(Offenbach/ekhn) - Sabine Bertram-Schäfer ist die neue Pröpstin für den Bereich Nord-Nassau. Die hessen-nassauische Kirchensynode wählte die 53 Jahre alte Dekanin des Dekanats Büdinger Land in das evangelische Leitungsamt. Sie erhielt 75 von abgegebenen gültigen 129 Stimmen. Ab dem kommenden Jahr ist sie die geistliche Leitungsperson in der mittelhessischen Region um Herborn für rund 200.000 Kirchenmitglieder in169 Gemeinden. Ihre Aufgabe ist mit der einer „Regionalbischöfin" in anderen evangelischen Kirchen vergleichbar. Bertram-Schäfer tritt die Nachfolge von Annegret Puttkammer an, die zum Jahresende Direktorin des Neukirchener Erziehungsverein in Neukirchen-Vluyn bei Duisburg wird.
Kirche: Resonanzfähig, diakonisch, öffentlich
In ihrer Bewerbungsrede sprach sich Bertram-Schäfer für eine „resonanzfähige Kirche" aus. Es sei dabei vor allem in den anstehenden Reformprozessen wichtig, „genau wahrzunehmen, zu schauen und zu hören". Zugleich müssten auch diakonische Aufgaben in den Blick genommen werden. In ihrer diakonischen Arbeit zeige „sich die Kirche Jesu Christi in ihrer ganzen Vielfalt". Ihrer Ansicht nach bleibt auch das öffentliche Wirken der Kirche von zentraler Bedeutung. Bertram-Schäfer: „Kirche steht nicht allein für sich. Sie ist immer Kirche, die sich auf die Welt und die Menschen bezieht."
Zur Person: Sabine Bertram-Schäfer
Sabine Bertram-Schäfer wurde 1966 in Seefeld in der Nähe von München geboren und wuchs im Westerwald auf. Sie studierte evangelische Theologie in Mainz, und Marburg. Ihr Vikariat, die Ausbildung zur Pfarrerin, absolvierte sie in Usingen. Ihre erste Pfarrstelle übernahm sie 1997 in Dauernheim bei Nidda. Drei Jahre später wurde sie zur stellvertretenden Dekanin des Dekanats Nidda gewählt und 2005 zur Dekanin des Dekanats Büdingen. Seit 2016 ist sie Dekanin des heutigen Dekanats Büdinger Land. Die Pfarrerin ist stellvertretende Vorsitzende im Vorstand der hessen-nassauischen Dekaninnen und Dekane. Bertram-Schäfer war von 1998 bis 2013 Synodalin der hessen-nassauischen Kirchensynode und Mitglied in zahlreichen Fachausschüssen. Sie engagierte sich darüber hinaus unter anderem in der Weiterentwicklung des Pfarrbildes und ist seit zehn Jahren an der Auswahl von Pfarramtskandidatinnen beteiligt. Daneben vertrat sie die EKHN auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland etwa bei Konsultationen zur Rolle der Landpastorinnen und Landpastoren.
Zur Propstei Nord-Nassau
Die Nachfolgerinnen von Annegret Puttkammer werden ihre Aufgabe Anfang 2021 antreten. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Die Pröpstin für Nord-Nassau ist als geistliche Leitungsperson in der mittelhessischen Region von Herborn aus für rund 200.000 Gemeindeglieder in 169 Gemeinden mit rund 180 Pfarrerinnen und Pfarrern zuständig. Die Propstei umfasst Gebiete um Biedenkopf, Herborn, Westerburg und Limburg. Damit gehören Regionen in Hessen und Rheinland-Pfalz sowie ein kleiner Teil von Nordrhein-Westfalen zum Verantwortungsbereich. Die Pröpstin, deren Funktion mit der einer „Regionalbischöfin" in anderen Kirchen vergleichbar ist, ist auch Mitglied in der Kirchenleitung der EKHN sowie Vorgesetzte der Dekaninnen und Dekane.
