DORFCHRONIK: Zur Feier der urkundlichen Ersterwähnung vor 1000 Jahren bringt Wingershausen eine Chronik heraus
Quelle: Kreis-Anzeiger 2.08.2016
(WINGERSHAUSEN/ (sw) - „Nun liegt sie vor!“ Eine gewisse Erleichterung war den Worten Wilhelm Schuchards zu entnehmen. Mehr als sechs Jahre sind vergangen, seit die evangelische Kirchengemeinde des Schottener Stadtteils Wingershausen eine Ortschronik angestoßen hat. „Es war ein langer Weg“, meinte Schuchard im Dorfgemeinschaftshaus, als vor rund 60 interessierten Besuchern die Chronik der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Ortsvorsteher Harald Brittner erinnerte an die Anfänge. „Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir eine umfangreiche Dorfchronik überhaupt brauchen. Aber dann haben wir gesagt: Wenn nicht zur 1000-Jahr-Feier – wann dann?“, sagte der Ortsvorsteher. Am kommenden Wochenende findet ein großes Fest in Wingershausen statt. Anlass ist die erste urkundliche Erwähnung des Kirchspiels Wingershausen im Jahr 1016. Der Ort selbst dürfte noch älter sein, verbriefte Aufzeichnungen sind aber nicht bekannt.
Erste wichtige organisatorische Maßnahme war die Gründung des Arbeitskreises Historie, der 2012 seine Arbeit aufnahm. Dazu gehörten neben Wilhelm Schuchard noch Georg-Peter Hagedorn, Irmgard und Katharina Weber, Armin Horst und Wolfgang Zenk. Wissenschaftliche Unterstützung leistete der Historiker Christian Vogel. Peter Maresch machte sich als ehrenamtlicher Lektor verdient. Zudem arbeiteten Gisela Zenk, Erika Simon, Erco von Dietze, John Porter und Günther Lehmann mit.
In mühevoller und zeitaufwendiger Kleinarbeit entstand ein Werk, das im DIN-A4-Format 312 Seiten umfasst. Neben vielen Textseiten sind zahlreiche Schwarz-weiß- und Farbfotos zu finden, darüber hinaus Drucke historischer Urkunden, Flurkarten, Ortspläne und handschriftlich verfasste Aufzeichnungen. Das in der Geschichtswerkstatt Büdingen in einer Auflage von 300 Stück gedruckte und gebundene Buch kostet 16,50 Euro. „Wir mussten den Spagat vom Hochmittelalter bis zur Neuzeit leisten“, sagte Schuchard. In zahlreichen Archiven wurde recherchiert, etwa in den Hessischen Staatsarchiven in Marburg und Darmstadt und dem Bayrischen Staatsarchiv in Würzburg. Viele Quellen fanden sich auch im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, im Stadtarchiv Schotten und im Kirchenarchiv der evangelischen Kirchengemeinde Wingershausen. Groß war die Unterstützung seitens der Einwohner bei der Erstellung der Haus- und Familiengeschichten.
Finanziert wurde die Chronik mit Mitteln aus dem IKEK-Programm und von der Stadt Schotten. Weiterhin trugen Spenden zum Erfolg des Projektes bei, Werbung findet man hingegen nicht. Die Texte wurden von insgesamt 24 Autoren verfasst. Herausgeber ist die Stadt Schotten, die Titelseite zeigt ein Bild der Kirche von Wingershausen, das Willi Simon gemalt hat.
