(HIRZENHAIN/em) - Immer wieder musikalische Überraschungen: Das jüngste Hirzenhainer Kirchenkonzert stand unter dem Motto „Tanz und Toccata“. Zu hören waren unter anderem Kompositionen, die man nicht unbedingt mit der Orgel in Verbindung bringt: alte Tänze, ein Swing und ein Brückenschlag zwischen Toccata und Rumba. Dank der Kontakte von Karin Sachers, Kirchenmusikerin und als Ruheständlerin in der Kirchengemeinde Hirzenhain aktiv, wurde diese Mal eine Spielerin der jungen Generation eingebunden.
Nachdem Sachers im Juli den belgischen Organisten und Flötisten Hans-Georg Reinertz hatte gewinnen können, gestalteten jetzt die Niddaer Dekanatskantorin Katrin Anja Krauße und Sachers erst 15-jährige Orgelschülerin Sonja Karl (Storndorf) das Programm. Vor viereinhalb Jahren begann das talentierte Mädchen mit dem Orgelunterricht. Es mag sie motiviert haben, dass ihr etwas älterer
Bruder ebenfalls dieses Instrument spielt. Die beiden Geschwister gastierten im November 2016 schon einmal zusammen mit der Lauterbacher Kantorei in der Hirzenhainer Kirche.
Krauße begann mit dem Praeludium in C von Dietrich Buxtehude, einem Werk im Stil des norddeutschen Orgelbarock mit Pedalsolo und Fugenelementen. Wohl ebenfalls aus diese Epoche stammen die „Fünf altenglischen Kontratänze“. Krauße nutzte die reizvolle Thematik, um die neue
Oberlinger-Orgel einmal „zum Tanzen zu bringen“. Beeindruckend war insbesondere das letzte Stück mit rascher, fast wilder Stimmführung und einem sanfteren, melodischeren Mittelteil.
Zu den großen französischen Orgelvirtuosen des 19. Jahrhunderts gehört Alfred Lefébure-Wély. Krauße hatte eine von ihm komponierte „Sortie“ gewählt, charakterisiert durch helle, manchmal fast klirrende Klangfarben sowie einen akzentuierten, aber ein wenig mechanisch wirkenden Rhythmus. „Erinnert an Drehorgel“, meinte eine Zuhörerin später nicht ganz zu Unrecht.
Die junge Orgelschülerin Sonja Karl hat sich schon ein hohes spieltechnisches Niveau erarbeitet. Sie trug Johann Sebastian Bachs Fuge in G-Moll vor, einstimmig einsetzend und sich in immer mehr Stimmen zu strömender, kunstvoller Klangfülle entfaltend, am Schluss nach G-Dur modulierend.
Reizvoller Ausflug
Beschwingt und mit akzentuiertem Rhythmus spielte Krauße dann einen Bolero von Lefébure-Wély, gefolgt von Samuel Scheidts Variationen über eine Gagliarda von John Dowland. Das war ein sehr reizvoller Ausflug in die Welt der Renaissance-Tänze. Einfühlsam gab Krauße die unterschiedlichen Abwandlungen des kreativen Komponisten wieder: liedhaft die erste, fast naturlyrisch, an Vogelrufe erinnernd die zweite, von Krauße mit der 4’-Flöte registriert, dunkler, rieselnder die dritte, die vierte mit der Wiederholung des Grundmotivs in gedämpftem Klang, gelegentlich an ein Fagott erinnernd.
Dann – vielleicht zum ersten Mal – ein Swing auf der neuen Oberlinger-Orgel: Sonja Karl spielte den mitreißenden Titel „Dance with me“ des 1963 geborenen Komponisten Michael Schütz, und die Zuhörer
konnten sich der suggestiven Melodie nicht entziehen. Krauße schloss sich mit der „Toccata alla Rumba“ des zeitgenössischen österreichischen Multitalents Peter Planyavsky an, er ist Komponist sakraler und orchestraler Musik, Kirchenmusiker und Orgelsachverständiger. Die Interpretin zeigte insbesondere bei diesem eigenwilligen Stück mit seinen schrägen Harmonien, Klangflächen, Läufen, Taktwechseln und den Assoziationen an den Choral „Nun danket alle Gott“ ihre souveräne Spieltechnik.
Für den Abschluss des Konzerts hatte Krauße drei Sätze aus Leon Boëllmanns „Suite gothique“ ausgesucht: das Menuett mit Echoeffekten, die sanfte, bittende Melodie des „Prière à Notre Dame“ über dem dunklen Hintergrund von Pedalakkorden und schließlich die Toccata, vorwärtsdrängend, mit gebrochenen Akkorden am Rand der Dissonanz und einem effektvollen Schluss.