Hintergrund: Verfahren zur Propstwahl
Das Verfahren der Propstwahl ist in Artikel 56 der Kirchenordnung genau geregelt. Entsprechend den Vorgaben wurde die Stelle im Amtsblatt der EKHN zunächst ausgeschrieben und dazu aufgerufen, mögliche Kandidatinnen oder Kandidaten zu nennen. Dazu kann jedes Kirchenmitglied Vorschläge an den Kirchensynodalvorstand einreichen. Die Benannten konnten dann anhand einer schriftlichen Bewerbung ihr Interesse bekunden. Aus dem Bewerbendenkreis erstellt der Kirchensynodalvorstand einen Wahlvorschlag, der mindestens zwei Personen umfassen soll. Zu dem daraufhin zustande gekommenen Wahlvorschlag werden der Pfarrerausschuss und die zuständige Propsteiversammlung gehört, die sich aus den Dekanen und Dekaninnen sowie den Dekanatssynodalvorsitzenden der Propstei zusammensetzt. Auch auf der Wahl-Synode selbst können noch Vorschläge zu Wahl unterbreitet werden, wenn 20 Prozent der Delegierten eine zusätzliche Kandidatur befürworten. Dann muss die Wahl allerdings verschoben werden. Die Amtszeit für Pröpste und Pröpstinnen beträgt sechs Jahre, eine Wiederwahl ist möglich.
20.09.2020
(Offenbach/ekhn) - Am Samstagabend (19. September) ist die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit zahlreichen Beschlüssen zu Ende gegangen. Neben der Forderung an die hessische und rheinland-pfälzische Landesregierung, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen wurde ein Nachtragshaushalt beschlossen und Sabine Bertram-Schäfer zur neuen Pröpstin für den Bereich Nord-Nassau gewählt. In seinem Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft verteidigte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung das Handeln der evangelischen Kirche in der Coronakrise gegen Kritik.
Nächste Synode in Alsfeld
Die 140 Delegierten des in etwa mit einem Parlament vergleichbaren Gremiums unter dem Vorsitz von Präses
Ulrich Oelschläger mussten die Tagung wegen besonderer Hygienevorschriften durch die Corona-Pandemie aus dem angestammten Frankfurter Dominikanerkloster in die Stadthalle von Offenbach verlegen.
Oelschläger kündigte an, dass die kommende Synode voraussichtlich vom 25.bis 28. November 2020 im oberhessischen Alsfeld tagen wird.
Alle Synodenentscheidungen sind hier auch ausführlich abrufbar:
https://www.ekhn.de/ueber-uns/aufbau-der-landeskirche/kirchensynode/berichte.html
Zusammenfassung der Entscheidungen
Moria-Resolution: Flüchtlinge aufnehmen
Auf ihrer Zusammenkunft in Offenbach hat die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau die
Landesregierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz gebeten, sich bei der Bundesregierung für die unverzügliche Aufnahme von 12.500 Flüchtlingen aus Griechenland einzusetzen. Gleichzeitig solle
Hessen zusagen, 1000 Geflüchtete aufzunehmen. Rheinland-Pfalz solle 650 Flüchtlingen helfen. Auch die EKHN und die Diakonie in Hessen und Rheinland-Pfalz seien im Rahmen ihrer Möglichkeiten
bereit, Flüchtlinge mit Hilfe, Beratung und Unterbringung zu unterstützen.
Nachtragshaushalt: Lücke aus Mix ausgleichen
Die Synode verabschiedete am Samstag auch einen Nachtragshaushalt mit Aufwendungen von 690 Millionen Euro
im laufenden Jahr. Durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie rechnet die EKHN noch in diesem Jahr mit Mindererträgen von 60 Millionen Euro. Darunter sind alleine 50 Millionen Euro
weniger Kirchensteuern als ursprünglich geplant. Die Deckungslücke soll aus einem Mix aus Sparmaßnahmen, Plankorrekturen mit Anpassungen an laufende Bedarfe und Rücklagenentnahmen ausgeglichen
werden. Die Zuweisungen aus Gemeinden und Dekanaten sind von den aktuellen Sparauflagen weitgehend ausgenommen.
