Ungewöhnliche Veranstaltung

In der Kirche Schwickartshausen wurde ein Stummfilm gezeigt, der mit Musik untermalt wurde

(SCHWICKARTSHAUSEN/em) - Eine Begegnung mit Film- und Passionsgeschichte bot sich in der evangelischen Kirche Schwickartshausen. Gezeigt wurde der deutsche Stummfilm „Der Galiläer“, 1921 bei den Passionsspielen in Freiburg in Breisgau gedreht, die wohl am Vorbild Oberammergau orientiert waren. Kirchenmusiker Krystian Skoczowski, Dozent an der Universität Köln und am Institut für Kirchenmusik im Bistum Mainz, hatte den Film entdeckt und begleitete jetzt die Vorführung mit Orgelmusik. Auf hoher Qualitätsebene erinnerte dies an die unentbehrliche Pianobegleitung der Stummfilmzeit.

 

Der Film beschreibt in fünf Akten die letzten Lebenstage Jesu bis zur Kreuzigung und einem verhaltenen Moment der Auferstehung. Regie führte Dimitri Buchowetzki, Schauspieler und Regisseur des Moskauer Künstlertheaters, der nach der Revolution einige Jahre in Deutschland lebte und arbeitete, wo ihm unvergessene Klassikerverfilmungen gelangen. Seine Stärke sind die monumentalen Massenszenen, die Zeichnung der gebrochenen Figuren: des ambivalenten Judas, der sich zum Verrat verführen lässt, des Pilatus, der klar die Unschuld Jesu erkennt, aber nicht von seiner amtlichen Korrektheit abweichen will und lieber an einem Justizmord teilhat.

 

 

Die deutsche Filmfassung ist verschollen, der Film wurde in den Niederlanden rekonstruiert und mit deutschen Zwischentiteln versehen. Die Bildszenen sind in einer eigenartigen sepia-braunen Tönung, die dem Geschehen etwas Mystisches gibt.

 

Offensichtlich inspirierte der Film den leidenschaftlichen Musiker Skoczowski zu einer Orgelbegleitung, zum Teil mit eigenen Improvisationen, die die Wirkung der Bilder erheblich steigert. Er begann als Ouvertüre mit einem Abschnitt von Franz Liszts Variationen über Johann Sebastian Bachs Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“. Stimmungselemente von leiser, schmerzlicher Trauer wechselten mit solchen des dissonanten Aufbegehrens. Das Werk tauchte in späteren Abschnitten noch zweimal auf. So wurde auch der scheinbar triumphale Einzug in Jerusalem mit dem gregorianischen Choral des Palmsonntags begleitet, die Heilungsszene eines Blinden eher ruhig dargestellt. Kurz eingeblendet dann eine Verführung: Die Hohepriester, dargestellt als skrupellose Machtmenschen, überreden Judas zum Verrat. Die Abendmahlsszene orientierte sich an Leonardo da Vincis Bild, von Skoczowski begleitet mit Choralzitaten aus „Beim letzten Abendmahle“. Die Einsamkeit Jesu neben den schlafenden Jüngern in Gethsemane wurde mit dem klagenden „O Haupt voll Blut und Wunden“ unterstrichen, kontrastierend dazu der Tumult bei der Gefangennahme und dem dreimaligen Urteilsspruch der Hohepriester.

 

 

Kontraste auch bei der Pilatusszene, unterlegt mit Improvisationen des innigen Passionsliedes „Herzliebster Jesu“, dagegen stand der Tumult des aufgehetzten Mobs, der sich für die Freilassung des Mörders Barrabas entschied.

 

Abschnitte aus Johannes Brahms Choralzyklus „O Haupt voll Blut und Wunden“, gedehnt und weltabgewandt, spiegelten die Mühsal des Kreuzwegs. Skoczowski ging in die Liszt-Variationen über, ehe die Golgathaszene mit häufigen Schwarzphasen des Bildes nach dem Tod Jesu in die apokalyptischen Visionen des Evangelientextes wechselte. Eine Stärke des Films: Nur andeutungsweise waren zum Schluss das leere Kreuz, die wiedergekehrte Gestalt Jesu zu sehen. Skoczowski spielte bewusst Zitate des Chorals „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, beschloss den Film eher mit einem Akzent von Ergebung. Es war einen Augenblick still in der Kirche, ehe das Publikum mit Beifall dankte.