Glauburg

Der Pfarrer wird zum Teufel

Quelle: Kreis-Anzeiger 28.04.2017

 

JEDERMANN: Glauburger Konfirmanden führen Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ auf

 

(GLAUBERG/asl) -  „Ich unterbreche Euch nicht, legt einfach los.“ Pfarrer Jürgen Füg ermuntert die Jugendlichen, von den Bänken aufzustehen und den Altarraum zu betreten. Schnell werden noch Handys auf stumm geschaltet und weggesteckt, Jacken an- oder ausgezogen. Ein Blick noch in den dicken Stapel mit zusammengehefteten Blätter in Din-A-5-Größe. „Nils, du musst hinter dem Altar verschwinden“, sagt Füg. „Ben, du kommst doch von der Kanzel“, zeigt der Pfarrer in die Richtung und weist auch die anderen Jugendlichen auf ihre Plätze.

Die Unterhaltung ist verstummt, die Jungen und Mädchen konzentrieren sich. Franziska, von allen Franzi genannt, beginnt mit einem langen Monolog, ohne ins Stocken zu geraten. Ben, Nils und Franziska sind Konfirmanden, ebenso wie Hendrik, Fabian, Christine, Julius, Anna, Darlene, Michelle und Shakira aus Stockheim und Glauberg.

Am morgigen Samstag, 29. April, werden sie um 20 Uhr in der evangelischen Kirche in Stockheim „Jedermann“ aufführen, „Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ von Hugo von Hofmannsthal. Derzeit laufen die Proben auf Hochtouren und der Kreis-Anzeiger durfte bei einer Probe zuschauen.

Kannten die jungen Leute das Stück bereits vorher, als ihr Pfarrer mit der Idee kam? „Nein“, sagt Julius und die anderen nicken ebenfalls. „Uns hat das Krippenspiel viel Spaß gemacht, und deshalb waren wir von dem Gedanken, noch ein Theater zu spielen, begeistert“, erzählen sie. „Wenn wir aber gewusst hätten, wie viel Text es da zu lernen gibt, hätten wir es uns vielleicht noch mal überlegt“, ist Michelle ehrlich. Doch nach rund vier Monaten Probenarbeit und fleißigem Textpauken sind alle sichtbar begeistert.

Auf Video haben sie sich zu Beginn ihres Theater-Abenteuers eine Salzburger „Jedermann“-Aufführung angeschaut, um den Inhalt zu verstehen. Natürlich spielt die Gruppe den „Jedermann“ nicht so authentisch und in der Originallänge von rund zweieinhalb Stunden. „Eine Stunde wird es etwa dauern. Und den Text habe ich passend gemacht“, erläutert Füg, der mit seinen Schützlingen sehr zufrieden ist. „Die verwendete Sprache ist schon sehr schwer, das hat das Lernen nicht einfacher gemacht“, geben alle zu. „Einige Passagen haben wir deshalb auch auf ihre Sprache heruntergebrochen“, sagt Füg. Und trotzdem gehen ihnen die Zeilen recht flüssig über die Lippen. Zuhause haben sie mit der Familie oder Verwandten intensiv geprobt. „Meine Tante hat immer die anderen Rollen gelesen“, berichtet Franziska. Sie spielt den Jedermann und hat damit auch den meisten Text. „Den größten Teil der Texte habe ich jetzt in den Osterferien gelernt“, so Franziska.

Geprobt hat die Gruppe auch während der Konfirmandenfreizeit, die in der Nähe von Herbstein stattfand. „Wir sind auf einen Sportplatz gegangen, haben uns dort verteilt und haben uns gegenseitig die Texte zugebrüllt“, erzählen sie und müssen jetzt noch lachen, wie zufällig vorbei kommende Passanten gestaunt haben. Und bei der Nachtwanderung wurde die Szene vom Tod einstudiert.

Jetzt können sie es kaum erwarten, dass es am Samstagabend endlich losgeht. Einige Szenen gilt es noch zu verfeinern. Aber grundsätzlich vermitteln die Zehn den Eindruck, dass sie ihre Rollen im Griff haben. Der elfte Akteur im Bunde ist übrigens Füg selbst. Der Pfarrer wollte gerne mitwirken. Seine Rolle: der Teufel.

„Jedermann“ ist ein Mysterienspiel und handelt vom reichen Herrn Jedermann, der im Angesicht des Todes sein ausschweifendes gottesfernes Leben bereut. Doch bis er seine Verfehlungen erkennt, ist es ein langer Weg. Erst spät tut er Buße, und ihm wird daraufhin Gottes Gnade zuteil. Der hatte sich zuvor beklagt, dass die Menschen sich von ihm abgewandt haben und deshalb den Tod damit beauftragt, Jedermann vor das göttliche Gericht zu bringen. Denn mit ihm soll ein Exempel statuiert werden als Mahnung für die Menschen.