(WALLERNHAUSEN/em) - Der Initiator des Oberhessischen Orgelsommers, der Kirchenmusiker Krystian Skoczowski, verbindet mit der anspruchsvollen Reihe das Ziel, die Aufmerksamkeit auf „vielfältige und beachtenswerte Beispiele der Orgellandschaft Oberhessen“ zu lenken. Nun stellte er in der evangelischen Kirche Wallernhausen die „Auftaktorgel“ dieser vierten Reihe vor. In der Licher Firma Förster & Nicolaus 1906 mit zwei Manualen und einem Pedal gebaut, wurde sie in einen von Johannes Bien (Blankenau) um 1720 gebauten Orgelprospekt eingefügt, der älter ist als die 1738 erbaute Kirche. Was die Zuhörer beeindruckte, war die Übereinstimmung des Orgelprospekts mit dem Kirchenraum, beide im bäuerlichen Barockstil, in kräftiger, harmonischer Farbgebung. Pausbäckige Engel lächeln vom Prospekt, üppige Blattgewinde fassen die Pfeifen ein, Trauben hängen am Sockel.
Bei dem ersten Konzert spielte die Niddaer Dekanatskantorin Katrin Anja Krauße. Sie begann mit Johann Sebastian Bachs Fantasia super „Komm, heiliger Geist“. Aus der Choralmelodie heraus entfaltete sich ein reiches Stimmenspiel mit fugierten Abschnitten, auf dieser pneumatischen Orgel etwas kompakter, weniger an das „Wehen und Hauchen“ des Geistes erinnernd als bei anderen Kompositionen, die ebenfalls vom Pfingstchoral ausgehen.
Der schöne Klang des Dolce-Registers der Orgel wurde bei Josef Gabriel Rheinbergers „Intermezzo – Fuga cromatica“ deutlich. Diese konzertante Komposition ist eine von Rheinbergers 20 Orgelsonaten. Einem verhaltenen Beginn schließt sich ein melodiöses Grundthema an, das immer wieder zwischen Abschnitten in gedämpfter, manchmal sich ins Schmerzliche wandelnden Harmonik aufscheint. Mit einer Fuge und der Rückkehr zum Grundthema schließt die Sonate, die Krauße auch zum Teil mit dem Konzertflöten-Register spielte.
Beispiele aus der französischen Orgelliteratur folgten mit Felix Alexandre Guilmants Allegretto opus 19, Nummer 3 und Verset-Fantaisie opus 19, Nummer 5. Sein Werk wird einem romantisch-sinfonischen Stil zugeordnet. Oder eher „Kammermusik auf der Orgel“? Das war naheliegend beim Hören des anmutig-bewegten Allegrettos mit häufigen Modulationen, über längere Passagen mit einer dunklen gleichmäßigen Unterstimme unterlegt. Dann traten abschnittweise einzelne Stimmen hervor, die in einen melodischen Dialog mündeten. Verspielter noch, mit schönen Akkordklängen war die Fantaisie zu hören.
„Nun danket alle Gott“ von Siegfried Karg-Ehlert war in einer ganz anderen Tonsprache verfasst: kräftig, festlich, mit strömenden Passagen, die fast schon an Klangflächen erinnerten. Elemente des Chorals tauchten wieder auf, dann ganz feine, leise Variationen und ein fast fanfarenähnlicher Schluss.
Felix Mendelssohn-Bartholdys Orgelsonate Nr. 3 in drei Sätzen folgte nach der Pause, ein Werk, dem man die Inspiration des Komponisten durch Johann Sebastian Bach anmerkt. Motive des Lutherchorals „Aus tiefer Not“ waren im ersten Satz zu entdecken. Strahlend helle und dann wieder gedämpfte Passagen wie auch fugierte Abschnitte wechselten in dieser freien Sonatenform ab.
„Dance with me“ des zeitgenössischen Komponisten Michael Schütz, geboren 1963, erwies sich als vitales kleines Werk mit antreibendem Rhythmus, einer raschen, immer heller und beschwingter werdenden Tanzmelodie in wechselnden Klangfarben.
Reizvolle Echoeffekte, häufige Modulationen, helle und dunkle Klangfarben und ein sehr graziöses, abschließendes Allegro brillante fielen in den „Versetti per il Gloria“ von Vincenzo Petrali auf. Auf den langen, anerkennenden Beifall für ihr Spiel reagierte Krauße mit einer Zugabe: einem Andante von Felix Mendelssohn-Bartholdy.