von 24 Präludien und Fugen, chromatisch ansteigend durch alle Dur- und Molltonarten, die Johann Sebastian Bach eigens für die „lehrbegierige musicalische Jugend“ komponiert hat.

 

„Bachs Kompositionen klingen auf der Orgel natürlich noch besser als auf dem Klavier. Die Stücke, die Bach komponiert hat, sind nicht für moderne Instrumente geschrieben, sondern für Cembalo oder Clavichord. Aber auf der Orgel klingt Bach einfach toll“, erzählt der Schüler.

 

Was lag also näher, als auch das Orgelspiel zu erlernen? Vor etwa vier Jahren begann Samuel Ditzinger mit dem Unterricht. Kein einfaches Unterfangen, hat der normale Bürger zu Hause schließlich kein Instrument zum Üben zur Verfügung. „Meine Eltern unterstützen mich, wenn ich in die Kirche zum Üben gefahren werden möchte. Im Sommer nehme ich auch oft das Fahrrad.“

 

Der Aufwand lohnt sich. Bereits viermal hat Samuel beim Weihnachtskonzert des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums mitgemacht, im vergangenen Jahr auch das Schlusslied „O du fröhliche“ begleitet. Die Aufregung hielt sich dabei jedoch in Grenzen, erzählt der 16-Jährige schmunzelnd. „Man sitzt auf der Empore ja mit dem Rücken zum Publikum, das nehme ich dann gar nicht so wahr.“ Etwas mehr Lampenfieber habe er gehabt, als er an Weihnachten zum ersten Mal einen Gottesdienst in seiner Gemeinde Wolf ganz alleine begleiten durfte. Auch das habe aber gut geklappt. Schließlich singe die Gemeinde gerade beim Weihnachtsgottesdienst kräftig mit, sodass kleine Fehler kaum zu hören seien und verziehen würden. Gerne würde er häufiger Gottesdienste begleiten, erzählt er, das bereite ihm großen Spaß. Die Kirchengemeinden wird es freuen, denn Organisten werden häufig gesucht.

 

Orgel spielen – ein sehr zeitintensives Hobby. Doch trotz des Erlernens von zwei Instrumenten, der schulischen Mehrbelastung in der Oberstufe mit den Leistungskursen Mathematik und Physik und durch G8 immerhin 37 Wochenstunden Unterricht bleibt dem Schüler noch Zeit für andere Hobbys. Judo und Volleyball interessierten ihn, erzählt Samuel Ditzinger, seinen Segelschein habe er auch gemacht. Manchmal besuche er seinen älteren Bruder in Kiel, da würden sie dann gemeinsam segeln. Und, na klar, am Computer sitze er auch gerne – genau wie jeder andere 16-Jährige auch.