Der ehemalige Richter, Ruheständler und aktive Musikfreund Karlheinz Schaumburg hat etwas entdeckt, was ihn erheblich stört: Die "Weißen Flecken in der Landkarte der geistlichen Vokalmusik". Damit spricht er in Vergessenheit geratene Meisterwerke an, "schlummernd in Archiven", die das breite Publikum kaum mehr zu hören bekommt.
(NIDDA/em) - Eine neue Initiative gibt es in der Niddaer Kirchenmusik, nachdem das Großprojekt "Anschaffung der neuen Orgel" mit viel Unterstützung der Bevölkerung gelungen ist. Auch Karlheinz Schaumburg und seine Frau Renate nebst weiteren Ehrenamtlichen haben mit dem Projekt "Bücher für die Orgel" über Jahre zur Finanzierung des hochwertigen Instruments beigetragen. Und doch hat der ehemalige Richter, Ruheständler und aktive Musikfreund Schaumburg etwas entdeckt, was ihn erheblich stört: Die "Weißen Flecken in der Landkarte der geistlichen Vokalmusik". Damit spricht er in Vergessenheit geratene Meisterwerke an, "schlummernd in Archiven", die das breite Publikum kaum mehr zu hören bekommt. Diesem Bedauern stimmten die anderen Vorstände im Freundeskreis für Kirchenmusik an der Stadtkirche Nidda e.V. zu: "Ein Chorkonzert mit oder ohne Orchester und Solisten ist nur mit großem zeitlichem und finanziellem Aufwand zu realisieren, wozu die Mittel des Freundeskreises nicht ausreichen." Auch zur kommenden Aufführung von Haydns "Schöpfung" mit Kantorei, Solisten und Orchester im November 2018 könne der Freundeskreis nur einen überschaubaren Beitrag leisten. So waren die Vorstände von Karlheinz Schaumburgs neuer Idee "Hörstunde für geistliche Vokalmusik - Eine Schatzsuche" überzeugt. Vorgestellt und von Tonträgern wiedergegeben werden sollen wenig oder gar nicht bekannte Werke, ganz oder in Abschnitten, in lockerem Rahmen bei Kaffee, Gebäck und Gelegenheit zum Gespräch.
Jetzt kam zum ersten Mal eine interessierte Runde im Johannes Pistorius-Haus zur Hörstunde zusammen - nicht ohne Spannung, was Schaumburg wohl präsentieren würde. Er hatte die Aufnahme einer spätbarocken Messe mitgebracht, gesungen vom Zwerenberger Vokalensemble mit Solisten und Orchester unter Leitung des Friedberger Kirchenmusikers Ulrich Seeger. Diese Messe in G-Moll schrieb der Komponist Johann Adolf Hasse (geboren in Hamburg 1699) noch in seinem Todesjahr 1783 in Venedig. Die Komposition ist vielleicht der letzte Baustein in Hasses respektablem Lebenswerk von 14 Konzerten, elf Messen und über 60 Opern. Schaumburg spielte einen Abschnitt aus der Hasse-Oper "Viriate" ein, gesungen von der Sopranistin Simone Kermes, eine reich verzierte Koloraturarie, Beispiel für den damals weit verbreiteten Typ der Opera seria mit den Arien als Ausdruck der Emotionalität, den secco-Rezitativen als Träger der Handlung.
Mit der Werk-Leben-Skizze von Hasse gelang es Schaumburg, zugleich ein Zeitbild europäischer Musik des Spätbarock zu geben. Der Komponist hatte eine schöne Tenorstimme und bei der Premiere seiner ersten Oper 1721 in Braunschweig sang der 22-jährige selbst die Titelrolle. Jahre am Hof von Neapel folgten, wo er zu einem der beliebtesten Opernkomponisten Italiens wurde und 1730 die Sängerin Faustina Bordoni heiratete. Drei Jahrzehnte verbrachte das Paar am Dresdener Hof und formte das Opernpersonal zu einem Spitzenensemble. Im Siebenjährigen Krieg wich Hasse mit seiner Familie nach Prag und Wien aus, bewegte sich offensichtlich in einem europaweiten "Netzwerk bekannter Komponisten", hatte kaum Schwierigkeiten, andere lukrative Anstellungen zu finden und verbrachte ab 1773 mit seiner Frau den Lebensabend in Venedig.
Nach einer kurzen Information zur liturgischen Form der Musikmesse spielte Schaumburg zunächst das nachdrückliche, vorwärtsdrängende Kyrie aus Hasse G-Moll-Messe ein. Beim folgenden Gloria fiel die klanglich fein differenzierte Orchesterbegleitung auf, gespielt mit historischen, bzw. Nachbauinstrumenten. Fanfarenartige Abschnitte erinnerten an die "himmlischen Heerscharen". Im Credo traten die unterschiedlichen Stimmlagen des leistungsstarken Chores hervor. Durch eine filigrane geheimnisvolle Orchesterbegleitung, durch verhaltene Stimmen zeichnete sich das Sanctus aus. Feine leichte Koloraturen prägten Einzel- und Chorpartien im Benedictus. Besonders beeindruckend das solistische Duett im Agnus Dei: Die Altlage war mit einem Sänger (Altus) besetzt, ein schöner Kontrast zur Sopranstimme. Dann blieben nur noch die Dankesworte des Freundeskreis-Vorsitzender Axel Kaiser und der Applaus der Zuhörer.
Am Donnerstag, 11. Oktober werden die Psalmvertonungen von Otto Nicolai (1810 - 1849) vorgestellt, am Donnerstag, 22. November Joseph Leopold Eyblers Requiem in C-Moll, jeweils um 18 Uhr im Johannes Pistorius-Haus. Der Eintritt ist frei, interessierte Zuhörer sind willkommen.
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