(Archiv Evangelische Kirchengemeinde Langenbergheim): Anhand zweier ausgebaggerter Bodenprofile erklärte 2018 im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Kirchengemeinden und des Vereins für Kultur und Heimatgeschichte Hammersbach der Agraringenieur Rainer Vogel, Diplom-Agraringenieur und Ökolandwirt vom Hof Buchwald in Windecken, die Schichtung des Wetterauer Bodens.
10.05.2021
(Region/Nidda/gho) - Weit mehr noch als Luft und Wasser gehört der Boden zu den Ressourcen ohne Fürsprecher – bislang. Auf der Nordhalbkugel interessiert er die meisten allenfalls als Bauland. Hin und wieder setzen sich Menschen mit speziellen Berufen im Agrarsektor oder Hobbygärtner für diesen Mikrokosmos ein. Viel zu selten wird jedoch in dem Boden ein Erzeugnis einer teils Jahrmillionen alten Abfolge chemischer, biologischer und physikalischer Prozesse gesehen. Und viel zu selten werden die globalen Herausforderungen in der Versorgung der Menschheit mit den Erträgen des Bodens in Verbindung gebracht. In Schöpfungsgottesdiensten und Diskussionsveranstaltungen haben sich Kirchenvertreter des Evangelischen Dekanats Büdinger Land seit vielen Jahren der Frage gewidmet, wie denn eine gute Balance zwischen Bewahrung und Bebauung der Schöpfung gewährleistet werden kann und dabei erfahren müssen, dass zu oft wirtschaftlichen Interessen der Vorrang vor nachhaltigem Handeln und der Bewahrung der Schöpfung eingeräumt wurde.
Aktuell ist eine Erweiterung des „Gewerbegebietes Limes - Erweiterung West“ in Hammersbach – Limeshain entlang der A45 in der Planung. Bei der zur Diskussion stehenden Gewerbegebietsfläche handelt es sich laut gültigem Regionalplan Südhessen von 2010 um ein „Vorranggebiet für Landwirtschaft", überlagert mit "Vorbehaltsgebiet für den Grundwasserschutz". In „Vorranggebieten für Landwirtschaft“ soll die landwirtschaftliche Bodennutzung dauerhaft Vorrang vor anderen Nutzungsansprüchen besitzen. Im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Prozesses gemäß §4 des Baugesetzbuchs (BauGB) hat sich das Evangelische Dekanat als Träger öffentlicher Belange (§ 4 des BauGB) zur Abgabe einer Stellungnahme von dem mit dem Vorgang befassten Gießener Planungsbüro „Plan ES“ aufgefordert gesehen.
Nach intensiver Beratung und der Abwägung zahlreicher Aspekte lehnt der Synodalvorstand (DSV) des Evangelischen Dekanats Büdinger Land unter Leitung seines Vorsitzenden Rolf Hartmann mehrheitlich den Vorentwurf des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Limes – Erweiterung West“ sowie weitere damit in Verbindung stehende Erweiterungspläne ab. In seiner Begründung bezieht sich der DSV auf ein von ihm bereits im Spätsommer 2019 veröffentlichtes Positionspapier, in dem sich das Dekanat dafür ausgesprochen hatte „eine gute Balance zwischen Bewahrung und Bebauung der Schöpfung zu finden.“ Demnach sei mit den Ressourcen der Erde nachhaltig umzugehen, damit ein gutes Leben für alle Menschen auf der Erde, heute und in Zukunft, möglich sein könne. Mit großer Sorge hätten die Kirchenvertreter schon seit geraumer Zeit wahrgenommen, dass auch in der Wetterau zunehmend Flächen versiegelt würden, obgleich der Boden bekanntermaßen wertvoll für die regionale Nahrungsmittelerzeugung durch die Landwirtschaft vor Ort sei. Seit 2017 ist das Dekanat offiziell im „Aktionsbündnis Bodenschutz Wetterau“ vertreten, in dem sich zwölf Organisationen aus Kirchen, Landwirtschaft und Umweltschutz zusammengeschlossen haben, um gemeinsam für den Erhalt Wetterauer Böden aktiv zu werden. Konsequent wurde in dem Positionspapier des Dekanats zu einem Umdenken im Umgang mit den wertvollen Böden aufgerufen. Durch Flächenrecycling müssten Abweichungen von Flächennutzungsplänen auf Kosten landwirtschaftlich genutzter Flächen vermieden werden, wo es möglich sei, heißt es darin. Genau dieser Sachverhalt habe nun auch in der aktuellen Diskussion einen großen Stellenwert eingenommen.
Beraten wurden die Kirchenvertreter von der Bodenkundlerin Dr. Maren Heincke aus dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie machte besonders auf Folgekosten einer nicht nachhaltigen Raumentwicklung aufmerksam, was fundamental dem Nachhaltigkeitsgedanken und dem Ziel der Generationengerechtigkeit widerspreche. „Wertvolle Ackerflächen sind eine begrenzte, nicht vermehrbare und nach einer Versiegelung kaum wieder herstellbare Ressource. Neben der Grundlage für die Nahrungsmittelherstellung dienen die Böden als Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten“, weiß Dr. Heincke. „Sie regulieren die örtlichen Wasserkreisläufe und die Grundwasserbildung.“ So seien Ackerflächen für das Lokalklima wegen ihrer Kühlungsfunktion wichtig und hätten einen großen Anteil an der Klimaregulierung insgesamt.
Unterstützt wird die Stellungnahme des Synodalvorstands von den Kirchengemeinden Langenbergheim und Eckartshausen, die in dem von den möglichen Veränderungen betroffenen Gebiet ansässig sind. Deren Kirchenvorstände befürworten die Forderung nach einer Überprüfung der vorliegenden Pläne und wünschen sich einen nachhaltigen Umgang mit den Wetterauer Böden und im Umgang mit der Schöpfung überhaupt. Bereits seit 2018 haben sich die beiden Kirchengemeinden öffentlich für den Erhalt der landwirtschaftlich genutzten Flächen in ihrer Region eingesetzt. Unter der Überschrift „Eine Hand voll Erde“ fanden Informationsveranstaltungen z.B. mit der Bodenkundlerin Dr. Maren Heincke oder über die Kulturgeschichte der Wetterauer Böden statt. In speziellen Gottesdiensten und Wanderungen, bei denen Boden- und Landschaftsschutz thematisiert wurde, kamen die Kirchengemeinden mit Interessierten ins Gespräch.
In der Verantwortung für alle Mitgeschöpfe und für die gesamte Schöpfung sehen sich die Kirchenvertreter in Dekanat und Kirchengemeinden aufgerufen, sorgsam die eigene Konsum- und Lebensweise zu überprüfen und zu schauen, wie andere Geschöpfe und die Schöpfung durch eigenes Handeln beeinträchtigt und begrenzt werden. Gerade „landwirtschaftliche Böden sind ein kostbares Gut und werden weltweit zunehmend rar“, heißt es in der aktuellen Stellungnahme.
Das Verfahren sieht neben der Stellungnahme von Trägern öffentlicher Belange parallel auch die Möglichkeit einer Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 BauGB bis zum 14.05.21 vor.