Von Susanne Kleinmann
(NIDDA/ka) - "Gott segne alle Ohren, die diese Orgel hören." Mit diesen Worten begrüßte Pfarrerin Hanne Allmansberger alle Gäste in der Evangelischen Stadtkirche Zum Heiligen Geist, die gekommen waren, um am Festgottesdienst zur Orgelweihe teilzunehmen.
Viele Besucher hatten am Sonntag den Weg nach Nidda gefunden. Prominenz aus Politik und Wirtschaft ebenso wie Kirchenvertreter und viele Menschen, die sich an der neuen Orgel erfreuen wollten. Die schöne Renaissancekirche war gut gefüllt, als die stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Ulrike Humbroich die Gemeinde willkommen hieß. Auf die Klänge der neuen Eule-Orgel musste sie jedoch noch ein wenig warten.
Zum Einzug hatte "Brass-ON", das Blechbläserensemble des Posaunenwerks der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) unter der Leitung von Landesposaunenwart Albert Wanner Georg Friedrich Händels "Einzug der Königin von Saba" gespielt. Auch das erste Gemeindelied begleiteten die Blechbläser.
Spannung
Die Spannung stieg mit jeder Minute. Doch noch immer musste sich die Gemeinde in Geduld üben. Ein beeindruckendes Zwischenspiel der Bläser ertönte, vielen der Besucher sicher aus einem andern Rahmen bekannt. Das Ensemble spielte "Bohemian Rhapsody" von Queen, und im Anschluss an dieses beeindruckend vorgetragene Stück weihten Pfarrerin Hanne Allmansberger, Dr. Christian Nachtmann, als Vertreter des Kirchenvorstands, und die Pfarrer Reiner Isheim und Heike Schalaster die neue Eule-Orgel. "Wenn man genau hinsieht, kann man auch sehen, wie die Eule sich bewegt", sagte Pfarrerin Allmansberger in ihrer Ansprache.
Und tatsächlich: Dekanatskantorin Katrin Anja Krauße demonstrierte, wie zu einem Nebenregister namens "Vox strigis" eine kleine geschnitzte Eule hinter den Pfeifen auftaucht, ihren Ruf erklingen lässt und nach einigen Sekunden wieder in der Tiefe verschwindet, wobei nochmals ihr zarter Ruf zu hören ist. Nicht die einzige Spielerei, die die Orgelbauer aus Bautzen sich für Nidda haben einfallen lassen.
Die Klänge von Johann Sebastian Bachs Präludium in C-Dur waren es schließlich, die die Orgel zum ersten Mal zum Klingen brachten. Doch noch hörte man sie nur ein wenig versteckt, denn Organistin Katrin Anja Krauße spielte das gewaltige Barockstück gemeinsam mit "BrassON". Es sollte noch einen kleinen Moment dauern, bis die Orgel schließlich in ihrer reinen Form zu hören war. Während der Intonation zu dem Gemeindelied "Nun danket alle Gott" hörten die Gottesdienstbesucher die Orgel schließlich zum ersten Mal ohne weitere Instrumente und konnten sich von dem wunderschönen, klaren Klang überzeugen. Krauße nutzte während des Vorspiels die Möglichkeiten der vielseitigen Registrierung, immer wieder sah man sie während des Spiels die Registerzüge betätigen.
Eine schöne Einstimmung auf die nun folgende Predigt, gehalten von Propst Matthias Schmidt, der eigens zur Orgelweihe in die Stadtkirche gekommen war. Da in diesen Wochen nicht nur die neue Orgel in der Gemeinde gefeiert wird, sondern auch 400 Jahre Stadtkirche Nidda, blickte Schmidt zunächst in die vergangenen Jahrhunderte zurück. "Ein Strom von Menschen ging in dieser Kirche ein und aus, in deren Leben diese Kirche wichtig war. Und viele werden noch folgen", so Schmidt. Der Pfarrer sprach in seiner Predigt von der Sehnsucht der Menschen und dem Kampf gegen die Angst. Es sei richtig, dass Kirche nicht mehr von einem strafenden Gott predige, sondern von einem, der Hoffnung mache. Die Menschen dürften sich nicht gefangen nehmen lassen von Angst und Hass. Dies sei ihm gerade in der aktuellen Antisemitismus-Debatte wieder bewusst geworden.
