Von Holger Sauer
(BÜDINGEN/hs) - . Die Diakoniestation Büdingen-Altenstadt hat in den vergangenen Jahren mit Krankenkassen Leistungen in der ambulanten Pflege abgerechnet, die teilweise nicht in der dargestellten Form erbracht worden sind. Die "zurückliegenden Abrechnungsfehler" würden derzeit umfassend untersucht und aufgeklärt. Das hat der verantwortliche Zweckverband der Diakoniestation am Donnerstag in Büdingen selbst öffentlich gemacht. Mit den Pflegekassen werden die Unregelmäßigkeiten seit Anfang September rückwirkend für die vergangenen vier Jahre intensiv überprüft und nun Schritt für Schritt behoben, heißt es in der Mitteilung weiter. Erste Schätzungen gingen von einem jährlichen Betrag aus, der vermutlich im fünfstelligen Bereich liegt. Die genaue Höhe wird derzeit noch ermittelt. Aufgrund der falschen Abrechnungen über nicht erbrachte Leistungen haben die Kassen über Jahre hinaus zu viel gezahlt, ohne dass es an irgendeiner Stelle über all die Jahre aufgefallen wäre. Um die Aufklärung in juristischer Hinsicht voranzutreiben, ist der ehrenamtliche Vorstand des Zweckverbandes inzwischen zurückgetreten und hat bei der Staatsanwaltschaft Gießen Selbstanzeige wegen Abrechnungsfehlern in der ambulanten Pflege erstattet.
Nach derzeitigen Erkenntnissen sollen die Fehler ausnahmslos durch mangelnde Schulungen der Mitarbeiter entstanden sein. Es sei aktuell nicht erkennbar, dass dahinter die Absicht stand, sich möglicherweise persönlich zu bereichern, erklärt der Zweckverband. Die aufgelaufenen Summen könnten voraussichtlich durch die Rücklagen der Station gedeckt und an die Pflegekassen zurücküberwiesen werden. Insgesamt betreuen mehr als 80 Mitarbeitende der Diakoniestation Büdingen-Altenstadt mit ihren Außenstellen derzeit rund 375 Menschen in der Region. Pflegstationen befinden sich in Büdingen, Lindheim und Ranstadt.
"Es hat sich niemand persönlich bereichert", sagt auch Sabine Bertram-Schäfer, die Vorsitzende der Verbandsvertretung des Zweckverbandes und Dekanin des Evangelischen Dekanats Büdinger Land. Die Diakoniestation mit ihren mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten für Zuhause habe sich zu einer Größe entwickelt, die der eines mittelständischen Betriebes gleiche. Für einen ehrenamtlichen Vorstand sei es in dieser Konstellation ohnehin schwierig gewesen, eine solche Einrichtung zu führen. Allein nur deshalb habe man entschieden, dass die Gesellschaft für Diakonie- und Sozialstationen mbH (GfDS), eine evangelische Trägergesellschaft, bereits im März dieses Jahres die Geschäfte der Diakoniestation übernimmt. Dies wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, da zurückliegende Abrechnungsfehler noch an keiner Stelle bekannt waren. Weder intern noch bei den Pflegekassen. "Bei vorherigen Prüfungen waren nie Mängel attestiert worden. Wir haben sogar gute Bewertungen erhalten - auch wegen der hervorragenden Pflege, die wir leisten", sagt Bertram-Schäfer. Und dass die Bilanzen der Diakoniestation Büdingen-Altenstadt auf der Einnahmenseite womöglich ungewöhnliche Höhen erreicht hatten, auch das sei nie registriert worden. Das Rechnungsprüfungsamt der Landeskirche hat da offenbar keine Unregelmäßigkeiten sehen können. Bertram-Schäfer: "Aufgrund der unterschiedlichen Größen von Diakoniestationen ist eine Vergleichbarkeit im Grunde nicht möglich. Zumal auch die Zahl der zu betreuenden Menschen natürlich nicht immer konstant bleibt."
