Von Elfriede Maresch
(NIDDA/em) - „Canne e corde – Pfeifen und Saiten“ war das Motto der jüngsten „Nidda in Concert“-Veranstaltung, zu der Dekanatskantorin Katrin Anja Krauße 70 Besucher in der Stadtkirche begrüßen konnte.
Ein seltener „Dialog der Instrumente“ wurde geboten: Krauße spielte die Eule-Orgel, Konzertpartner war der Cellist Simon Ullmann. Er besuchte nach dem Musikstudium Meisterkurse und nahm Kammermusikunterricht bei Professor Grigori Zhislin und bei Mitgliedern des Bartholdy-Quartetts. Neben Unterrichtstätigkeit konzertiert Ullmann, setzt sich intensiv mit historischer Aufführungspraxis auseinander und widmet sich dem Barockcello.
Es gibt wenig Literatur für die Besetzung Cello und Orgel, wohl aber Bearbeitungen. Auf eine weitere Schwierigkeit wies Krauße bei der Begrüßung hin. In manchen Kompositionen war die Höhenlage für das Cello gerade noch in der Reichweite, Simon Ullmann musste sein Instrument mit hoher Saitenspannung spielen. Doch davon nahmen die Zuhörer nichts wahr. Denn zwei meisterliche Spieler hatten sich zusammengefunden und boten ein Konzert mit Kompositionen mehrerer Jahrhunderte und Stilrichtungen. Katrin Anja Krauße machte es hörbar Freude, aus der reichen Skala der Eule-Orgel die adäquaten Klangfarben zur warmen ausdrucksvollen Cellostimme einzusetzen.
Kontrast
Das Konzert begann mit Rezitativ und Adagio opus 9 des spätromantischen Komponisten Camillo Schumann. Relativ frei entfalteten sich die beiden Instrumentalstimmen im Rezitativ. Das Adagio erklang in einem ruhigen getragenen Schreitrhythmus, einem gleichwertigen Sich-Umspielen, aber auch mit solistischen Cellopassagen. Es folgte die Sonate in D von Günter Raphael (1903 bis 1960), einem kreativen und vielseitigen Komponisten, dessen Wirken aber im Dritten Reich durch die Ächtung als Halbjude eingeschränkt war. Ein assoziatives Werk wurde den Zuhörern geboten, dessen beginnendes Lento durch die zunächst dunkle, dann in fragile Läufe mündende Orgelstimme und durch das heller darüber liegende Cello charakterisiert war. Dunkle, dichte Klangfolgen der Orgel, ein manchmal melancholisch anmutender Cello-Part prägten auch den letzten Satz, ein Largo con espressione mit einem überraschenden Schluss. Interessanten Kontrast bot der Mittelsatz Vivace molto mit extrem raschem, fast schwirrendem Tempo, mit Achteln der Orgelstimme, Triolen des Cello in einer spieltechnisch sehr anspruchsvollen polyphonen Rhythmik.
Für die folgende Bach-Sonata hätte man das diesjährige „Nidda in Concert“-Motto „Grazie und Gravität des Barock“ eigentlich in „Grazie und Einfallreichtum barocker Kammermusik“ umändern müssen. Die beiden Interpreten spielten die Sätze mit Präzision und eleganter Leichtigkeit zugleich: das Adagio mit seinen weichen, feinen Verzierungen, das fast übermütig bewegte Allegro, das Andante und das abschließende Allegro in seiner bewegten Verspieltheit.
Die „Fantaisie et Fugue in h“ von Alexandre Pierre François Boëlly folgte als einzige Orgel-Solokomposition des Programms, mit ihrem reichen Stimmenspiel ein Bravourstück für Krauße. Ausgehend vom Choral „Die Nacht ist kommen“ schrieb der romantische Komponist Josef Rheinberger unter dem Titel „Abendlied“ eine ausdrucksstarke Instrumentalkomposition, ursprünglich für Orgel und Violine, von Krauße mit Flöte und Liebich Gedackt registriert. Kaum ein Zuhörer konnte sich dem suggestiven Zusammenklang der beiden Instrumentalstimmen entziehen. Abendliche Ruhe strahlte die Komposition aus, aber auch Bewusstsein für das Unheimliche der Nacht, Sehnsucht nach Schutz, ausgedrückt insbesondere durch die melancholisch gefärbte Cellostimme.
Vom liturgischen jüdischen Abendgebet „Kol Nidrei“ ließ sich Max Bruch zu einer Instrumentalkomposition anregen, eigentlich für ein kleines Orchester gedacht. Aber auch mit Orgel und Cello gespielt, überzeugte das Werk in seinen feinen Klangfarben, dem harmonischen Dialog.
Nach den Dankesworten von Axel Kaiser, Vorsitzender des Freundeskreises für Kirchenmusik an der Stadtkirche Nidda, der wie die Stadt Nidda, die VR Bank Main-Kinzig-Büdingen und die Liebfrauenkirche Nidda die Veranstaltungsreihe der Evangelischen Kirchengemeinde unterstützt, und langem stehenden Beifall des Publikums, verabschiedeten sich Katrin Anja Krauße und Simon Ullmann mit einem Satz aus einer Vivaldi-Cellosonate.