Wahl: Sabine Bertram-Schäfer wird neue Pröpstin
Sabine Bertram-Schäfer ist die neue Pröpstin für den Bereich Nord-Nassau. Die hessen-nassauische
Kirchensynode wählte die 53 Jahre alte Dekanin des Dekanats Büdinger Land in das evangelische Leitungsamt. Ab dem kommenden Jahr ist sie die geistliche Leitungsperson in der mittelhessischen
Region um Herborn für rund 200.000 Kirchenmitglieder in 169 Gemeinden. Ihre Aufgabe ist mit der einer „Regionalbischöfin“ in anderen evangelischen Kirchen vergleichbar. Bertram-Schäfer tritt die
Nachfolge von Annegret Puttkammer an, die zum Jahresende Direktorin des Neukirchener Erziehungsverein in Neukirchen-Vluyn bei Duisburg wird. In ihrer Bewerbungsrede sprach sich
Bertram-Schäfer unter anderem für eine „resonanzfähige Kirche“ aus. Es sei vor allem in den anstehenden Reformprozessen wichtig, „genau wahrzunehmen, zu schauen und zu hören“.
Kirchenpräsident: Kirche half eine Corona-Katastrophe zu vermeiden
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hatte bereits am Samstagmorgen an die Regierungen in
Hessen und Rheinland-Pfalz appelliert, Flüchtlinge aus dem durch einen Brand zerstörten griechischen Lager Moria auszunehmen. In den Mittelpunkt seines Berichts zur Lage in Kirche und
Gesellschaft stellte er aber die Situation in der Corona-Krise. Dabei ging er unter anderem auf die Arbeit der Kirchen in der Pandemie ein und widersprach mahnenden Stimmen. „Immer wieder wird
kritisiert, die Kirchen hätten in der Corona-Krise keine tragende Rolle gespielt“, sagte Jung. Wer aber auf das schaue, was in Gemeinden und Einrichtungen beispielsweise in der Seelsorge wirklich
geleistet wurde, müsse zu einem anderen Schluss kommen. Sie hätten im „Spannungsfeld von Zuwendung, Gefährdungspotential und Schutz“ gestanden und mit ihrem verantwortungsvollen Handeln dazu
beigetragen „eine wirkliche Katastrophe zu verhindern“.
Zukunftsprozess: Projekt „ekhn2030 geht in nächste Runde
Die EKHN-Synode hat bei ihrem Treffen auch den Weg für die nächste Phase des Zukunftsprojektes
„ekhn2030“ frei gemacht. Sie billigte auf ihrer Tagung in Offenbach nach einer intensiven Debatte ein Impulspapier, das Grundsätze und Verfahren beschreibt, wie sich die hessen-nassauische Kirche
künftig ausrichten will. Zentral soll dabei die Frage sein, welche Maßnahmen und Veränderungen dazu beitragen, die EKHN als „offene und öffentliche Kirche in vielfältiger Gestalt nahe bei den
Menschen“ weiterzuentwickeln. Dabei sollen auch Einsparoptionen angesichts zukünftig deutlich geringerer Kirchensteuereinnahmen benannt werden.
Leitungssitzungen: Künftig auch digital möglich
Die Synode beschloss auch, dass Kirchenvorstände in Gemeinden, Dekanatssynoden in der Region und auch die die Kirchensynode digital tagen und Beschlüsse fassen können. Dies war in der Coronakrise in vielen Fällen nötig geworden aber in den Kirchengesetzen bisher nicht regulär vorgesehen.
Hintergrund: Was ist eine Synode?
