(Darmstadt/ekhn) - Von Donnerstag (9. Mai) bis Samstag tritt in Frankfurt am Main die Zwölfte Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zu ihrer diesjährigen Frühjahrstagung zusammen. Unter der Leitung von Präses Ulrich Oelschläger berät das mit einem Parlament vergleichbare Gremium im Dominikanerkloster unter anderem über den Bericht von Kirchenpräsident Volker Jung zur Lage in Kirche und Gesellschaft. Jung wird sich vor den 141 Delegierten am Donnerstag (11 Uhr) vor allem mit den Zukunftsperspektiven der Kirchen in Deutschland beschäftigen. Er will in Frankfurt dabei erste Ideen zur Debatte stellen, wie die Kirche noch stärker auf ihre Mitglieder zugehen kann. In den Blick wird er dabei vor allem das Thema Taufe und ein intensiveres Zugehen auf die Generation der 20- bis 30-Jährigen nehmen.
Mitglieder und Zukunft der Kirche stärker im Blick
Jungs Äußerungen auf der Synode sind auch als Reaktion auf die zuletzt veröffentlichte Langfrist-Studie von Freiburger Forschern zu verstehen. Die in der vergangenen Woche erschienene Arbeit im Auftrag der evangelischen und katholischen Kirche prognostiziert einen Mitgliederrückgang um die Hälfte bis zum Jahre 2060. Das Papier unter dem Titel „Kirche im Umbruch“ skizziert zugleich positive Ansatzmöglichkeiten zur Veränderung des Trends. Die Studie selbst wird am Freitagnachmittag (15 Uhr) Gegenstand der Debatte sein. Die Synode wird auf ihrer aktuellen Tagung zudem immer wieder die künftige Gestaltung der kirchlichen Arbeit zur Sprache bringen. Dies sind Vorzeichen eines neuen Zukunftsprozesses, über dessen grundsätzliche Ausgestaltung sich die Delegierten in Frankfurt verständigen wollen.
Frieden, Antisemitismus und Religionsfreiheit in der Diskussion
Am Donnerstagnachmittag (15 Uhr) will die Kirchensynode aber zunächst gesellschaftspolitische Signale senden. Auf der Tagesordnung steht eine friedensethische Stellungnahme. Unter anderem fordert das Papier eine deutlichere Unterstützung von gewaltfreier Konfliktbewältigung und ziviler Friedenssicherung durch Versöhnungsprojekte, Friedensdienste und Partnerschaften. Es kritisiert zudem die Ausbildung minderjähriger Soldatinnen und Soldaten. Zielgruppe der Stellungnahme sind vor allem Gemeinden, die sich künftig intensiver mit dem Thema beschäftigen sollen. Mit großer Sorge nimmt die evangelische Kirche darüber hinaus einen wachsenden Antisemitismus wahr. In einer Resolution will die Synode ihre Ablehnung jeder Form von Judenfeindschaft bekräftigen und ihre Solidarität mit Jüdinnen und Juden zum Ausdruck bringen. Einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt will die Synode schließlich mit dem Thema „Menschenrechte und Glaubensfreiheit“ setzen. Gäste wie der syrische Rechtswissenschaftler und Augenzeuge Tarek Bashour sowie der Experte für interreligiösen Dialog, Andreas Goetze, werden dazu am Freitagmorgen (9 Uhr) erwartet.
Hintergrund zur Synode
Die Synode ist gemäß der Kirchenordnung das „maßgebende Organ“ der hessen-nassauischen Kirche. Sie erlässt Gesetze, besetzt durch Wahl die wichtigsten Leitungsämter und beschließt den Haushalt. Aktuell hat sie 141 Synodale. Als das maßgebende Organ geistlicher und rechtlicher Leitung trifft sie auch wichtige kirchenpolitische Entscheidungen. Ausschüsse und regionale Arbeitsgruppen bereiten die Entscheidungen vor. Geleitet wird die Synode vom Kirchensynodalvorstand mit einem oder einer Präses. Gemäß Kirchenordnung sollen möglichst zwei Drittel der gewählten Synodalen nichtordinierte Gemeindemitglieder sein, ein Drittel Pfarrerinnen und Pfarrer. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat knapp über 1,5 Millionen Mitglieder in 1135 Gemeinden. Ihr Kirchengebiet reicht in etwa von Biedenkopf im Norden bis Neckarsteinach im Süden. Rund ein Viertel des Kirchengebiets gehört zwischen Bad-Marienberg und Worms auch zu Rheinland-Pfalz.