Peter Maresch stellte die inhaltlichen Schwerpunkte von „Wingershausen – Kleines Dorf mit großer Vergangenheit“ vor. Das Buch ist nach der Vorstellung des neuen Ortswappens in fünf Abschnitte eingeteilt. Teil eins befasst sich mit der Geschichte des Ortes. Dort findet sich ein nach Jahreszahlen geordneter zeitlicher Abriss. Detailliert wird auf die von Erzbischoff Erkanbald im Jahr 1016 vorgenommene Weihe der Kirche eingegangen. Beschrieben werden die Grenzen des damaligen Kirchspiels, das von Wingershausen über Eichelsachsen, Eschenrod, Busenborn, Breungeshain sowie Burkhards, Kaulstoß und Sichenhausen bis nach Herchenhain und Hartmannshain reichte. Daneben umfasste es am linken Niddaufer Teile der Gemarkungen Rudingshain, Schotten, Rainrod und Eichelsdorf. Die Grenzbeschreibung findet sich im Codex Eberhardi, einem etwa um 1150 erstellten Verzeichnis der zahlreichen Güter des Reichsklosters Fulda, dem die Pfarrei Wingershausen unterstellt war. Lesenswerte Beiträge sind jene über das Gericht Burkhards, den Dreißigjährige Krieg, Naturkatastrophen und über die Pfarrer, Lehrer, Schultheißen, Bürgermeister und Ortsvorsteher des Dorfes.
Der zweite Teil der Chronik befasst sich mit den Bauwerken Wingershausens, insbesondere mit der Kirche, dem Pfarrhaus und dem Konfirmandensaal, dem heutigen Gemeindesaal. Neben der vier Mühlen am Eichelbach nimmt die Geschichte der Häuser und ihrer Familien als das „Herzstück“ der Chronik breiten Raum ein. Detailliert beschrieben und reichlich mit alten und aktuellen Fotos dokumentiert kann der Leser den Werdegang der Familien zum Teil bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Rund 50 alte Dorfnamen, geordnet nach Straßen und Hausnummern, sind aufgelistet. „Sterwelches“, „Woidkessis“, „Onnebekesch“, „Schoschefesch“ oder „Omellesch“ – welche Familien sich dahinter verbergen, ist in der Chronik detailliert beschrieben.
Den Sitten und Gebräuchen ist ein weiteres Kapitel gewidmet. Themen sind etwa die „Lange Nacht“, Kirmes, Hausschlachtungen, Brotbacken oder Waschtag. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Dorfgemeinschaftshaus geschenkt, das – 1964 eingeweiht – in den Anfangsjahren samstags als zentraler Badeort der Dorfbewohner diente.
Im vierten Kapitel werden die Wingershäuser Vereine vorgestellt. Erinnert wird an den 1950 aufgelösten Sportverein und an seine Bedeutung in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Weitere nicht mehr bestehende Vereine sind Kriegerverein, Lesevereine und Gesangvereine. Auch die 1982 gegründete Gymnastikgruppe junger Frauen hat sich 2014 wieder aufgelöst. Aktuell Teil des Vereinslebens sind der SV 1946 Eichelsachsen/Wingershausen, die Freiwillige Feuerwehr und die Jugendfeuerwehr, Landfrauen, Posaunenchor Wingershausen/Eichelsachsen und der Seniorenclub. Auch der Kirchengemeinde ist ein Abschnitt gewidmet.
Der fünfte Teil der Chronik widmet sich der Natur um Wingershausen und ihrer Pflege. Eichelbach und „Wingershäuser Schweiz“ werden beschrieben, die Arbeit des Kultur- und Landschaftspflegeverbandes, der Natur- und Vogelschutzgruppe sowie der Weinbergfreunde dem Leser vorgestellt.
Abschließend dankte Maresch dem Arbeitskreis und insbesondere Wilhelm Schuchard. „Für spätere Genrationen hat der Kreis einen Pflock eingeschlagen“, wertete der Lektor das in „unendlich vielen Stunden“ ehrenamtlicher Arbeit Geschaffene.
Festgottesdienst 1000 Jahre Wingershausen,
am Sonntag, 7. August 2016, 10 Uhr
(Predigt: Kirchenpräsident Dr. Volker Jung)
Evangelisches Dekanat Büdinger Land | Bahnhofstraße 26 | 63667 Nidda
E-Mail: Verwaltung
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Hintergrundbilder:
Vögel im Winter: © Hilke Wiegers / fundus-medien.de
Winterweg: © Stephan Krebs / fundus-medien.de
Rote Winteräpfel: © Hans Genthe / fundus-medien.de
Fußspuren im Schnee: © Rolf Oeser / fundus-medien.de