Die Synode ist gemäß der Kirchenordnung das „maßgebende Organ“ der
hessen-nassauischen Kirche. Sie erlässt Gesetze, besetzt durch Wahl die wichtigsten Leitungsämter und beschließt den Haushalt. Aktuell hat sie 140 Sitze. Als das maßgebende Organ geistlicher und
rechtlicher Leitung trifft sie auch wichtige kirchenpolitische Entscheidungen. Ausschüsse und regionale Arbeitsgruppen bereiten die Entscheidungen vor. Geleitet wird die Synode vom
Kirchensynodalvorstand mit einem oder einer Präses. Gemäß Kirchenordnung sollen möglichst zwei Drittel der gewählten Synodalen nichtordinierte Gemeindemitglieder sein, ein Drittel Pfarrerinnen
und Pfarrer.
Mehr Informationen im Internet unter www.ekhn.de
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat die Landesregierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz am Samstag gebeten, sich
bei der Bundesregierung für die unverzügliche Aufnahme von 12.500 Flüchtlingen aus Griechenland einzusetzen. Gleichzeitig solle Hessen zusagen, 1000 Geflüchtete aufzunehmen. Rheinland-Pfalz
solle 650 Flüchtlingen helfen. In einer mit großer Mehrheit bei der Synodentagung in Offenbach verabschiedeten Resolution heißt es, dass sich in Deutschland bereits etliche Städte und Gemeinden
auch in Hessen und Rheinland-Pfalz für eine Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hätten. Auch die EKHN und die Diakonie in Hessen und Rheinland-Pfalz seien im Rahmen ihrer Möglichkeiten
bereit, Flüchtlinge mit Hilfe, Beratung und Unterbringung zu unterstützen.
Die Evangelischen Kirchen und die Diakonischen Werke in Hessen und Rheinland-Pfalz hielten eine zeitnahe Evakuierung der Flüchtlinge aus dem
Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos für dringend geboten, lautet der Aufruf weiter. Deutschland könnte dabei „vorangehen und die Aufnahme schnell durchführen". Gleichzeitig stellt die
Resolution fest, dass die humanitäre Aufnahme zwar ein wichtiger Schritt sei, aber nicht die gesamte Flüchtlingsproblematik löse. „Eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik ist
nötig. Der politische Streit darf aber nicht auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen werden. Was in Moria geschehen ist, hat uns zutiefst bestürzt. Viele Menschen fragen zu Recht, warum es zu
einer solchen Katastrophe kommen musste. Das Lager Moria hat schon lange für politische Diskussionen um die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen in Europa gesorgt," heißt es im Text.
Hintergrund
Am 8. September 2020 zerstörte ein Brand das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos fast vollständig. Über Nacht waren dabei rund 12.500 Menschen in dem völlig überfüllten Camp obdachlos geworden. Nach dem Feuer hatten die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) sowie die Diakonie Hessen bereits Anfang September zu Spenden für Betroffene auf der griechischen Insel Lesbos aufgerufen. Die beiden Kirchen auch 10.000 Euro Soforthilfe bereitgestellt. Sie soll unter anderem obdachlos gewordenen minderjährigen Flüchtlingen und hilfesuchenden Müttern mit Babys vor Ort zu Gute kommen. Die Spenden gehen an die Initiative „Lesvossolidarity", die unter anderem in ihrem Camp „Pikpa" auf der Insel Lesbos m Minderjährige und Mütter mit Babys aufnimmt.