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09.05.2019
(Frankfurt/ekhn) Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat sich dafür
ausgesprochen, noch stärker als bisher auf Kirchenmitglieder zuzugehen. Vor dem Hintergrund aktueller Prognosen zur Mitgliedschaftsentwicklung solle vor allem der Kontakt zu jungen Erwachsenen
zwischen 20 und 35 Jahren intensiver gesucht werden, sagte er am Donnerstag vor der in Frankfurt am Main tagenden Synode. Eine Anfang Mai erschienene Studie hatte den Kirchen bundesweit einen
Mitgliederrückgang um die Hälfte bis zum Jahr 2060 vorausgesagt und zugleich erste Gegenmaßnahmen angedeutet. Für Jung ist „der Rückzug in eine fromme Innerlichkeit oder ein gemeindliches
Vereinsleben keine Option“. Es gehe in der Kirche darum, „die Hoffnung, die durch den christlichen Glauben in uns ist, in dieser Welt und für diese Welt zu leben.“ Jung: „Das muss gelebt werden
und darüber muss geredet werden.“ Dazu sei es wichtig, die Gemeinschaft und die Kommunikation zu stärken.
Menschen und ihre Bedürfnisse
Nach Ansicht Jungs ist es zunächst eine Grundvoraussetzung „besser zu verstehen, was Menschen in den unterschiedlichen Lebensphasen von ihrer Kirche erwarten und brauchen“. So sei offenbar insbesondere bei der Altersgruppe der 20 bis 35-Jährigen erkennbar, dass gefragt werde: „Was bringt mir die Zugehörigkeit zur Kirche und was kostet sie mich?“. Dies sei vor allem in Ballungsräumen mit hohen finanziellen Belastungen etwa durch die Miete der Fall. Jung schlug deshalb vor, auch über besondere Leistungen für evangelische Kirchenmitglieder „in aller Offenheit“ nachzudenken. Dazu gehöre zum Beispiel auch die Möglichkeit, als Kirchenmitglied verlässlich einen Platz für sein Kind in einer evangelischen Kindertagesstätte bekommen zu können, wenn es eine evangelische Kindertagesstätte vor Ort gibt. Dies bedeute auf keinen Fall, die Offenheit für alle unabhängig von ihrer Religion und Weltanschauung einzuschränken, machte Jung deutlich.
Persönliche und digitale Kommunikation
Bei manchen Kirchenmitgliedern reiße der Kontakt zur Kirche offenbar beim Wechsel des Wohnortes ab, stellte Jung fest. „Es gelingt uns nicht, allen zu sagen und zu zeigen: ‚Wir leben eine Hoffnung, die Kraft und Orientierung im Leben gibt – für euch persönlich und für diese Gesellschaft. Wenn ihr uns braucht, sind wir für euch da‘“, sagte Jung. Hier könne ein Weg sein, „die unersetzbare Kommunikation von Mensch zu Mensch mit der medialen und digitalen Kommunikation zu verbinden“. Dazu gehörten etwa der Hausbesuch und die Begrüßung nach einem Umzug genauso wie gut aufbereitete Informationen im Internet oder Angebote für Jüngere in den Sozialen Medien.
Glaubensinhalte und Gemeinschaftserfahrungen
Als positives Beispiel nannte Jung zudem die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden. Eine groß angelegte Studie habe gezeigt, dass die Konfirmation und die Vorbereitungszeit eine hohe Wertschätzung bei Jugendlichen genieße. Der Erfolg liegt nach Ansicht Jungs darin, dass „Glaubensinhalte eng mit Gemeinschaftserfahrung verknüpft sind“. Die Bindung an die Kirche und auch die Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement in der Gesellschaft steige dort erkennbar, wo junge Menschen die Möglichkeit gegeben wird, in den Gemeinden mitzuarbeiten. Jung: „Die entscheidenden Frage für mich ist die, wie wir so in Kontakt bleiben können, dass Menschen spüren: Meine Kirche ist für mich und die Menschen an meiner Seite da. Wie Menschen dann ihre Kirchenmitgliedschaft leben, schreiben wir nicht vor. Wir sollten aber besser als bisher in Beziehung bleiben mit Sanftmut und Ehrfurcht“.
