Von Elfriede Maresch
(NIDDA/em) - Es war kein Zufall, dass Matthias Blöser das Motto der evangelischen Fastenaktion „Zeig Dich! Sieben Wochen ohne Kneifen“ zu Beginn seines Referates vor der Synode des Evangelischen Dekanates Büdinger Land zitierte. Der Politologe und Projektreferent „Demokratie stärken“ im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) bot am Samstagvormittag im Bürgerhaus Nidda keine interessante Kurzinformation „zur allgemeinen Kenntnisnahme“. Er plädierte für die eindeutige Haltung der christlichen Gemeinde auf der Basis von Besonnenheit, Zivilcourage und Faktenwissen.
Blöser bezog sein Referat „Wie gehen wir mit menschenverachtender Hetze um?“ auf das vorgegebene Motto „Nächstenliebe leben – Klarheit zeigen“ und begann mit einem Blick auf regionale Wahlergebnisse, die zumindest im Wahlkreis Wetterau II Schotten mit 15,4 Prozent AfD-Stimmen über dem hessischen Landesdurchschnitt lagen (11,9 Prozent). Ein Blick auf rechtsextreme Wahlplakate („Deutsche gegen Kindesmissbrauch“, „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“) zeigt eine taktisch geschickte Besetzung emotionaler Themen. Das Ausspielen von Gruppen gegeneinander („Familienzusammenführung ja – in den Herkunftsländern“) wie auch die Selbstdarstellung als Verfolgte auf einem Fotoposter „1938 –Terror gegen Juden, 2017 – Antifa-Terror gegen Demokraten“ sind Varianten rechtsextremer Rhetorik. Blöser gab Informationen zur Identitären Bewegung, zu rechten Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse, zitierte Götz Kubitschek, einen Publizisten des rechtsextremen Lagers: Gegner rechtsnationaler Position ließen sich nicht durch Worte überzeugen, sondern nur „durch einen Schlag ins Gesicht“. 1715 Angriffe auf Asylsuchende und deren Unterkünfte im vergangenen Jahr zeigen die Auswirkungen rechtsextremen Gedankenguts.
„Die Haltung der Kirche ist menschenfreundlich, nicht nur neutral“, betonte Blöser und erinnerte an Verse des Timotheus-Briefes: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“. Das Anerkennen von Gleichheit und Vielfalt der menschlichen Gesellschaft, die Bewahrung des Asylrechts, das Eintreten für Hilfsbedürftige seien das Fundament christlicher Ethik. Aber „kein plumpes Schlechtmachen, kein Skandalisieren, keine hochnäsige Abgrenzung“ nannte Blöser als Grundsatz der Auseinandersetzung mit Vertretern rechtsextremer Positionen oder auch „nur“ mit isolierten Vorurteilen in alltäglichen Begegnungen. Es gelte, die christliche Position ganz konkret zu vertreten. Vorurteilen seien sachliche Informationen gegenüberzustellen. Zugleich seien die zum Teil ernstzunehmenden Ängste dahinter zu verstehen, etwa vor dem weiteren Auseinanderklaffen von Arm und Reich in unserer Gesellschaft. Darum: „Seien Sie authentisch, reagieren sie schnell, aber besonnen! Bauen sie Brücken, wo Argumente noch überzeugen können, aber setzen sie Grenzen bei Unbelehrbaren! Zeigen sie Herz statt Hetze!“
Dazu Dekanin Sabine Bertram-Schäfer: „Jeder Mensch ist uns gegenüber gestellt, wir suchen den Dialog!“ Blöser verwies auf Argumentationshilfen der Bundesarbeitsgemeinschaft „Kirche und Rechtsextremismus“, zu finden unter http://bagkr.de.
Praxis in „Murmelrunden“: Blöser hatte Schlagworte vorgegeben, von „Flüchtlinge wollen nichts arbeiten“ bis hin zur strafbarer Auschwitz-Verleugnung. In Kleingruppen, im lebhaften Gespräch, überlegten die Synodalen Stellungnahmen dazu, die ins Plenum getragen wurden. Was deutlich wurde: Blösers fundiertes Referat konnte nur Anstoß sein für einen Arbeitsprozess, der die Synode, die Gemeinden des Dekanats auch weiterhin beschäftigen wird.