Schmidt hatte der Gemeinde zwei Geschichten und zwei Lieder mitgebracht. Eine der Geschichten berührte besonders, denn sie handelte von der bedingungslosen Liebe zu Gott ohne jegliche Berechnung. "Wenn ich dich aus Liebe zu dir selbst liebe, dann zeige mir deine göttliche Schönheit", hieß es in der Predigt. Eines der beiden Lieder wurde noch im Gottesdienst gesungen. Es stammt von dem bekannten Songtexter Tobias Reitz, der im mittelhessischen Nieder-Ohmen wohnt. "Reitz textet für Schlagergrößen wie Helene Fischer und die Kastelruther Spatzen. Sein Lied ,Und wer dich liebt' hat den Weg in unser neues Kirchengesangbuch gefunden", erklärte der Propst, und unterbrach seine Predigt, um mit der Gemeinde dieses wunderschöne Lied anzustimmen. Auch hier registrierte Kantorin Krauße sehr fein und stimmte sich immer wieder mit dem Dirigenten von "BrassON" ab, die einzelne Strophen begleiteten.
Das Vorspiel zu dem letzten Choral zeigte noch einmal das hervorragende Spiel der Organistin. In Form eines Menuetts intonierte Krauße den bekannten Choral "Großer Gott wir loben dich". Ein besonderer Hörgenuss für die Gemeinde. Mit einem Dank an alle Mitwirkenden und dem Segensgruß verabschiedete Pfarrerin Allmansberger die Gottesdienstbesucher. Zum Nachspiel ertönte noch einmal die Orgel mit dem bekannten "Canon und Gigue" von Johann Pachelbel in einer Bearbeitung für Orgel und Blechbläser.
Wer nun noch nicht genug gehört hatte, konnte nach einem kurzen Empfang und einer kleinen Stärkung im Johannes-Pistorius-Haus einem Vortrag des Orgelbauers Dirk Eule lauschen, der die Besonderheiten des neuen Instruments demonstrierte.
Im Anschluss daran gab Professor Martin Schmeding aus Leipzig ein Konzert auf der Orgel. Er begann mit Felix Mendelssohn-Bartholdys Ouvertüre zum Oratorium "Paulus". Schmeding hatte für sein Programm eine vielseitige Auswahl getroffen. "Die Gemeinde hat sich eine farbige Orgel ausgesucht. Nun soll sie die Orgel auch in all ihren Facetten erleben. Wir können nicht nur das spielen, was in den vergangenen Jahrhunderten komponiert wurde", erklärte der Organist im Vorfeld. Denn eine Orgel die heute gebaut werde, müsse auch in die Zukunft weisen, so Schmeding.
Und so spielte er nicht nur Stücke aus der barocken Zeit, sondern auch Werke aus der Romantik und der Gegenwart. Dazu gehörten auch zwei Stücke von Robert Schumann und drei Fantasien von Wolfgang Rihm, die dieser 1967 mit nur 15 Jahren komponiert hatte. Schumanns "Waldszenen" aus denen Schmeding sich den "Vogel als Prophet" und das "Jagdlied" ausgesucht hatte, waren ursprünglich für Klavier komponiert worden. Schmeding spielte die Werke in einer Bearbeitung für Orgel von Oskar Gottlieb Blarr. Und auch hier tauchte wieder die Eule hinter den Pfeifen auf, natürlich, wie kann es anders sein, bei dem Stück "Vogel als Prophet".
Während des Konzerts kam noch eine zweite Besonderheit der Orgel zum Einsatz. Zu Beginn der "Offertoire", einem Werk von Francois Couperin, einem Zeitgenossen Johann Sebastian Bachs, ertönte ein zartes Glockenspiel und ein Cymbelstern, der mittig auf dem Orgelprospekt angeordnet ist, drehte sich zu den Tönen. Ein wunderschöner Effekt. Mit einem barocken Werk, Bachs Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur, endete nicht nur das Konzert, sondern auch ein festlicher Tag, der der neuen Eule-Orgel in jeglicher Hinsicht gerecht geworden war.
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