Von Susanne Kleinmann
(Büdingen/sk) - Seit dem 1. September 2017 arbeitet der Politikwissenschaftler Matthias Blöser als Projektreferent im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und besetzt die neu geschaffene Projektstelle "Demokratische Kultur in der Gesellschaft stärken - gegen Rechtsextremismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit." Am kommenden Dienstag, 30. Januar, wird Matthias Blöser einen Vortrag zum Thema "Hetzer, Schwätzer, Stammtischparolen. Wie geht man mit menschenfeindlicher Stimmungsmache um?" im Heuson-Museum halten. Beginn ist um 19.30 Uhr. Mit den Parolen am Stammtisch werden Vorurteile, Ressentiments, Aggressionen und oftmals auch rechte Ansichten verbreitet. Was kann man tun, um diese nicht unwidersprochen stehen zu lassen? Was kann man entgegensetzen? Diesen Fragen widmet sich der Vortrag, zu dem die evangelische Kirchengemeinde, das Bündnis für Demokratie und Vielfalt und der Geschichtsverein einladen. Der Kreis-Anzeiger hat sich im Vorfeld mit Matthias Blöser unterhalten.
Worum genau geht es bei Stammtischparolen?
Wir haben das Ganze zwar "Hetzer, Schwätzer, Stammtischparolen" genannt, doch die Stammtischparolen werden natürlich nicht ausschließlich am Stammtisch vorgetragen. Das kann ebenso das Gerede in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Verein sein. Vor allem geht es um rechte Hetze, es geht um geflüchtete Menschen, um die eigene Opferrolle und vieles mehr. In letzter Konsequenz geht es natürlich auch darum, dass solche Parolen mitunter auch in Gewalttaten enden. Die Amadeu-Antonio-Stiftung und Pro Asyl dokumentieren für das Jahr 2017 in ihrer gemeinsamen Chronik in der Rubrik "Flüchtlingsfeindliche Vorfälle" bundesweit 1713 Straftaten. Mit dem Begriff Stammtischparolen haben wir einfach eine Bezeichnung gefunden, die sehr griffig ist. Natürlich geht es auch um den christlichen Wert der Nächstenliebe. Und diese verlangt Klarheit gegenüber menschenverachtenden Tendenzen. Mir als Referent der evangelischen Kirche ist es wichtig, bei diesem Thema klare Kante zu zeigen.
Das heißt, solche Parolen enden mitunter tatsächlich auch in Straftaten?
Es gibt hier keinen Automatismus. Doch gerade die Hetze gegenüber Geflüchteten haben in ihrer Häufung das Klima in unserer Gesellschaft vergiftet. Man denke an Pegida oder regional an die Mobilisierung bei Facebook mit der Seite "Büdingen wehrt sich - Asylflut stoppen". Dadurch sinkt die Hemmschwelle gegenüber solcher Anfeindungen. Interessanterweise hat sich jedoch auch bei diesen Parolen im Netz etwas verschoben. Während die Menschen vor zwei, drei Jahren ihre Parolen noch anonym gepostet haben, finden sich solche Hetzereien heute auch unter eigenem Namen. Diese Haltungen sind dadurch öffentlich sichtbar geworden. Und während die Menschen vor einigen Jahren ihre Meinung nur in kleineren Gruppen geäußert haben, finden solche Äußerungen heute einen wesentliche größeren Verbreitungsradius durch das Internet. Und das gipfelt tatsächlich mitunter in Straftaten, weil es diese relativ klare Grenze zwischen einer demokratischen Haltung und einer eher rechten Gesinnung nicht mehr gibt. Die Täter fühlen sich bestärkt und angetrieben durch die Unterstützung so vieler im Netz.
Woher kommen diese Parolen?
Viele Menschen haben ganz diffuse Ängste, die aber objektiv meist unbegründet sind. Doch gerade solche Ängste und Ressentiments werden von den Rechten geschürt. Gerade was die Geflüchteten anbelangt, wird pauschalisiert. Es wird da zum Beispiel nicht unterschieden, welcher Religionsgemeinschaft diese Menschen angehören, sondern sofort die Gedankenkette in Richtung Islam, IS und Gewalt gelenkt. Dadurch wird nicht mehr das persönliche Schicksal gesehen, sondern das Ganze entmenschlicht. Der Geflüchtete ist keine individuelle Person mehr, sondern wird sofort in eine Schublade gesteckt. Dieser Versuch, Menschen in Gruppen und Schubladen zu stecken, hilft uns natürlich auch, die komplexen Vorgänge in der Welt besser verstehen zu können. Gefährlich wird es, wenn wir andere Gruppen abwerten. Doch diese Parolen funktionieren natürlich auch deshalb so gut, weil in unserem Sozialstaat eine Verschiebung stattgefunden hat. So entsteht das Gefühl, die Geflüchteten hätten den Menschen in Deutschland etwas weggenommen. Doch tatsächlich hat diese Verschiebung in unserer Gesellschaft schon viel früher stattgefunden. Genau diese Thematik wird in hetzerischen Parolen aufgegriffen. Es entsteht mitunter ein Gefühl von Egoismus oder Neid, und das oft auch bei Menschen, denen es objektiv an nichts mangelt. Sie möchten nichts abgeben und fühlen sich damit im Recht.
Kann man lernen, solchen Parolen zu widersprechen und die Argumentationsketten zu durchbrechen?
Auf jeden Fall. Es kommt natürlich darauf an, was für eine Zielgruppe man hat. Es gibt unterschiedliche Argumentationsstrategien, abhängig von der Zielgruppe. Findet das Gespräch in einem kleinen Kreis statt, privat oder auf einem öffentlichen Podium? Und auch davon, in welcher Situation ich mit solchen Äußerungen konfrontiert werde. Bin ich auf einer Familienfeier, ist es oft sinnvoll, nicht gleich in eine Diskussion einzusteigen. Man kann aber ein Signal setzen, indem man sagt, dass man dazu eine andere Haltung hat. In einer öffentlichen Runde sollte ich zunächst versuchen, einen demokratischen Diskurs zu halten. Ist aber klar, dass die Person aus einem rechten Spektrum kommt, kann ich diese Person in der Regel nicht überzeugen. Doch ich kann in der Diskussion die Umstehenden zum Nachdenken anregen oder vielleicht überzeugen.
Das Datum Ihres Vortrages ist der 30. Januar. Der Tag der Machtergreifung Hitlers - Zufall oder Absicht?
In der Doppelbedeutung - zum einen der Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und zum anderen die Neonazidemo, die am 30. Januar 2016 in Büdingen stattgefunden hat - lag dieser Termin nahe für eine Veranstaltung, die sich auch mit rechten Parolen auseinandersetzt.
Sie sind nun seit knapp fünf Monaten als Projektreferent bei der evangelischen Kirche tätig. Wie genau kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Meine Aufgaben ist die Beratung und Unterstützung der evangelischen Dekanate. Auf Kirchenleitungsebene berate ich in den Themenbereichen Demokratie und Menschenfeindlichkeit. Ich halte Vorträge, gebe Workshops, organisiere Fachtage im Bereich Rechtsradikalismus, Sexismus, Rassismus und anderen Aspekten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Kontakt:
Matthias Blöser
Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN
Albert-Schweitzer-Straße 113-115
Tel.: 06131 2874460
Mail: m.bloeser@zgv.info