Anhand zweier ausgebaggerter Bodenprofile erklärte der Agraringenieur Rainer Vogel, Diplom-Agraringenieur und Ökolandwirt vom Hof Buchwald in Windecken, die Schichtung des Wetterauer Bodens
28.09.2018
Von Markus Christ
(Eckartshausen, Hainchen,
Langen-Bergheim, Marköbel und Rommelhausen/mc) - Angesichts des
anhaltenden Flächenverbrauchs stellten die Kirchengemeinden Langen-Bergheim, Marköbel, Eckartshausen, die Limeshainer Kirchengemeinden und der Verein für Kultur und Heimatgeschichte Hammersbach
die Bedeutung und den Wert unserer Böden in den Mittelpunkt von verschiedenen Vorträgen und Gottesdiensten im September.
Unter dem Motto „Boden-Wert-Schätzen“ führte zunächst die Bodenkundlerin Dr. Maren Heincke, Referentin für den ländlichen Raum in der EKHN, in einem interessanten Vortrag in die Problematik des zu hohen Bodenverbrauches ein und machte anhand eindrucksvoller Zahlen und Schaubilder deutlich, was der Boden für alles Leben bedeutet: In einer Handvoll Erde befinden sich über sieben Milliarden Lebewesen. Die gesamte Masse Leben in einem Hektar Mutterboden ergibt zusammen addiert das Gewicht von 20 Kühen. Über den Zukauf von Futtermitteln nutzen wir mittelbar weitere riesige Flächen auf vielen Kontinenten dieser Erde, auch in Ländern, in denen Armut und Hunger herrscht.
Boden ist mehr als nur Fläche: Der Boden lebt, und ist auch als Wasserfilter und Wasserspeicher von oft
unterschätzter großer Bedeutung. Auch wies Dr. Maren Heincke darauf hin, dass einmal versiegelte Flächen in menschlichen Zeiträumen nicht renaturiert werden könnten, dass aber aus Kostengründen
oftmals neue Flächen versiegelt würden, anstatt bestehende Leerstände zu recyceln.
Vor einer gleichfalls interessierten Zuhörerschar sagte am zweiten Abend der Vortragsreihe der Kreisarchäologe des Main-Kinzig-Kreises, Claus Bergmann, der Boden sei neben der Bedeutung zur Erzeugung der Nahrungsmittel auch Kulturspeicher und geologischer Speicher. Die Entwicklung der Landschaft wie auch die verschiedenen Kulturepochen unserer Region sind darin abzulesen. Er schlug einen Bogen von der Steinzeit bis zu den Römern und sprach auch von den Funden, die aus dem Neolithikum im Zuge der Erschließung des neuen Gewerbegebietes ‚Limes‘ kürzlich entdeckt worden seien.
Auch wies er auf den Wert unserer Wetterauer Lössböden hin, waren sie doch der Grund, weshalb schon vor
Jahrtausenden Menschen in unserer Region gesiedelt und ihr Überleben gesichert haben. Und auch die Römer hätten keine Kosten gescheut, den Limes aufwändig um die fruchtbare Wetterau herum zu
bauen.
In verschiedenen Gottesdiensten bedachten die vergangenen Wochen schon begleitend die Pfarrerinnen und Pfarrer der beteiligten Kirchengemeinden das Thema.
Höhepunkt war am Sonntag 23.9. eine Stationenwanderung mit abschließendem gemeinsamen Gottesdienst in
Marienborn. Trotz Nieselregens hatte sich eine stattlich Zahl Interessierter am Morgen auf dem Weiherhof bei Familie Bopp zusammengefunden. Nach der Begrüßung von Pfarrer Christ berichtete
Landwirt Horst Bopp: Wie der Familienbetrieb einst Aussiedlerhof war, und durch Autobahnbau und Neubaugebiete mittlerweile mitten im Dorf liegt. Und dass er Felder und Wiesen im 50 km entfernten
Grebenhain gepachtet hat, weil ihm an Wirtschaftsfläche schon 30 Hektar durch den andauernden Flächenverbrauch verlorengegangen sei oder verlorenzugehen droht.
Am neu entstehenden Gewerbegebiet gab Bürgermeister Göllner, der auch Vorsitzender des ‚Zweckverbandes
interkommunales Gewerbegebiet Limes‘ ist, Informationen zum Stand der Erschließung und Vermarktung. Gegenwärtig entsteht die erste große Logistikhalle. Es entstünden so hunderte gute und
wohnortnahe Arbeitsplätze. Insgesamt sei eine Fläche von 50 Hektar geplant, der erste Erschließungsabschnitt umfasse 24 Hektar. Auch kritische Nachfragen wurden gestellt.
Anhand zweier ausgebaggerter Bodenprofile erklärte der Agraringenieur Rainer Vogel, Diplom-Agraringenieur und
Ökolandwirt vom Hof Buchwald in Windecken, die Schichtung des Wetterauer Bodens, die ihn mit zum fruchtbarsten Boden in Deutschland und auf der ganzen Welt mache. Parabraunerde habe eine hohe
Fruchtbarkeit, die vielen senkrechte Risse ermöglichen Regenwürmern und Wurzeln hervorragende Bedingungen, und seine Bedeutung als Wasserspeicher hat der Lössboden gerade in diesem einmalig
trockenen Sommer wieder bewiesen. Die großflächige Versiegelung von Flächen in unserer Region habe auch negative Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Gleichzeitig wisse er aber auch um das
Abwägen müssen von Bebauen und Bewahren in einer Kommune durch seine Stellung als Nidderauer Stadtrat.
Nachdem Christoph Förster seinen Betrieb, der nach Naturland-Richtlinien ökologisch bewirtschaftet wird, vorgestellt hatte, und aus seiner Sicht die Problematik des hohen Flächenverbrauches und die Auswirkungen auf sein Arbeiten beschrieben hatte, war die Gemeinde zum Mittagessen eingeladen, bei gegrillten Biowürstchen der Familie Förster und einer Kartoffelsuppe, die Linda Schäfer vorbereitet hatte.
Im anschließenden Gottesdienst, den Pfarrer Markus Christ, Pfarrer Oliver Mohn, Pfrn. Katharina Bärenfänger
und Vikar Jonas Failing gemeinsam vorbereitet hatten, näherten sich trinitarisch dem Thema Boden. Pfr. Christ sprach von Gott, dessen schöpferische Hand zu entdecken sei in allem, was lebt. Pfr.
Mohn wies darauf hin, dass Gott in Jesus Christus seinen Fußabdruck, die Liebe, auf dieser Erde hineingedrückt hat, und Pfrn. Bärenfänger wies anhand einer Schale frischer grüner Grassode auf die
lebensschaffende Kraft von Gottes schöpferischem Geist hin. Vikar Failing zeichnete sich für die Liturgie verantwortlich.
Den Wert des Bodens neu schätzen lernen, dem stummen Boden eine Stimme geben, und eine kritische Diskussion und das Abwägen zwischen den Polen Bebauen und Bewahren zu ermöglichen – das Konzept der beteiligten Kirchengemeinden und des Vereins für Kultur- und Heimatgeschiche Hammersbach ist aufgegangen und hat zur Nachdenklichkeit, zum offenen Gespräch und Standpunktfindung angeregt.
Alle Fotos von Markus Christ