(WETTERAUKREIS/red) - Am kommenden Samstag, 19. August, startet „Kunst in Kirchen“. Die vom Kreis und der evangelischen und katholischen Kirche in der Wetterau organisierte Veranstaltung findet zum fünften Mal statt. Nachdem im vergangenen Jahr die vier Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft künstlerisch bearbeitet wurden, lautet das Thema in diesem Jahr „Aufbrechen“. Sechs Kirchen öffnen ihre Türen für je ein besonderes Kunstprojekt. Entlang des Lutherweges werden in den evangelischen Kirchen Butzbach, Nieder-Weisel, Wölfersheim und Friedberg und den katholischen Kirchen Rodheim und Karben sechs Künstler einen Dialog mit den Gotteshäusern eingehen.
In Friedberg ist es Künstler Werner Cee, der die Besucher der Stadtkirche in die Endzeitatmosphäre des „Jahrs ohne Sommer“ 1816 versetzen will. 1816 brach der indonesische Vulkan Tambora aus. Die Asche verdunkelte die Sonne und bewirkte globale Klimaveränderungen. Der englische Dichter Lord Byron ließ sich von dieser Stimmung zu dem Gedicht „Darkness“ inspirieren. Dieses Gedicht, auf Englisch vorgetragen, ist Teil einer Klanginstallation, die in der Stadtkirche zu hören ist, genauso wie die Beschreibung des isländischen Pfarrers Jón Steingrímsson, der als Augenzeuge den Ausbruch des isländischen Vulkans Laki eindrucksvoll beschrieb. Die Klanginstallation wird ergänzt durch instrumentale Klangflächen, die sich zwischen Idylle und Inferno bewegen, sowie Patentüberschriften zum Thema Geoengineering. Das sind technische Mittel gegen die Klimaerwärmung, wie etwa die Ausbringung von Staubpartikeln, um die Erde künstlich zu verdunkeln. „Es gibt Wissenschaftler, die von einem neuen Erdzeitalter sprechen, dem Anthropozän, also dem vom Menschen geformten Zeitalter. Fortschritte in Wissenschaft und Forschung haben dazu beigetragen, dass menschliches Verhalten sich heute in weiten Teilen aus dem selbst auferlegten Recht ableitet, in natürliche Prozesse einzugreifen, um zu heilen, was menschliches Wirken verursacht hat. Aber ist die Wissenschaft noch wertneutral? Welche Rolle spielt Religion? Ich will keine Antworten geben, sondern diese Fragen inszenieren“, sagt Werner Cee. Dazu wabert Nebel im Kirchenraum umher und verdunkelt die leuchtend rote Sonne, die über dem Altar zu schweben scheint. Cee will die Besucher in eine Stimmung versetzen, wie sie die Menschen um das Jahr 1816 auch gespürt haben könnten. Der Kreis-Anzeiger sprach zum Auftakt der Reihe mit Werner Cee gesprochen über seine Installation.
Herr Cee, „Kunst in Kirchen“ ist ein in Deutschland einzigartiges Projekt. Was hat Sie bewogen, sich dafür zu bewerben?
Ich habe mich unter anderem seit Jahren mit dem Begriff des „Anthropozän“ auseinandergesetzt. Wissenschaftler haben ein neues Zeitalter ausgerufen, in dem der Mensch die Natur als Gestalter der Welt abgelöst hat. Der Mensch macht sich so zum allmächtigen Schöpfer. Es lag nahe, eine Arbeit zu diesem Thema in einem Kirchengebäude zu realisieren.
Was reizt Sie daran, in einer Kirche auszustellen?
In europäischen Städten sind Kirchengebäude oft die ältesten Zeugen von Kultur und Kunst. Sie liegen an zentralen Plätzen, prägen das Stadtbild, sind meist öffentlich zugänglich. Allein durch ihre Präsenz weisen sie auf eine größere Dimension hin – auf etwas, das über die menschliche Lebensspanne hinausgeht und auf einen Horizont, der nicht gerade vom herrschenden Zeitgeist begrenzt ist. Es sind Räume, die dazu einladen, sich aus dem Alltag herauszubegeben, sich Zeit zu nehmen, sich auf Gedanken und Ideen einzulassen.
In einer Kirche sucht man das Gespräch mit Gott. Traditionelle Kirchenbilder erleichtern dieses Gespräch, zeitgenössische Kunst kann da wie ein Fremdkörper wirken. Ist das gewollt?
Zu der Zeit, in der Kirchen gebaut wurden, waren die darin verwendeten Ästhetiken, Stilmittel und Handwerkstechniken zeitgenössische Kunst. Es ist meiner Ansicht nach eine zentrale Aufgabe zeitgenössischer Kunst in Kirchen, dafür zu sorgen, dass auch ein Kunstwerk unserer Zeit in diesen Räumen nicht fremd bleibt, sondern vielmehr inmitten der jahrhundertealten Werke Gedankenräume öffnet, aktuelle Bezüge herstellt.
Welche Reaktionen erwarten Sie von den Besuchern?
Meine Installation ist ein Angebot, sich auf eigene Assoziationen einzulassen. Sie will nicht erklären oder gar belehren, sondern einen besonderen Raum schaffen und in poetischer Weise dazu anregen sich mit dem Thema „Anthropozän“, der heute angeblich ganz vom Menschen bestimmten Welt, auseinanderzusetzen. Dazu gehört, dass sich die Besucher Zeit nehmen, sich das Werk wie ein Musikstück anhören, darin herumgehen, verweilen und die ausgelegten Texte lesen.
Werner Cee, in Friedberg geboren, studierte an der Städelschule und arbeitete bis in die 80er Jahre als freischaffender bildender Künstler und Musiker in der experimentellen Rockmusikszene. Es folgten Arbeiten im Medienkunstbereich und Klang- und Lichtinstallationen. Später verlagerte sich Cee auf elektroakustische Kompositionen. Werner Cee ist für seine Kunst vielfach ausgezeichnet, so etwa mit dem Prix Italia, dem deutschen Klangkunstpreis und dem 1. Preis für radiophone Hörstücke Spaniens. (red)