Reformprozesse und die Zukunft
Angesichts des zu erwartenden Rückgangs der Finanzmittel in den kommenden Jahrzehnten schlug Jung auch vor, die bisherigen Reformprozesse in der Geschichte der hessen-nassauischen Kirche zu sichten und unter aktuellen Gesichtspunkten theologisch zu bewerten. Dabei sollten die bisherigen Gestaltungsprinzipen überprüft und bereits bis zum Herbst möglicherweise neu justiert werden. Dies sei unerlässlich, auch um künftige weitreichende Entscheidungen wie etwa Investitionen für einen stärkeren Klimaschutz oder die digitale Transformation in der Kirche vorzubereiten. Jung: „Um Entscheidungen treffen zu können, ist es unbedingt erforderlich, dass wir uns über die Rahmenbedingungen unserer Planungen verständigen.“
Glauben und Demokratie
Jung ging in seinem Bericht auch auf das gesellschaftspolitische Engagement der Kirche und ihrem Einsatz gegen europaweit zunehmende populistische Kräfte ein. Er machte deutlich, dass „Glauben als eine uns von Gott geschenkte Hoffnung nicht ohne soziale Praxis sein kann“. Es sei wichtig aus dem „Glauben an Jesus Christus heraus und belehrt auch durch die bitteren Erfahrungen von Nationalsozialismus und Shoa für eine demokratische, offene Gesellschaft einzutreten“. Die evangelische Kirche müsse sich zudem aus ihrer Geschichte heraus für die Meinungs- und Religionsfreiheit aller Menschen und die Würde jeder Person einsetzen und so „klare Position beziehen gegen jede Form gruppenbezogenener Menschenfeindlichkeit und Ausgrenzung Andersdenkender“, so Jung.
Umwelt und Schülerproteste
Als Beispiel für einen aktuell wichtigen gesellschaftspolitischen Impuls führte der Kirchenpräsident die Schülerproteste für mehr Klimaschutz an. „Ich begrüße es sehr, dass durch Greta Thunberg viele junge Menschen weltweit motiviert wurden, für ihre Ansprüche an eine gute Zukunft auf die Straßen zu gehen“. Angesichts des Klimawandels machten „sie sehr eindrücklich und völlig zu Recht deutlich: die Sorge um eine gute und lebenswerte Welt für die nächsten Generationen muss eine vordringliche Aufgabe sein“. Viel mehr für den Klimaschutz zu tun, sei auch schon lange ein Thema für die Kirche. Im Blick auf die Proteste der Schülerinnen und Schüler rate er, das Thema im Unterricht aufzugreifen – auch im Religionsunterricht. Dabei müsse es auch darum gehen, das politische Interesse und Engagement zu fördern. Jung: „Gerade weil uns das Thema auch so beschäftigt und wir zugleich fragen müssen, ob wir genug tun, deshalb rufe ich den Schülerinnen und Schülern, die sich aufgemacht haben, zu: Danke für Euer Engagement!“
Kirche und Europa
Der Kirchenpräsident Jung hob schließlich die Bedeutung der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament hervor. Mit Verweis auf einen jüngst erschienen gemeinsamen Appell der EKHN mit ihren europäischen Partnerkirchen sagte Jung: „Als in der Gesellschaft mitgestaltende Kräfte setzen wir uns als evangelische Partnerkirchen in Europa für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde ein und engagieren uns auch weiterhin in der Friedens- und Versöhnungsarbeit, damit es keinen gewaltsamen Konflikt in Europa mehr gibt.“ Es sei deshalb auch seiner Sicht wichtig, bei den bevorstehenden Europawahlen am 26. Mai die Kräfte zu stärken, „die ein solidarisches und friedvolles Europa fördern und gestalten wollen“.
Hintergrund: Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hatte seinen Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft 2019 unter die Überschrift „Hoffnung in bedrängter Zeit“ gestellt. Basis der Überlegungen war der biblische Vers „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“ (1. Petrus 3,15). Daraus entwickelte er Perspektiven für eine stärkere Gemeinschaft und Kommunikation in der Kirche sowie das evangelische Engagement für die Demokratie.
Hinweis: Dokumentation Bericht des Kirchenpräsidenten
Hier direkter Download des Berichts: https://www.ekhn.de/fileadmin/content/ekhn.de/download/ekhn_jahresbericht/kp_berichte/kp_bericht_19.pdf
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Hintergrundbilder:
Vögel im Winter: © Hilke Wiegers / fundus-medien.de
Winterweg: © Stephan Krebs / fundus-medien.de
Rote Winteräpfel: © Hans Genthe / fundus-medien.de
Fußspuren im Schnee: © Rolf Oeser / fundus-medien.de