Seit 40 Jahren ist Hans Martin Kaiser in Ober-Widdersheim und Borsdorf Organist

 

 

(OBER-WIDDERSHEIM/ka) - Orgelmusik ist am Ostermontag, 2. April, beim Festgottesdienst (Beginn 14 Uhr) in der Ober-Widdersheimer Kirche unverzichtbar: Hans Martin Kaiser kann sein 40-jähriges Jubiläum als Organist in der evangelischen Kirchengemeinde Ober-Widdersheim und in Borsdorf feiern, ein Empfang im Bürgerhaus wird sich anschließen. Er ist seit Jahrzehnten aktives Mitglied des Gesangvereins Eintracht Fidelio Ober-Widdersheim im Männer- und im Gemischten Chor, zudem im Ensemble KoPeKa. Im Gespräch mit dem Kreis-Anzeiger wurde deutlich, dass sich die Freude an der Musik wie ein roter Faden durch das Leben des 56-Jährigen zieht.

 

 

Kreis-Anzeiger: Waren es die familiären Vorbilder, die Sie zum Musizieren gebracht haben? Ihr Vater, Ihr Onkel sind langjährig aktiv im Gesangverein Eintracht Fidelio.

 

Hans Martin Kaiser: Die Verbindung besteht noch länger, meine beiden Urgroßväter waren Fidelio-Sänger, meine Großväter ebenfalls. Der eine hat Tenorhorn gespielt, der andere Geige und Trompete. Singen ist mir von klein auf vertraut. Beim großen Gesangvereinsjubiläum 1967 habe ich als Fünfjähriger begonnen, im Fidelio-Kinderchor mitzusingen.

 

Wie kamen Sie zum Orgel spielen?

 

Auf dem Umweg über das Klavier. Von 1969 bis 1977 habe ich Klavierunterricht bei Fritz Reichl gehabt. Er war Lehrer und Organist in Ober-Widdersheim. 1977 hat er mich auf die Empore mitgenommen und mir die Orgel von ihrem ganzen Aufbau her gezeigt – in der Absicht, mich als Nachfolger zu gewinnen. Anfangs habe ich dann 14-tägig im Wechsel mit Vivian Behrens (heute Lange) gespielt, dann habe ich den Organistendienst ganz übernommen. Auch die Borsdorfer Kirchengemeinde gehört dazu.

 

Hat Ihnen der Unterricht bei Reichl – erst Klavier, dann Orgel – Freude gemacht? Oder waren Sie manchmal in der „Keine Lust mehr“-Phase, wie es Jugendlichen häufig geht?

 

Nicht bei Reichl! Er hat mich mit eisernem Willen und schützender Hand geführt. Noch heute höre ich ihn sagen: „Buch zu!“ Das war dann der Start zum Improvisieren, und wenn es mir besonders gut gelungen ist, kam von ihm: „Du bist ein echtes Staatsstück!“

 

Haben Sie Weiterbildungsmöglichkeiten genutzt?

 

Ich habe die D-Prüfung erfolgreich abgelegt und einige Jahre bei Dekanatskantor Werner Jahr in Friedberg weiteren Orgel- und Cembalounterricht gehabt. Das war sehr anregend, ich habe in überschaubarem Umfang mit dem Komponieren begonnen. Auf der neuen, barock gestimmten Orgel in der Stadtkirche Friedberg zu spielen, war Herausforderung und Freude zugleich.

 

Dem romantischen Komponisten Johann Heinrich Christian Rinck gehört Ihre große Vorliebe, sind Mitglied in der Rinck-Gesellschaft Darmstadt, die sein Werk lebendig erhalten will.

