Quelle: Kreis-Anzeiger 8.03.2017
RENOVIERUNG: Dreimanualige Oberlinger Orgel in der Hirzenhainer Kirche ertönt wieder mit vollem Klang
(HIRZENHAIN/(mü) - Es ging förmlich ein Ruck durch die in der Hirzenhainer Augustinerkirche versammelte Gemeinde. Zahlreiche Köpfe wandten sich nach oben zur Empore: Zum ersten Mal nach einem Jahr Renovierungsarbeiten setzte die dreimanualigen Oberlinger Orgel wieder mit vollem, betörendem Klang ein, intonierte Hirzenhains Organistin Karin Sachers das festliche „Komm Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ aus den Leipziger Chorälen von Johann Sebastian Bach, in das die Gemeinde sogleich einfiel.
Freude und Erleichterung darüber waren spürbar, dass die größte Orgel des Dekanates Büdinger Land dank der Unterstützung der Landeskirche, aber auch der Kirchengemeinde Hirzenhain-Merkenfritz sowie zahlreicher privater und gewerblicher Spender und Sponsoren sich akustisch und optisch in neuem Glanz präsentiert. Zahlreiche Vertreter aus Kirche und Politik sowie speziell aus dem Bereich Kirchenmusik waren gekommen. Die drei Hirzenhainer Pfarrergenerationen seit den 60er Jahren – Klaus Scheuermann, Manfred Patzelt und Kerstin Hillgärtner – waren vertreten, ebenso die Dekanin des Dekanats Büdinger Land, Sabine Bertram-Schäfer, die eine mitreißende Festansprache hielt. Hinzu kamen Thomas Wilhelm, Orgel- und Glockensachverständiger der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, Landeskirchenmusikdirektorin Christa Kirschbaum sowie die drei Dekanatskirchenmusiker aus Büdingen, Nidda und Schotten: Barbara Müller, Katrin Anja Krauße und Kiwon Lee.
Die Liedauswahl zum Festgottesdienst bezog sich in weiten Teilen auf Texte und Melodien von Martin Luther, dessen Wertschätzung für die Musik Bertram-Schäfer in ihrer Predigt über das Lied „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“ eindrucksvoll darlegte: Für Luther sei die Musik – unmittelbar nach der Theologie – ein hervorragender Weg gewesen, mit Gott in Verbindung zu treten, ja, sie sei nach Luther ein Geschenk Gottes an die Menschen, das dazu diene, „dem Höchsten die Ehren zu erweisen, ein fröhliches Herz zu gewinnen, den Teufel zu verjagen, unschuldige Freude zu empfinden, Zorn und Zweitracht zu besänftigen“, so Bertram-Schäfer. „Die politische Situation hierzulande und weltweit mag aktuell viele Gründe zur Sorge liefern – und wenig Anlass, zu singen, zu tanzen und sich an Musik zu erfreuen“, fuhr die Dekanin fort. Was Luther wie auch die Psalmendichter des Alten Testamentes empfehlen würden, sei dennoch keine Flucht aus der Realität, keine Naivität und keine Augenwischerei. „Wer in diesen Tagen Musik genießt, wer hörend und singend betet, der setzt sein Vertrauen und seine Zuversicht auf Gott, gegen das Leid und den Hass in der Welt.“ Gebet und Musik verkörperten ein mutiges „Trotz alledem“ und die Bereitschaft, Verantwortung für ein menschliches, respektvolles Miteinander zu übernehmen, in dem Religionen und Kulturen in all ihrer Vielfalt ihren Platz behielten.
Das Lutherlied „Die beste Zeit im Jahr ist mein“ und „Ach, bleib mit deiner Gnade“ von Josua Stegmann sowie Fürbitten von Anette Klehm, Katharina Kunz, Eleni Merz und Kai Seipel rundeten den Gottesdienst ab, der mit dem komplexen „Introduction-Choral“ von Leon Boëllmann aus der Orgel-Suite „Gothique“ ausklang. Hillgärtner dankte nicht nur allen Spendern, dem Kirchenvorstand und der Landeskirche, sondern auch den Mitarbeitern der Licher Orgelbauerfirma Förster & Nicolaus für ihren einjährigen Einsatz, der letztlich erst in der vorangegangenen Nacht zum Abschluss gekommen sei – was für Küsterin Eleni Merz wiederum Reinigungsarbeiten zu später Stunde nach sich gezogen habe.
Im Anschluss an den Gottesdienst standen ein Sektempfang, Kaffee und Kuchen sowie eine theoretische und praktische Einführung in den Aufbau der Oberlinger Orgel und die einzelnen Etappen ihrer technischen Generalüberholung und Neuintonation auf dem Programm. Während Orgelbauer Daniel Starke von Förster & Nicolaus im Kirchenschiff die einzelnen Manuale, die 33 Register und die Klangqualitäten der insgesamt 2028 Orgelpfeifen erläuterte, ließ sein Kollege Rainer Bingel am Instrument selbst passende Klangbeispiele in Form gehobener Improvisationen erklingen – eine Darbietung, die großen Beifall fand. Den Abschluss bildete ein Ausnahmekonzert der drei Organisten Karin Sachers, Katrin Anja Krauße und Kiwon Lee, die von Bach (Toccata in d) über Guilmant (Pastorale und Finale aus der Ersten Sonate) bis Rousseau (Scherzo), Lefébure-Wély (Choeur de voix humaines) und Macchia (Sing Alleluja to the Lord) einen weiten, glanzvollen Bogen herausragender Orgelmusik von der Klassik bis in die Neuzeit spannten.
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