Externe Wirtschaftsprüfer
Dass es die fehlerhaften Leistungsabrechnungen gegeben hat, ist erst durch Prüfungen, die die GfDS nach der vorläufigen Übernahme im März initiiert hatte, ans Tageslicht gekommen: Im April waren externe Wirtschaftsprüfer mit einer Revision beauftragt worden, die ihre Ergebnisse im Juni vorlegten. Im August nahmen dann ein neues Management und eine personell verstärkte Pflegedienstleitung die Arbeit auf. Zudem wurden Schulungen in Abrechnungsfragen für das Pflegepersonal eingerichtet. Daran soll es den bisherigen Erkenntnissen zufolge in der Vergangenheit gemangelt haben. Obwohl sich auf diesem Feld viele Dinge geändert haben im Laufe der Zeit, sollen Leistungen "nach alten Modalitäten in Rechnung gestellt worden sein" , sagt Bertram-Schäfer. Und genau darin soll der Fehler gelegen haben.
"Es tut mir sehr leid, dass es zu Abrechnungsfehlern gekommen ist und sie lange Zeit nicht als solche erkannt wurden", bedauert die Dekanin. "Gleichzeitig bin ich froh, dass wir schon zu diesem Zeitpunkt der Aufarbeitung klipp und klar sagen können, dass die Qualität der Pflege zu keinem Zeitpunkt unter den Abrechnungsproblemen gelitten hat. Auch in Zukunft können sich die Menschen in der Region auf die Pflege der Diakoniestation Büdingen-Altenstadt verlassen." Dass nur die zurückliegenden vier Jahre in den Fokus genommen werden, liegt an gesetzlichen Regelungen (Erstattungszeit). Ansprüche, die womöglich aus einem früheren Zeitraum resultieren, können nicht geltend gemacht werden. Hier greift die Verjährungsfrist. Es sei denn, die Justiz würde ein schwerwiegendes mutwilliges Fehlverhalten ins Felde führen. Dann kann es zu Ausnahmen kommen. Was aber nach derzeitigem Stand der Dinge wohl nicht zu erwarten ist. "Wir arbeiten in der Diakoniestation mit der Gesellschaft für Diakonie- und Sozialstationen und den Pflegekassen derzeit gemeinsam daran, die Fehler lückenlos aufzuklären", sagt Bertram-Schäfer.
Ob auch die Menschen, die von der Diakoniestation betreut worden sind, einen finanziellen Schaden erlitten haben, kann Sabine Bertram-Schäfer nicht sagen. Sollte aufgrund der fehlerhaften Leistungsbeschreibungen ein höheres Pflegegeld einbehalten worden sein, dann würde dies von den Pflegekassen bereinigt, sagt sie.
· HINTERGRUND
Der Zweckverband Diakoniestation Büdingen-Altenstadt der evangelischen Kirche ist ein ambulanter Pflegedienst, der seit mehr als 30 Jahren auf die häusliche Kranken- und Altenpflege von hilfebedürftigen Mitbürgern der Gemeinden Altenstadt, Glauburg, Limeshain, Ranstadt, Ronneburg, Kefenrod sowie der Stadt Büdingen mit Stadtteilen spezialisiert ist. 29 evangelische Kirchengemeinden gehören diesem Zweckverband an. Zum 1. Januar 2018 soll die Diakoniestation komplett in die Trägerschaft der Gesellschaft für Diakonie- und Sozialstationen mbH (GfDS) übergehen. Ziel der evangelischen Trägerorganisation ist es, Diakoniestationen bei ihrer Arbeit vor Ort zu unterstützen. Die GfDS ist eine überregional tätige gemeinnützige Gesellschaft mit Sitz in Darmstadt, die von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) initiiert wurde. Dabei sollen die Pflege und Versorgung von hilfsbedürftigen Menschen in der Region sichergestellt, Arbeitsplätze gesichert und das kirchliche Engagement im diakonischen Bereich auf Dauer gestärkt werden. Evangelische Diakonie- und Sozialstationen können sich der Trägergesellschaft freiwillig anschließen. Neben den derzeit acht Diakonie- und Sozialstationen der GfDS gibt es im Gebiet der EKHN 36 Stationen in Trägerschaft von Kirchengemeinden, Dekanaten und kirchlichen Verbänden. In den Einrichtungen werden rund 12 000 Patienten von 1800 Mitarbeitenden versorgt. (hks)
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Vögel im Winter: © Hilke Wiegers / fundus-medien.de
Winterweg: © Stephan Krebs / fundus-medien.de
Rote Winteräpfel: © Hans Genthe / fundus-medien.de
Fußspuren im Schnee: © Rolf Oeser / fundus-medien.de