Quelle: Kreis-Anzeiger – 5.08.2019
In der Tschernobyl-Initiative im evangelischen Dekanat Büdinger Land stand ein Wechsel an: Annelore Beljanski, die die Arbeit der Gruppe seit 2010 geleitet hat, übergab ihr Amt an Pfarrer Frank Eckhardt (Breungeshain).
Von Elfriede Maresch
(SCHOTTEN/em) - In der Tschernobyl-Initiative im evangelischen Dekanat Büdinger Land stand ein Wechsel an: Annelore Beljanski, die die Arbeit der Gruppe seit 2010 geleitet hat, übergab ihr Amt an Pfarrer Frank Eckhardt (Breungeshain), der der Gruppe seit 1998 angehört. Zugleich wurden Heinrich und Waltraut Rühl (Helpershain) verabschiedet, die diesen Hilfsdienst seit 1993 mitgetragen haben, sowie der ebenfalls langjährig engagierte Erhard Zimmer. Erfreulicherweise haben sie Nachfolger gefunden: Jetzt engagieren sich Petra Graf (Ulfa) und Reiner Spruck (Michelbach). Dekanin Sabine Bertram-Schäfer dankte ihnen herzlich, übergab Urkunden und kleine Geschenke.
Wilhelm Lückel, ehemaliger Leiter der Gesamtschule Schotten und unermüdlicher Übersetzer zwischen Deutsch und Russisch, fasste die Arbeit zusammen: "400 Kinder aus dem Dorf Mertschitzy in einer verstrahlten Region Weißrusslands konnten wir schon zum Erholungsaufenthalt in Schotten bewirten, 2020 wird die 15. Gruppe zu Gast sein."
Deutlich wurde bei diesem Treffen im Dekanatsjugendhaus Schotten, wie die Mitglieder der Initiative zu einer freundschaftlichen Gemeinschaft zusammengewachsen sind. Typisch: Im Hof wartete der Schottener Bäckermeister Joachim Haas mit seinem fahrbaren Backofen und hatte die Flammkuchenzutaten parat. Zu jedem Erholungsaufenthalt der Mertschitzy-Kinder kommt er ins Dekanatsjugendhaus und bringt Weißbrotteig mit, den die Jungen und Mädchen als Zöpfchen, Schnecken und Kringel formen und frisch aus dem Ofen genießen.
Die Dekanin begann das Treffen mit einer Andacht und stellte in den Mittelpunkt einen Vers aus dem 2. Philipperbrief "Gott ist es, der in euch wirkt". Wie damals die Nöte der jungen Gemeinde in der Hafenstadt Philippi Hilfsbereitschaft und soziale Kompetenz erforderten, so habe auch der Aufbau der Erholungsmaßnahmen vor große Aufgaben gestellt. Sabine Bertram-Schäfer: "Gott befähigt Menschen, sich für einander einzusetzen."
Willi Lückel erinnerte an den April 1986, an das Reaktorunglück im Kernkraftwerk Tschernobyl weite Gebiete verstrahlt wurden und die Regierungen Weißrusslands und der Ukraine versuchten, die Folgen in der Öffentlichkeit herunter zu spielen. Die Auswirkungen für die Bevölkerung ließen sich nicht geheim halten. Erst mit den politischen Veränderungen in der ehemaligen Sowjetunion wurde es möglich, dass andere Länder aktive Hilfe leisten konnten. Dafür setzten sich seit 1992 in der Propstei Oberhessen die Pfarrer Christof Geist und Klaus Steckenreuter ein. Engagierte aus dem damaligen Dekanat Schotten nahmen mit ihnen Kontakt auf und in einer Dekanatssynode wurde der damalige Dekanatsjugendreferent Hans-Joachim Adolph mit dem Aufbau einer Hilfsinitiative beauftragt. Mit seiner Frau Elke war er auch jetzt zum Treffen gekommen und erinnerte im Gespräch an die vielen organisatorischen Details, die zu lösen waren, an Probleme bei den Grenzübertritten und mehr. In den ersten vier Jahren fanden auch Hilfsgütertransporte statt, Kernaufgabe waren aber immer die Erholungsaufenthalte ganzer Schulklassen zur gesundheitlichen Stabilisierung.
Annelore Beljanski kam 1996 aus der Landfrauenarbeit heraus zur Tschernobyl-Initiative. Als sich 2010 Hans-Joachim Adolph beruflich veränderte, übernahm sie die Leitung der Initiativgruppe und damit die Organisation der Erholungsaufenthalte. Bewirtung der Kinder und ihrer Lehrkräfte, ärztliche und insbesondere zahnärztliche Untersuchungen, Organisation von Schul- und Freizeitangeboten, Gewinnen und Koordinieren von Hilfskräften - das alles haben zunächst Adolph, dann Beljanski einem Einsatz gemeistert, der fast rund um die Uhr ging. Lückel wandte sich an Pfarrer Eckhardt: "Deine Vorgänger haben die Messlatte hochgehängt - denk dran, wie eins der Kinder sagte: 'Gott hat Frühstück gemacht!'" Doch im Gespräch wurde deutlich, was die Arbeit lohnt: die Freude der Kinder am Aufenthalt und die freundschaftlichen Kontakte nach Mertschitzy, die entstanden sind.