Von Inge Schneider
(NIDDA/ka) - Mit stehendem Beifall und Bravorufen hat das Publikum in der Stadtkirche Nidda den Organisten, Komponisten und Universitätsdozenten Professor Thierry Mechler für seine Interpretation der Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach gefeiert. Die über einstündige Aufführungdes 32-teiligen komplexen Werkes eröffnete eindrucksvoll die diesjährigen Konzerte der Reihe „Nidda in Concert“ unter dem Motto „Grazie und Gravität des Barock“ und beschloss zugleich die Orgelfestwoche zur Einweihung der neuen Eule-Orgel in der Stadtkirche.
Meisterwerk
Nach der Begrüßung durch Pfarrerin Hanne Allmansberger als Hausherrin sowie Martin Guth vom Kulturmanagement der Stadt Nidda entfaltete Thierry Mechler an der Orgel ein nicht all zu oft gehörtes Meisterwerk Bachscher Kompositions- und Variationskunst, das in seinem Aufbau den strengen Formalien der Barockmusik folgt, in seiner Komplexität jedoch eine Vielzahl zeitgenössischer und historischer Impulse aufnimmt sowie zugleich auch voraus in die Moderne weißt. Die Goldberg-Variationen verlangen dem Organisten aufgrund dieser Gegebenheit wie auch aufgrund ihrer Aufführungsdauer ohne Pause ein Maximum an Konzentration, Flexbilität sowie physischer und mentaler Präsenz ab.
Thierry Mechler meisterte die Herausforderung erwartungsgemäß mit höchster Brillanz, dabei mit einer gewissen Leichtigkeit und Transparenz, welche die elsässische Heimat des heutigen Dozenten an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln sowie Organisten und Orgelkustos der Kölner Philharmonie erahnen ließen. Als ehemaliger Lehrer der Niddaer Dekanatskantorin Katrin Anja Krauße verfügt der Meister zudem gleichsam über einen direkten Draht in die Region – eine weitere Tatsache, die ihm, neben der uneingeschränkten Bewunderung für sein Spiel, die Herzen des Publikums zufliegen ließ.
Die Goldberg-Variationen, erstmals gedruckt 1741 und gemäß einer Anekdote von Bach zu Übungs- und Unterhaltungszwecken für den Cembalisten Johann Gottlieb Goldberg komponiert, wird streng gegliedert mit einer 32-taktigen Aria begonnen und beschlossen. Jede dritte der zwischen dieser musikalischen Klammer enthaltenen sehr unterschiedlichen 30 Variationen enthält einen Kanon, dessen Stimmintervalle vom perfekten Einklang über Sekunde, Terz und Quarte bis hin zur None aufsteigend angeordnet sind. Die 16. Variation, eine „Ouverture“ markiert den Beginn des zweiten Teils, die Zahl der insgesamt vorgetragenen 32 Melodien entspricht wiederum den Takten der rahmengebenden Aria.
Formen und Gattungen
Innerhalb dieser streng geordneten Struktur wiederum findet sich eine Fülle musikalischer Formen, Gattungen und Satztypen, von der tänzerischen, aber würdevollen Polonaise (Variatio 1), über den den Passepied (4), die lebhafte, geradezu gesprungene Gigue (7) sowie eine Sarabande (26) mit zweierlei Taktarten für beide Hände, auch das Überkreuzen der Rechten und Linken wird an diversen Stellen gefordert. Daneben finden sich kleine Fugen, liedähnliche, romantische Phasen, Choralanklänge, eine Toccata in Variatio 29, ein dramatisches Lamento in Moll (21 und 25), Bravourstücke und nicht zuletzt das atemberaubende Quodlibet in der Variatio 30, das den kompositorischen Einfallsreichtum des Werkes noch einmal bündelt und dem Höhepunkt entgegentreibt, bevor die schlichte Aria des Anfangs das Ausnahmeopus beschließt.
Unter Thierry Mechlers Händen entfaltete die neue Orgel der Stadtkirche unwiderstehlichen Glanz, klang abwechselnd wie ein ganzes Ensemble von Streichern, Flötisten oder Trompetern, flüsterte sanft wie Harfe und Gitarre, gemahnte gelegentlich vorausdeutend schon an so etwas wie Jazz- oder Filmmotive und fand dann wieder zur Grazie und Gravität des Barock zurück. Nach den Standing Ovations, die Mechler mit abwechselnd auf das Herz gelegten und dann auf die Orgel weisenden Händen entgegennahm, folgte noch eine seiner berühmten Debussy-Improvisationen, die das Instrument und den Meister noch einmal von einer ganz anderen Seite zeigten und erneute Beifallsstürme hervorriefen.
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