REICHHALTIG: Kirchengemeinde Mockstadt lädt ein zu einem Menü mit Tischreden nach Luther
(OBER-/NIEDER-MOCKSTADT/mü) - „Iss, was gar ist. Trink, was klar ist. Sprich, was wahr ist“, donnerte der Reformator Professor Martinus Luther (Markus Karger) von der Kanzel des Nieder-Mockstädter evangelischen Gemeindezentrums herab – und es geschah genau das, was auch zu Lebzeiten des streitbaren Theologen eingetreten war: Die anwesenden Gäste zückten Papier und Stift und notierten sich den treffenden Ausspruch. Einen Luther-Abend mit Auszügen aus den berühmten Tischreden des Wittenberger Hausherrn und einem Mahl gemäß dem Geschmack seiner Zeit hatte die evangelische Kirchengemeinde Mockstadt angeboten, zahlreiche Interessierte waren der Einladung gefolgt. Und kaum kam Pfarrer Manuel Eibach dazu, seine Begrüßungsworte zu vollenden, als Professor Martinus schon das „Kirchlein des seligen Sprengels zu Mockstadt“ betrat, das zwar über keinen Turm, dafür aber ein durchaus angenehmes Geläute, köstliche Düfte aus der hauseigenen Küche sowie am Ortseingang über ein weithin sichtbares leuchtendes „M“ verfüge – womöglich zu seinen Ehren? Derart mit Lokalkolorit als Vorspeise versehen, erhob man zunächst das Glas auf das Reformationsjubiläum, ließ sich Appetizer mit rustikalem Brot, Kräuterquark und angemachtem Käse sowie ein sämiges Selleriesüppchen schmecken und lauschte sodann, was Markus Karger alias Martin Luther zunächst über die Welt und die Schöpfung, dann über Gott und Nächsten und schließlich über Mann und Frau zu verkünden hatte. Die von dem Schauspieler und Regisseur sorgsam recherchierten und zusammengestellten Zitate schienen dem Darsteller geradezu auf den Leib geschrieben und riefen meist vehemente Zustimmung, manchmal Erstaunen ob einer plötzlichen Aktualität, manchmal aber auch Empörung hervor, zum Beispiel dort, wo es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau ging: Denn dass Mädchen das Gehen und Sprechen nur deshalb schneller erlernen als Knaben, „weil das Unkraut stets schneller in die Höhe schießt als der Weizen“, das wollten die Zuhörerinnen nun doch nicht auf sich sitzen lassen.
Vieles aber über den Missbrauch der Schöpfung, die Eigentümlichkeiten des Menschen, die Bedeutung von Bildung, Wissen, Hoffnung, Bescheidenheit, Voraussicht und Dankbarkeit ließ man gerne gelten – und als mit Luthers Zitaten die Ehe als gottgewollt und der Zölibat massiv infrage gestellt wurden, hatten der Reformator und sein Darsteller die Sympathien wieder auf ihrer Seite. Vor allem die lebenspraktischen und durchaus heute noch gültigen Ratschläge – viele davon längst ins hiesige Kulturgut und den Sprichwörterschatz eingegangen – fanden zwischen Gulasch mit Kraut und Weizengrütze, Birnenkompott und Luther-Keksen großen Anklang, so etwa: „Lieber Ratten im Keller als Verwandte im Haus.“ „Ich esse und trinke, was ich mag, und sterbe, wann Gott will.“ Und abschließend: „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf.“
So wie man sich die Luther-Bonmots notiert hatte, so ließ man sich auch von Küchenchef und Kirchenvorstandsmitglied Heinz Geweth und den bewirtenden Kirchenvorstehern gern manches Geheimnis um die Rezepte dieses in jeder Hinsicht köstlichen Abends verraten. Die musikalische Begleitung übernahmen Michael und Susanne Ludwig mit geistlichen Liedern von Martin Luther und Tänzen wie „Basse Danse“ und „Morisca“ aus seiner Zeit.