Quelle - Kreis-Anzeiger - 8.06.2017
(NIDDA/em) - Nicht jeder Abschied muss traurig sein: Mit einem anspruchsvollen Konzert samt den sprichwörtlichen Pauken und Trompeten und einem vergnügten Sommerabend-Beisammensein im Pfarrgarten verabschiedete sich die evangelische Kirchengemeinde von ihrer bisherigen Orgel. Sie wurde 1930 gebaut, 30 Jahre später erweitert und vorrangig zur Begleitung des Gemeindegesangs gedacht. Die neue, derzeit in der Werkstatt der Firma Eule in Bautzen in Bau befindliche Orgel wird sie an Klangschönheit und Vielseitigkeit als Gottesdienst- wie als Konzertinstrument weit übertreffen. Im Gottesdienst am Sonntag Cantate 2018 soll die Eule-Orgel zum ersten Mal zu hören sein. Dass die alte Orgel vielleicht nach St. Petersburg geht, sagte Pfarrerin Hanne Allmansberger in ihrer Begrüßung.
Stimmungsnuancen
Jetzt zeigte Dekanatskantorin Katrin Anja Krauße trotz aller Schwächen des älteren Instrumentes noch einmal die Klangfülle von Orgelmusik. In barocken Werken für Trompete und Orgel spielten die international bekannten Musiker Mark Marton und Viktor Spath sowie Oliver Reitz (Pauken) mit.
So erklang eingangs die Sonata à 5 für zwei Trompeten und Orgel von Alessandro Melani. Ein Werk voll barocker Gestaltungsfreude in unterschiedlichen Stimmungsnuancen der Sätze. Johann Sebastian Bachs dunkles, verhaltenes Praeludium und die Fuge in G-Dur, ein homophon beginnendes, sich reich entfaltendes Stimmenspiel, trug Krauße vor. Ein Dankchoral mit Fanfaren (fast) als Triumphmarsch folgte: Sigfrid Karg-Ehlert hatte Anfang des vergangenen Jahrhunderts „Nun danket alle Gott“ für zwei Trompeten, Pauken und Orgel in eine machtvolle Komposition verwandelt.
Samuel Scheidts Variationen zu „Ei, du feiner Reiter“ bleiben doch dem Volksliedton des Originals verwandt. Das unterstrich Krauße auf der Orgel mit Trompeten- und Flöten-Registern, und Hanne Allmansberger las die Verse des zärtlichen Liebesliedes. Petronio Franceschini schrieb die frühbarocke Sonate für zwei Trompeten und Orgel in vier Sätzen. Ähnlich wie bei der Melani-Komposition war eine Fülle von Imitationen und Variationen der Instrumentalstimmen zu hören. Bewundernswert die Intonation und Präzision, der fein abgestimmte Zusammenklang, den die Spieler selbst den filigransten Verzierungen gaben.
Verhalten begann die Orgel eine Gavotte von William Boyce, ehe die Pauken schwungvolle Rhythmen und Wirbel einbrachten – ein Hauch effektvoller höfischer Grandezza. Beeindruckt waren die Zuhörer von Zoltán Kodálys „Drei Epigrammen für Orgel“, kleinen, aber hochintensiven Werken der klassischen Moderne. Sie waren zudem ein weiterer Beweis für Kraußes souveränes Orgelspiel: verträumt, liedhaft das erste, in schwermütigem Moll das zweite, hell, fast gläsern das dritte.
Allmansberger las Josef von Eichendorffs Verse „Der Dichter“. Die dort angesprochene „Freude, die Gott wunderbar ins Herz gelegt“, die dankbare Lust, kreativ zu sein, kann gewiss auch für Komponisten gelten.
Der Suite No. 1 of Trumpet Voluntaries von John Stanley mit kräftigen Melodiefiguren der Trompeten vor dem Echo der Orgel folgte eindeutig der Höhepunkt des Konzerts: die „Suite gothique“ von Léon Boëlmann, 1895 komponiert. Der Introduktion folgte ein eigentlich anachronistisches Menuet gothique und dann ein wunderbar verhaltenes, andächtiges „Prière à Notre Dame“ – das war wahrhaft spirituelle Musik. So beeindruckt war das Publikum, dass es zwischen den Sätzen spontan klatschte und Krauße die abschließende Toccata erst danach spielen konnte. Noch einmal war festlich-höfische Barockmusik zu hören: die Suite in D aus Georg Friedrich Händels „Wassermusik“ erklang.
Die Dankesworte von Pfarrerin Allmansbergers und der stehende Applaus samt Bravo-Rufen des Publikums beschlossen das Konzert. Die Kollekte war für das Orgelkonto bestimmt. Aber auch der Kirchenschmuck von Dietmar Kaiser mit grünen Zweigen und von Annemarie Fischer-Müller mit einem bildschönen, großen Altargesteck zeigte, wie sehr sich die Gemeinde mit diesem Vorhaben identifiziert. Georg Wegner und Rudolf Allmansberger hatten im Pfarrgarten ein deftiges Picknick mit Gegrilltem, Spundekäs und Brezeln vorbereitet.
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