Hilfe für Lesbos:
Spendenkonto der EKHN
IBAN: DE27 5206 0410 0004 1000 00
Bank: Evangelische Bank
Betreff: Spende Lesbos
Wortlaut der Resolution
Synode der EKHN fordert nach der Brandkatastrophe in Moria:
Flüchtlingslager evakuieren und Flüchtlinge aufnehmen
Was in Moria geschehen ist, hat uns zutiefst bestürzt. Viele Menschen fragen zu Recht, warum es zu einer solchen Katastrophe kommen musste. Das
Lager Moria hat schon lange für politische Diskussionen um die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen in Europa gesorgt. Bis zum Sommer beherbergte das Lager siebenmal so viele Flüchtlinge wie
geplant. Aufgrund der Corona-Krise wurden in den letzten zwei Monaten zwar etwa 13.000 Flüchtlinge aus den fünf Hotspots (neben Moria auf Lesbos noch die Lager auf Chios, Kos, Leros und Samos)
auf das griechische Festland gebracht; dennoch blieb es bei einer fünffachen Überbelegung.
Nach den ersten bestätigten Corona-Infektionen wurde das gesamte Lager unter Quarantäne gestellt, ohne jedoch verbesserte Hygienemaßnahmen zu
ermöglichen. Nun haben viele der etwa 12.500 Menschen auch ihre letzten Habseligkeiten verloren, sind schutz- und obdachlos. In Deutschland haben sich bereits etliche Städte und
Gemeinden für eine Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen – auch in Hessen und Rheinland-Pfalz.
Die Evangelischen Kirchen und die Diakonischen Werke in Hessen und Rheinland-Pfalz halten eine zeitnahe Evakuierung der Flüchtlinge aus Moria für dringend geboten. Deutschland könnte dabei vorangehen und die Aufnahme schnell durchführen. Diese humanitäre Aufnahme wäre ein wichtiger Schritt, löst aber selbstverständlich nicht die gesamte Flüchtlingsproblematik. Eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik ist nötig. Der politische Streit darf aber nicht auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen werden.
Die Synode der EKHN bittet die Landesregierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz, sich bei der Bundesregierung für die unverzügliche Aufnahme von 12.500 Flüchtlingen aus Griechenland einzusetzen und der Bundesregierung die Aufnahme von 1.000 in Hessen bzw. 650 in Rheinland-Pfalz zuzusagen. Dann verbleiben nach wie vor etwa 17.500 Flüchtlinge, die aus den anderen Hotspots vor dem Winter an andere sichere Orte gebracht werden müssten. Die EKHN und die Diakonie in Hessen und Rheinland-Pfalz sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereit, die Aufnahme von Flüchtlingen mit Hilfe, Beratung und Unterbringung zu unterstützen.
Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, hat am Samstag an Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer appelliert, Flüchtlinge aus dem durch einen Brand zerstörten griechischen Lager Moria auch über die von der Bundesregierung derzeit vereinbarten Kontingente aufzunehmen. „Was in der vergangenen Woche in Moria geschehen ist, war leider zu befürchten. Und es ist beschämend für ein Europa, das sich auch als Wertegemeinschaft versteht“, sagte er vor der in Offenbach tagenden Kirchensynode. Schon im März hatte Jung angesichts der bereits damals dramatischen Situation auf der griechischen Insel Lesbos darum gebeten, dass Hessen die Aufnahme von 1000 Geflüchteten und Rheinland-Pfalz von 650 Hilfesuchenden zusagt. Am 8. September hatte ein Feuer das mit rund 12.500 Flüchtlingen völlig überbelegte Camp auf der Insel Lesbos zum großen Teil zerstört. Moria gilt aktuell als das größte Flüchtlingslager Europas.
Coronakrise: Kirche im Spannungsfeld
In den Mittelpunkt seines Berichts zur Lage in Kirche und Gesellschaft stellte Jung die Situation in der Corona-Krise. Dabei ging er auf die
Arbeit der Kirchen in der Pandemie ein und widersprach kritischen Stimmen. „Immer wieder wird kritisiert, die Kirchen hätten in der Corona-Krise keine tragende Rolle gespielt“, sagte Jung.
