Luther-Lesung mit Christian Nürnberger und Petra Gerster

Protestanten für Protestanten

Foto: Elfriede Maresch
Foto: Elfriede Maresch

 

PREMIERE: Christian Nürnberger und Petra Gerster stellen auf Einladung des Dekants ihr Buch über Martin Luther vor

 

Quelle: Kreis-Anzeiger 7.12.2016

 

Text: Ralf Dörschner

 

(BAD SALZHAUSEN/dör) -. Das Kaminfeuer brennt in der Studierstube, davor stehen zwei bequeme Fauteuils, und der Kurhaussaal ist so gut wie ausverkauft. Ideale Voraussetzungen für einen kuscheligen Vorleseabend. Virtuell auf die Leinwand der Bühne gezaubert wurde das Ganze von Gert Holle, dem Öffentlichkeitsreferenten des evangelischen Dekanats Büdinger Land, das zu diesem Abend mit dem Autorenpaar Christian Nürnberger und Petra Gerster eingeladen hatte. Pünktlich vor dem Start des Lutherjahres 2017 haben die beiden im Oktober ein Jugendbuch mit dem Titel „Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten“ auf den Markt gebracht, dessen Präsentation durch das Paar jetzt in Bad Salzhausen Premiere hatte.

 

Der Titel der Veranstaltung hätte auch „Protestanten lesen für Protestanten“ lauten können, denn auf die Nachfrage Nürnbergers, ob denn auch Katholiken im Saal wären, gab es eine Handvoll schüchterner Handzeichen. Im einführenden Gespräch mit Holle stellte sich die evangelische Sozialisation von Nürnberger und Gerster heraus. So berichtete die ZDF-Nachrichtenredakteurin, dass sie in Worms, ganz in der Nähe des monumentalen Lutherdenkmals, aufgewachsen sei. Ihr Mann Christian betonte, dass er sich schon als Jugendlicher durch die Kenntnis von Luthers Rechtfertigungslehre sehr selbstbewusst gefühlt habe.

 

Das Buch, das vom Verlag ab einem Lesealter von 13 Jahren empfohlen wird, bringt die Lebens- und Wirkungsgeschichte des „rebellischen Mönchs“, ganz so, wie sie jeder oberhessische (und evangelische) Gymnasiast im Religionsunterricht seit jeher vermittelt bekam. Dabei gehen die Autoren chronologisch vor und Nürnberger ordnet die historischen Begebenheiten, die er mit den althergebrachten schlagkräftigen Anekdoten und Legenden würzt, in den Gesamtzusammenhang der politischen und kulturgeschichtlichen Geschichte ein.

 

Vertiefend

 

Petra Gerster übernahm es, einzelne Abschnitte aus dem Buch vorzutragen, während ihr Mann vertiefende Anmerkungen machte. So spannten die beiden den Bogen von Luthers Studienzeit in Erfurt über die Zeit als Dozent in Wittenberg, die 95 Thesen, Reichstag und Reichsacht und endeten mit dem Thema, das Gerster zum Buch beigetragen hat: Luthers Ehe mit Katharina von Bora, der „entlaufenen Nonne“. Die Autorin, die sich selbst als „Emanze und frauenbewegt“ einschätzte, skizzierte das Leben einer privilegierten Frau an der Schwelle zur Neuzeit, die sich zur resoluten Ehefrau und Hausherrin entwickelte. Leider, so beklagte Gerster, seien die Quellen spärlich, denn weder Luther noch sein Umkreis hätten Frauen in dieser Epoche würdig befunden, offiziell erwähnt zu werden.

 

Neben der durch seine theologische Arbeit hervorgerufene Kirchenspaltung (die Nürnberger der römisch-katholischen Kirche anlastete) wirkte Luther mit seiner Bibelübersetzung elementar an der deutschen Sprache. Aus der Notwendigkeit, den altgriechischen Text auf Basis der mitteldeutschen Kanzleisprache zu übertragen, erfand er viele Worte neu, die nach 500 Jahren noch im Gebrauch sind – „Bluthund“, „Denkzettel“ oder „Gewissensbiss“ sind nur einige Schöpfungen davon. Interessant waren auch Nürnbergers Ausführungen zu den Parallelen, die sich aus den neuen Möglichkeiten der schnellen Verbreitung von neuen Ideen in der Luther-Zeit durch den aufkommenden Buchdruck und der Situation in unseren Tagen mit der Einführung von Facebook und Co. ergeben.

Foto: Elfriede Maresch
Foto: Elfriede Maresch

Leider wurden die Schattenseiten des Reformators nicht erwähnt, die etwa in Form seiner antisemitischen Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543), die ihr unheilvolles Nachwirken bis ins 20. Jahrhundert hinein hatten, zu sehen sind. Das auf den Plakaten angekündigte „Gespräch“ nach der Signierstunde erschöpfte sich in zwei Fragen, die der Moderator den Autoren stellte. So durfte Christian Nürnberger seine Einschätzung, was der Protestantismus der heutigen Zeit zu sagen habe, ausführen. Die Zuhörer erfuhren, dass in der aktuellen Lage, in der die Politik streckenweise ihre Glaubwürdigkeit verliere, der Protestantismus ein guter Moderator sein könne. Orthodoxe, so der Autor, hätten zu viele Dogmen, Katholiken müssten mit Makeln wie Missbrauchsskandalen kämpfen, und die Juden seien eine zu kleine Gruppe. Die folgende Aufzählung von Politikern mit aktiv-protestantischem Hintergrund – Gauck, Merkel, Göring-Eckardt – sollten die These untermauern.

Petra Gerster fiel es zu, einen Einblick in die Redaktion der „heute“-Sendung zu geben. Sie berichtete von den aktuellen journalistischen Problemen, vor die sie der Mord an der 19-jährigen Studentin in Freiburg stellt. Schließlich wies der frühere Erste Stadtrat Georg Wegner noch darauf hin, dass von Nidda aus die Reformation in der heimischen Region, angeführt durch Johannes Pistorius, ihren Anfang genommen habe. Mit einem Luther-Zitat entließ schließlich der Moderator das Publikum in den Winterabend.