Jubiläum in Burkhards

Einst von Wingershausen losgelöst

Quelle: Kreis-Anzeiger 29.11.2016

 

 

FESTGOTTESDIENST_ Kirchengemeinde Burkhards/Kaulstoß seit 400 Jahren selbstständig / Heinfried Kunkel blickt zurück / Jürgen Hau geehrt

 

(BURKHARDS/(sw) -  Die evangelische Kirchengemeinde Burkhards/Kaulstoß kann auf eine 400-jährige Geschichte zurückblicken. Die Eigenständigkeit wurde im Jubiläumsjahr am ersten Adventssonntag mit einem Festgottesdienst in der Burkhardser Kirche gefeiert.

Im MIttelpunkt standen ein historischer Abriss von Heinfried Kunkel und die Predigt der Dekanin Sabine Bertram-Schäfer. Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Helmut Reinemer, freute sich, neben den Gemeindemitgliedern auch Besucher aus den früher langjährig im gemeinsamen Kirchspiel verbunden Gemeinden Eschenrod und Herchenhain sowie Vertreter des Schottener Magistrates und der Ortsbeiräte aus Burkhards und Kaulstoß begrüßen zu können. Für die musikalische Umrahmung sorgten der Posaunenchor der evangelischen Kirchengemeinde Gedern unter Leitung von Horst Kissel und der Gemischte Chor 1883 Burkhards mit seinem Dirigenten Philipp Langstroff, der auch für das Orgelspiel während des Gottesdienstes verantwortlich war.

Heinfried Kunkel begann seine Ausführung über die Geschichte der Kirchengemeinde in weit zurückliegender Zeit. Vor 1000 Jahren, als der Mainzer Erzbischof Erkanbald in Wingershausen eine Kirche errichten ließ, gehörten Burkhards und Kaulstoß zum flächenmäßig großen Kirchspiel, das in diesem Jahr sein 1000-jähriges Jubiläum feierte (der Kreis-Anzeiger berichtete). Die Mutterkirche nahm über viele Jahre die Betreuung der Gemeinde und auch die zentrale Verwaltung des kirchlichen Vermögens vor. Lange Zeit wurden auch die Verstorbenen in Wingershausen beerdigt. Das änderte sich erst, als etwa Mitte des 16. Jahrhunderts ein Kirchengebäude in Burkhards errichtet wurde, an der Stelle, wo sich auch heute noch der Friedhof befindet.

1616 konnte sich Burkhards vom Wingershäuser Kirchspiel lösen. Eine wichtige Voraussetzung war zum einen, dass Burkhards bereits eine Kirche besaß, und zum anderen, dass der Ort seit 1311 ein Gericht hatte, das für das Gebiet des Kirchspiels Wingershausen zuständig war. Die Gerichtsbarkeit wie auch der Nachweis, dass man einen Pfarrer „standesgemäß“ bezahlen und dessen Familie ein Auskommen bieten konnte, waren triftige Gründe auch für den Landesherrn, der neuen Eigenständigkeit der Kirchengemeinde Burkhards/Kaulstoß zuzustimmen, wie Kunkel ausführte. Zudem konnten die Gemeindemitglieder wohl auch ihre notwendige „geistlich-religiöse Reife“ für die kirchliche Eigenständigkeit nachweisen.

Über den ersten Burkhardser Pfarrer gebe es widersprüchliche Angaben, aber vermutlich sei es Michael Vörster gewesen, ein aus Böhmen im Zuge der „Gegenreformation“ geflüchteter Geistlicher, der in Burkhards bis 1635 tätig gewesen sei. „In vergangenen 400 Jahren ist in der Kirchengemeinde viel passiert. Viel Freud und Leid, viele Kriege, Elend und Tod waren die Begleiter der Menschen“, meinte der Vortragende. Das heutige Kirchengebäude in der Mitte von Burkhards besteht seit 1755, zuvor stand an gleicher Stelle die erste Kirche der Gemeinde. Burkhard Zentgraf ist mittlerweile der 35. Pfarrer, der die Geschicke der die beiden Schottener Stadtteile umfassenden Kirchengemeinde leitet, schloss Kunkel.

In ihrer Festpredigt griff Dekanin Bertram-Schäfer auf einen vor mehr als 2500 Jahren geschriebenen Text des Propheten Jeremia aus dem Alten Testament zurück. Zwar sei die Zeit damals wie auch bei der Gründung der Kirchengemeinde vor 400 Jahren eine ganz andere als heute gewesen, der Text habe aber nichts von seiner Bedeutung verloren, „Die 600 Jahre vor Christi Geburt geschriebene Worte sind aktuell und für die heutige Zeit brisant“, betonte die Geistliche. Mit „Zeit“ und „sicherem Wohnen“ stellte sie zwei schon von Jeremia als sehr bedeutend bewertete Begriffe in den Mittelpunkt ihrer Predigt. „Es geht um die Lebenszeit jedes Menschen, es geht um die Zeit, die den Menschen zur Verfügung steht“, so Schäfer-Bertram.

Die Kirche sei immer ein Ort, an dem die Menschen Antworten suchten, besonders im Zeichen von Leid und Trauer. 1616, das Jahr der Kirchengründung, sei kurz vor dem 30-jährigen Krieg mit seinem Schrecken und vielfachen Tod gewesen. Auch 100 Jahre später habe es viele Auseinandersetzungen gegeben. Im Jahr 1816 sei das Zeitalter Napoleons gerade zu Ende gewesen und 1916 hätten die Wirren des Ersten Weltkrieges die Menschen heimgesucht. Und heute sei das Leben geprägt von der Konfrontation mit einem neuen Nationalismus. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, meinte Bertram-Schäfer. Die Menschen sehnten sich nach Frieden und Geborgenheit. Die „Zeit“ habe auch in der Adventszeit eine große Bedeutung. Die Menschen sollten sich auf die Ankunft Gottes vorbereiten. Dafür lohne es, sich Zeit zu nehmen“, so die Dekanin. „Wenn wir Gott bei uns ankommen lassen, gehen wir der Zeit entgegen, wo wir geborgen leben können.“

„Ein sicheres Zuhause wünschen wir uns alle“, sagte Bertram-Schäfer weiter. Die Kirche sei ein Sinnbild für Heimat und Geborgenheit und habe „in unseren Dörfern“ einen hohen Stellenwert. „Gott hält unsere Zeit in seinen Händen und schenkt uns die Sicherheit, die uns sonst niemand geben kann“, betonte die Dekanin. Das Verlangen nach einer sicheren Wohnung und einer Heimat seien Grundbedürfnisse, die wir auch den zu uns kommenden Flüchtlingen zugestehen sollten. Bertram-Schäfer: „Unser Auftrag ist es, die Liebe Gottes weiterzugeben“.

Am Ende des Gottesdienstes wurde Jürgen Hau eine besondere Ehrung zuteil. Seit 25 Jahren übt er das Amt des Kollektenrechners aus. Dafür dankten ihm Kirchenvorstandsvorsitzender Reinemer und Pfarrer Zentgraf im Namen der Kirchengemeinde.