Wer aber auf das schaue, was in Gemeinden und Einrichtungen beispielsweise in der Seelsorge wirklich geleistet wurde, müsse zu einem anderen Schluss kommen. Sie hätten im „Spannungsfeld von
Zuwendung, Gefährdungspotential und Schutz“ gestanden und mit ihrem verantwortungsvollen Handeln dazu beigetragen „eine wirkliche Katastrophe zu verhindern“. Dies sei beispielsweise in Gesprächen
über die Corona-Pandemie mit internationalen Partnergemeinden beispielsweise in Italien und den USA immer wieder zum Ausdruck gekommen.
Systemrelevanz: Gefahr von Reduktion des Lebens
Jung kritisierte zugleich die einseitige Fixierung vieler auf das Thema „Systemrelevanz“ der Kirchen in der Corona-Krise und mahnte eine
gründliche Auseinandersetzung an: „Dieser Begriff muss dringend noch einmal geprüft und debattiert werden.“ Eine Grundversorgung der leiblichen und ökonomischen Bedürfnisse sei in der Krise zwar
wichtig. Aber es dürften nicht diejenigen herausfallen, „deren Arbeit auf geistige und seelische Bedürfnisse gerichtet ist.“ Damit begebe sich die Gesellschaft in die „Gefahr einer
materialistischen Reduktion des Lebens“. Auch in der Krise müsse menschliches Leben in seiner Gesamtheit im Blick behalten werden. Dazu können Kirche und viele andere wie beispielsweise die
Kultur Wichtiges beitragen. Jung: „Unsere Botschaft und unsere Arbeit haben Lebensrelevanz. Sie hilft, mit Spannungen und in Unsicherheit zu leben.“
Theologie: Mit Spannungen leben lernen
Der Kirchenpräsident erteilte zugleich allen theologischen Versuchen eine Absage, die Corona-Krise „als Strafe Gottes zu deuten, wie dies
jahrhundertelang geschehen ist“. Es könne nicht die Aufgabe von Menschen sein, den „strafenden oder einen in problematischem Sinn erzieherischen Willen Gottes zu ergründen“. Zielführender ist es
nach Worten Jungs dagegen „uns an Gott zu orientieren, der in Jesus Christus an die Seite der leidenden Menschheit getreten ist und seinen Willen zum Leben, auch über den Tod hinaus, offenbart
hat.“ Dies habe zu Folge, dass die Kirche „nicht auf alle Fragen des Lebens eine Antwort hat, sehr wohl aber Mittel und Wege mit und in diesen Spannungen zu leben“.
Dank: Großes Engagement in der Krise
In seinem Bericht zeichnete Jung viele weitere Herausforderungen der hessen-nassauischen Kirche seit Beginn der Corona-Krise im März nach. Vor allem am Anfang sei es darum gegangen, mit vereinten Kräften Schlimmeres eine Katastrophe zu verhindern. Der Lockdown habe auch Auswirkungen auf alle Bereiche der Kirche von Gottesdiensten bis zur Arbeit in den Kindertagesstätten gehabt. In vielen Gemeinden sei sehr aktiv beispielsweise per Telefon Verbindung zu Menschen gehalten worden, die alleine zuhause waren. Es seien nachbarschaftliche Hilfedienste organisiert worden. Andachten und Gottesdienste seien im Freien oder auch vermehrt digital gestaltet worden. Dabei sind nach Worten des Kirchenpräsidenten neue Formen entstanden, die auch neue Menschen erreicht haben. Jung: „Dankbar bin ich für das große, vielfältige, kreative und – das gilt auch in einem theologisch tiefen Sinn – geistvolle Engagement in unserer Kirche“. Dabei seien ihm die biblischen Losungsworte für den 10. März zu Leitsätzen in der Krise geworden. „Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?“ (Psalm 27,1) und der Bibelvers „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7.)
Hinweise
Der komplette Bericht ist hier als pdf direkt abrufbar:
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat am Samstag einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr verabschiedet. Durch die
wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie rechnet die EKHN noch in diesem Jahr mit Mindererträgen von 60 Millionen Euro. Darunter sind alleine 50 Millionen Euro weniger Kirchensteuern als
ursprünglich geplant. Erwartet werden jetzt nur noch rund 480 Millionen Euro. Insgesamt plant der überarbeitete Haushalt mit Aufwendungen von 690 Millionen Euro.