 

Die Rinck-Aktivitäten kamen erst später, vorher begannen die gemeinsamen Musikfahrten mit meinem Vater, noch heute fahren wir manchmal zu besonderen Konzerten. Zunächst hatte ich noch keinen Führerschein, später haben wir auf langen Strecken abgewechselt. Wir waren in Eisenach, im Bach- und im Luther-Haus, auf der Wartburg, haben uns Silbermann-Orgeln in Thüringen angehört, im Freiberger Dom. In Dresden haben wir die Ruine der zerstörten Frauenkirche gesehen, wo man eben anfing, die Steine zu nummerieren und zu sortieren. Wir sind Mitglieder im Förderkreis Frauenkirche geworden. Später sind wir auch nach Straßburg gefahren und haben die Silbermann-Orgel in St. Aurélie kennengelernt. Auf der Hauptorgel in der Thomaskirche Straßburg, von Silbermann gebaut, aber inzwischen verändert, hat schon Mozart gespielt, die Chororgel ist nach Plänen von Albert Schweitzer angefertigt.

 

Haben Sie nur meisterlich gebaute Orgeln kennengelernt – oder auch faszinierende Menschen?

 

Beides – große Orgeln, große Talente. Zum Beispiel Ludwig Güttler, Dirigent und Startrompeter, mit dem ich nach einem Konzert in Kloster Arnsburg ins Gespräch kam. In Leipzig kam ich in Kontakt mit dem Sohn des Thomaskantors Günther Ramin. Ich habe ihm einen Tag lang beim Sortieren von Noten geholfen. Engeren Kontakt hatte ich mit dem Bratschenvirtuosen und Komponisten Paul Angerer, dem Gründer des Consilium Musicum. Ein Forum des Kontaktes und des Austauschs ist auch die Rinck-Gesellschaft. Dort habe ich den Gründer des Bach-Chores Siegen, den Kirchenmusiker Ulrich Stötzel, kennengelernt.

 

Sie haben vom Improvisieren gesprochen. Haben Sie manchmal auch zu komponieren versucht?

 

Aber sicher! Ich habe mir schon als Kind gern Melodien ausgedacht. Als ich bei Werner Jahr in Friedberg Orgelunterricht hatte, hat er mir öfters Themen gestellt. Ich habe dann „Schaffenszeit“ von ein paar Wochen mit ihm ausgemacht. Einmal habe ich zwischen August und Dezember aus einem vorgegebenen Thema eine dreistimmige Fuge komponiert und ihm vorgespielt – das war mein Gesellenstück!

 

Rincks Komposition „Abend wird es wieder“ hat mich inspiriert. Ich habe selbst ein Abendlied getextet: „Wenn die Abendglocken läuten /Wird es still in Wald und Feld. Wenn sie klingen, wenn sie singen/ Friede herrscht auf dieser Welt.“ Dann habe ich einen vierstimmigen Chorsatz dazu geschrieben, der zu meiner Freude im Fidelio-Chor gesungen wurde.

 

Konnten Sie manchmal auch auswärtige Orgeln ausprobieren?

 

Ja, ich begleite bei Beerdigungen in Nidda auf dem Harmonium und konnte schon auf Orgeln der Partnerstädte Cromer und Crest spielen. Aber besonders gern erinnere ich mich an die Highlights. An den Kontakt mit dem Ruhestandspfarrer Klaus Scheuermann zum Beispiel, einem großen Orgelliebhaber, der in Hirzenhain die kleine historische Orgel wieder rekonstruieren und einfügen ließ und den schönen Prospekt der Stumm-Orgel Alzey in die Kirche holte. Mit ihm habe ich ein gemeinsames Konzert gegeben. Er spielte die kleine Chororgel und ich die große Emporenorgel.

 

Lauter ernste Musik – haben Sie manchmal Lust, etwas anderes zu spielen? Jazz? Pop? Oder gar Heavy Metal?

 

Auf gar keinen Fall! Kompositionen der Klassik, Romantik, Kirchenmusik, Chorgesang – das ist meins! Dabei will ich bleiben!

 

Gibt es neben der Musik auch noch eine andere große Leidenschaft in Ihrer Familie?

 

Den Fußball! Auch wenn mich das manchmal in Konflikte stürzt. Ich bin sowohl Fan von Eintracht Frankfurt als auch von Bayern München. Wenn die gegeneinander spielen und das erste Tor gefallen ist, schalte ich den Fernseher ab. Ich halte das nervlich nicht mehr aus!