Büdingen

Kirche auf der Straße

 

 

Von Myriam Lenz

 

 

 

(Büdingen/myl) -- "Wir sind freiwillig hier", sagt eine Konfirmandin ganz knapp und dreht sich wieder in Richtung Bühne um. Die Jugendlichen sitzen auf den Bierzeltgarnituren in der Vorstadt. Hinter den Musikern des Musikzuges der Freiwilligen Feuerwehr hängt ein Banner: "Evangelische Kirchengemeinde Büdingen mittendrin", steht darauf. Am Wochenende hat sich die Kirche vor dem Jerusalemer Tor abgespielt.

 

Es ist Sonntagvormittag, kurz vor halb elf. Die Plätze vor der Bühne haben sich gefüllt, Pavillons vor dem Café "La Porta" erinnern an eine Nomadensiedlung, Fahnen, herumwirbelnde Helfer an ein besonderes Fest. Das "La Porta" trägt den offiziellen Namen Begegnungscafé. Diejenigen, die sich dort treffen, haben das Café zu einer Ideenschmiede gemacht. Die Ergebnisse sind kreativ, inklusiv, nachhaltig, offen und vor allem gemeinschaftlich. In diesen Räumen entstand auch die Idee eines Gemeindefestes in Verbindung mit dem interkulturellen Kinderfest.

 

Es ist halb elf. Der Musikzug verstummt. Dr. Volker Jung tritt ans Mikrofon. Er ist Präsident der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau (EKHN). "Er ist so etwas wie ein Bischof, und dann irgendwie doch nicht", erklärt Pfarrer Andreas Weik.

 

Ein Christ könne nicht mit verschlossenen Augen über die Straße gehen, um erst in der Kirche die Augen aufzuschlagen, sagt Jung. Der fromme Augenaufschlag sei unchristlich, wenn dabei die Welt übersehen werde. Um die Frage zu klären, wo der Glaube gelebt wird - in der Kirche oder draußen - erzählt er die Geschichte von Petrus und Johannes und ihrer Begegnung mit einem gelähmten Bettler. Sie gaben ihm keine Almosen, sondern Heilung. "Steh auf und geh umher", sagten sie zu ihm. Der Appell, auf die Menschen zuzugehen, klingt an diesem Tag immer wieder durch. Viele würden auf die unsichere Lage in der Welt damit antworten, dass sie sich zurückziehen und dichtmachen. "Ich halte diesen Weg für gefährlich. Ich hoffe, dass wir Kraft genug finden, nach draußen zu gehen - nicht nur an diesem Morgen." Der Auftrag der Kirche sei sowohl für die Wertschätzung, aber eben auch für das andere, das Menschen zum Leben benötigen, zu sorgen." Gott wolle, dass allen Menschen geholfen werde, unterstreicht er. Und er dankt allen, die sich kümmern und hilfsbedürftigen Menschen ein Gesicht geben.

 

Andreas Weik sprüht vor Zuversicht und fühlt sich wie vor den Toren Jerusalems. "Wir werden es heute erleben, dass Menschen mittendurch gehen und irritiert sind. Das ist gewollt." Er bedankt sich bei der Stadt, die die Veranstaltung nach Kräften unterstützt hatte, und Dekanin Sabine Bertram-Schäfer für ihr Kommen. Sie sei stolz auf diese Kirchengemeinde, sagt diese.

 

Es ist eine beeindruckende Gemeinschaftsleistung unter der Federführung der evangelischen Gemeinde und der Ehrenamtsagentur, der sich zahlreiche Organisationen angeschlossen haben, die im "La Porta" zusammentreffen. Da sind der Malteser Hilfsdienst, die "Brauch-Bar", die Diakonie, der Verein Helping Hands, der Hospizverein, die Hephata, das Bündnis für Demokratie und Vielfalt oder das Familienzentrum "Planet Zukunft". Für Musik und Gesang sorgen Kirchenchor und Feuerwehr. Die Rocker vom Rauhen Berg hatten schon am Samstag eingeheizt, die Formation "Soul Büches" spielt am Sonntag zum Frühschoppen. "Lasst es krachen", steht im Programmheft zum Gemeindefest. Die musikalische Gesamtleitung obliegt an diesem Wochenende Thomas "Charly" Appel.

 

Speisen und Getränke sind umsonst, bunte Boxen laden zur Spende ein. Es gibt kein Plastikbesteck, die Macher der "Brauch-Bar" und der Büdinger Tafel hatten tags zuvor bei zwei Supermärkten nach Gemüse nachgefragt, das nicht mehr verkauft wurde. Daraus schnippeln Freiwillige die Grundlage für eine Gemüsepfanne.

 

Daneben gibt es afrikanisches Essen, eine Grilltheke, ein vegetarisches Buffetzelt, Kartoffeln mit Matte, ein Kuchenbuffet, Waffeln und Allerlei.

 

Tags zuvor hatten die Kinder eine tolle Auswahl: Acht Spielstationen, einen Kinderflohmarkt, eine Hüpfburg, Torwandschießen, Kinderschminken und vieles mehr warteten auf sie.

 

Auch die Konfirmanden hatten ihren Part in der Organisation. Sie durften die Nachtwache abhalten. Ganz freiwillig, versteht sich.