Notwendigkeit des Nachtragshaushaltes
Nach Worten von Hessen-Nassaus Finanzdezernent Heinz Thomas Striegler haben sich
die Steuereinnahmeerwartungen für das Jahr 2020 in den vergangenen Wochen zwar leicht verbessert. „An der Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts ändert das nichts“,
so Striegler. Aus einem Mix aus Sparmaßnahmen, Planungskorrekturen im laufenden Budget und Entnahmen aus Rücklagen soll das Defizit nun ausgeglichen werden.
Mix soll Mindereinnahmen ausgleichen
Von der 60 Millionen Euro umfassenden Deckungslücke konnten zunächst über 10 Millionen Euro bei den gesamtkirchlichen Einrichtungen gespart werden. Das Durchkämmen
des aktuellen Budgets, Plankorrekturen mit Anpassungen an laufende Bedarfe im Wissen um das Ergebnis aus 2019, brachten noch einmal mehr als 20 Millionen Euro in der Bilanz. Die gleiche Summe
muss voraussichtlich noch einmal aus Rücklagen entnommen werden. Die Zuweisungen aus Gemeinden und Dekanaten sind von den aktuellen Sparauflagen weitgehend ausgenommen.
Coronakrise wird auch 2021 belasten
„Mit diesem Mix glauben wir sowohl dem Hier und Heute als auch den heute erkennbaren Zukunftsszenarien gerecht zu werden“, sagte
EKHN-Finanzdezernent Heinz Thomas Striegler bei der Einbringung des Nachtragshaushaltes. Er kündigte zugleich an, dass auch beim bevorstehenden Budget für 2021 mit Einschnitten gerechnet werden
müsse. „Nach den derzeitigen Erkenntnissen werden die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie uns auch noch in das Jahr 2021 begleiten“, Striegler. Deshalb müsse der Haushaltsansatzes für
Kirchensteuereinnahmen für das kommende Jahr reduziert werden. In welchem Maße das geschieht, werde die Kirchenleitung mit dem Finanzausschuss der Synode bis zur Herbstsynode Ende November
diskutieren. Dann steht die Verabschiedung des Budgets für das kommende Jahr an.
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat den Weg dafür frei gemacht, dass Kirchenvorstände in Gemeinden,
Dekanatssynoden in der Region und auch die Gesamtsynode der EKHN, die Kirchensynode, digital tagen und Beschlüsse fassen können. Dies war in der Coronakrise in vielen Fällen nötig geworden aber
in den Kirchengesetzen bisher nicht vorgesehen. Das entschieden die Delegierten der Kirchensynode am Samstag mit großer Mehrheit auf ihrer Tagung in Offenbach.
In der Krise traten vorübergehende gesetzesvertretende Regelungen zu den Tagungsmodalitäten in Kraft. Sie machten es zumindest Gemeinden und Dekanaten in Ausnahmefällen bereits möglich, beispielsweise per Videokonferenz Beschlüsse zu fassen. Sie sind nun durch reguläre Gesetze ersetzt worden. Insbesondere für die Kirchensynode sollen digitale Sitzungen aber eine Ausnahme bleiben und Präsenz-Veranstaltungen immer den Vorzug erhalten.
Noch bis zum Samstagabend tagt in Offenbach die Kirchensynode der hessen-nassauischen Kirche. Die 140 Delegierten vertreten rund 1,5 Millionen Kirchenmitglieder in den 1132 Gemeinden der EKHN. Auf der Tagesordnung des mit einem Parlament vergleichbaren Gremiums steht am Nachmittag unter anderem noch die Wahl einer neuer Pröpstin für den Bereich Nord- Nassau.