INFO
Auf weitere Veranstaltungen des Dekanats zum Thema Demokratie stärken – Umgang mit Rechtsextremismus in Kooperation mit Matthias Blöser wies Bildungsreferentin Rita Stoll hin. Wie man beherzt mit Stammtischparolen umgeht, will Blöser am Dienstag, 17. April, ab 19.30 Uhr in einer Informationsveranstaltung vermitteln. Die Erfahrungen der Teilnehmer sollen einfließen in zwei Workshops, einen am Freitag, 8., und Samstag, 9. Juni, für Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter und einen für Ehrenamtliche in Kirchengemeinden und in der Flüchtlingshilfe sowie für Interessierte am Samstag, 16. Juni. Alle diese Veranstaltungen finden im Jugendkulturbahnhof Bleichenbach statt. (em)
(NIDDA/em) - Das Thema „Nächstenliebe leben – Klarheit zeigen“ zog sich als Roter Faden durch die fünfte Tagung der ersten Dekanatssynode des Evangelischen Dekanates Büdinger Land im Niddaer Bürgerhaus. Auch Pfarrer Wilfried Höll griff es in seiner Andacht auf, die von Dekanatskantorin Anne Schneider musikalisch begleitet wurde. Niddas Erster Stadtrat Reimund Becker sprach in seinem Grußwort solidarische Formen des Zusammenlebens an und erinnerte an Niddas „Feste der Kulturen“ 2015 und 2017 als Begegnungsforum von Menschen vieler Herkunftsländer.
Nach den Regularien und dem Schwerpunktreferat folgte der Bericht des Dekanatssynodalvorsitzenden Rolf Hartmann. Die Arbeit an der Formulierung der Dekanatskonzeption gehe in einer AG unter Leitung von Pfarrerin Beate Henke weiter. Zunächst sei aber als tragfähige Grundlage eine Sozialraumanalyse der Region in Gang. Die Konzeption für den gemeindepädagogischen Dienst werde unter Leitung des stellvertretenden Dekans Wolfgang Keller entwickelt, das kirchenmusikalische Konzept im entsprechenden Ausschuss.
Fast alle Stellen besetzt
Die Dekanatskantorenstelle in Büdingen habe mit Kirchenmusikerin Anne Schneider besetzt werden können, die am 25. März offiziell in ihr Amt eingeführt werden soll. Mithilfe der Deutschen Fernsehlotterie habe für drei Jahre eine Projektstelle „Integrationsprozesse im Sozialraum“ eingerichtet und mit Gerhard Griestock-Kallmeyer besetzt werden können. Dabei gehe es um die Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe benachteiligter oder geflüchteter Menschen sowie eines Miteinanders im Sinn von „Demokratie wagen“. Bis auf die Kirchengemeinde Ulrichstein seien alle Pfarrstellen im Dekanat besetzt. Sorgen machten allerdings die langfristigen Erkrankungen etlicher Pfarrer, denen Hartmann Genesungswünsche aussprach.
Erfreulich sei, dass ein neuer Prädikantenkurs begonnen habe. Kürzlich habe der DSV die Büdinger Tafel besucht und war beeindruckt vom hohen Engagement des Teams, berichtete Hartmann weiter. Allerdings würden in den Ausgabestellen dringend weitere Ehrenamtliche gebraucht. Abschließend dankte der DSV-Vorsitzende allen Berufsgruppen, den Ehrenamtlichen und den Gremien des Dekanats.
Der Haushaltsplan 2018 wurde beschlossen, die Jahresrechnung 2016 abgenommen. Überlegungen zur praxisnahen und organisatorisch schlanken Vergabe der Mittel des landeskirchlichen Finanzausgleichs wurden von Wolfgang Keller vorgestellt. Das Konzept soll in einer Arbeitsgruppe überdacht werden, ehe die Herbstsynode darüber entscheidet.
Über die Planungen zum Erweiterungsbau des Hauses der Kirche in Nidda berichtete der stellvertretende DSV-Vorsitzende Hans Otto Zimmermann. Angesichts der rasanten Entwicklung der Baupreise sei zwar mit spitzem Bleistift das Vorhaben durchgerechnet worden, aber es sei auch klar geworden, dass der Anteil landeskirchlicher Mittel nicht ausreichen werde. Hans Otto Zimmermann: „Wir haben uns den Plänen der Kirchenleitung und der Landessynode gegenüber loyal gezeigt und das Großdekanat gebildet. Dann müssen uns auch die nötigen Baumittel zur Verfügung gestellt werden!“ Mit der EKHN-Kirchenverwaltung werde weiter verhandelt.