31.03.2016
Gastbeitrag von Richard Trunk, Bindsachsen
Rechtlich ist alles klar
Eigentlich ist juristisch diesmal alles so einfach. Artikel 16a Absatz I GG (Grundgesetz) bestimmt:
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Artikel 16a Absatz II GG: „Auf Absatz I kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft … einreist. Dass die EU als Rechtsgemeinschaft durch Recht lebt ist klar. Und Justitia ist blind, muss die Mitgliedstaaten und Menschen gleich behandeln, darf das Recht nie brechen. Justitia trägt ein Schwert. Ein Bruch von Unionsrecht bleibt nicht ungesühnt und wir haben einen Anspruch auf Einhaltung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die ich hier gar nicht alle aufzählen mag.
Recht wir zurzeit 1000fach gebrochen
Dieses Recht wird derzeit tausendfach gebrochen, allein schon durch Unterlassen der Eurodac-Registrierungen oder Weiterschicken in den Wunschstaat. Hier wird wieder einmal, nicht nur mein Rechtsempfinden erheblich gestört. Die Eurorettung lief nicht besser und dürfte in die Geschichte der Rechtsbrüche wohl schon eingegangen sein, genauso wie: „Wir schaffen das“; wobei da eher die anderen EU-Staaten und die vielen Ehrenamtlichen gemeint sein dürften. Ein großes Wort, nur nicht durchdacht und hoffentlich von dem guten Willen getragen, tatsächlich zu helfen. Nichts ist also leichter, als die faktische Aussetzung, z.B. der Dublin-Verordnung und des Schengener Abkommens und damit die zur Disposition gestellte Verbindlichkeit des Rechts anzuprangern. Was mich als „Rechtsliebhaber“ in meinem Beruf und meiner Stellung als Organ der Rechtspflege in einen Zwiespalt bringt.
Wahlloses Morden in Somalia
Da gibt es doch unbestreitbar über 40 Millionen Menschen auf der Flucht, nicht nur in Syrien. Ich möchte an dieser Stelle kurz über Somalia und Eritrea schreiben, wovon zurzeit einige Flüchtende in unseren Gemeinden leben. (Den geografischen Teil erspare ich mir, das könnt Ihr im Lexikon nachschlagen oder googeln und auf der Karte nachschauen.)
Somalia liegt am Horn von Afrika. Von den Piraten und Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes haben wir schon in den Nachrichten gehört. Die Bundesmarine patrouilliert. Das Land ist vermeintlich eine parlamentarische Demokratie, wobei es kein Gesetz für Parteien in diesem ausschließlich von sunnitischen Moslems bevölkertem Staat gibt. Die Hauptstadt ist Mogadischu (auch schon mal gehört: GSG-9 Einsatz im Zusammenhang mit der Entführung und Erstürmung einer Lufthansa Maschine). Horrorszenarien verursacht durch die gefürchteten selbst ernannten Milizen, wie Al-Shabab. Entführungen, Erpressungen, wahlloses Morden. Viel dringt nicht nach außen. Das Auswärtige Amt warnt halt vor Reisen. Die FAZ titelte am 09.01.2016 zu Eritrea: „Ein Bericht aus der Hölle“. Der Titel kurz, knapp und erschütternd, wobei ich derzeit keinen Unterschied zwischen den beiden Ländern ausmachen will.
Eriträa seit 25 Jahren eine Diktatur
Nur die wenigsten dürften wissen, dass Eritrea seit 25 Jahren von einem Diktator regiert wird, der sich erfolgreich gegen internationale Beobachter und ausländische Journalisten abschottet. Angeblich 50% Christen und 50% sunnitische Moslems. Auf der Rangliste der Pressefreiheit bei „Reporter ohne Grenzen“ belegt Eritrea seit Jahren den letzten Platz und wird oft als „Nordkorea Afrikas“ genannt. Informationen dringen von dort kaum nach außen, wohl auch, weil das kleine Land für den Westen wirtschaftlich nicht interessant ist. Ein UN-Bericht vom Sommer 2015 spricht von Tötungen, willkürlichen Verhaftungen, Folter und Vergewaltigungen. Menschen werden in Straflager, Erdlöcher oder Schiffscontainer gesperrt. Menschenrechtsbeauftragte: Fehlanzeige, weil der Diktator keine zulässt und sich durch quasi lebenslangen Militärdienst die absolute Kontrolle über sein Volk durch permanenten Ausnahmezustand und damit einhergehende Versklavung sichert. Die Berichte sind als glaubhaft einzustufen. Wer meckert verschwindet einfach ohne Prozess.
Ganz anders als alles, was hier Recht bedeutet und wie ich es verstehe.
Und dann der Gottesknecht Jes. 42
Beim Vorbereiten dieser Zeilen bin ich auf eine Bibelstelle gestoßen, die mich nicht ruhig ließ: Jesaja 42, 1-9 (Bitte wirklich laut lesen!), wobei mich die 2 ersten Verse aufhorchen ließen. Die Folgenden mit dem glimmenden Docht und dem geknickten Rohr kennt ja jeder sowieso. Aber der Gottesknecht hat es mir angetan, ausgesprochen von einem Namensvetter des eritreischen Diktators Isayas Afewerki. Dieser biblische Jesaja erwählt nicht nur ein Volk, sondern spricht auch persönlich eine Person als Erwählten an mit einem Auftrag, nicht etwa laut zu poltern, sondern das Recht (oder die Wahrheit) zu den Völkern hinauszutragen. Das gilt dann aber auch für jeden Einzelnen von uns, wie auch mich als Rechtskundigen und jetzt wird das also doch noch spannend und gar nicht mehr so einfach, wie am Anfang meines Textes. Also im wortwörtlichen Sinn den Ruf annehmen, in die Unterkunft (evtl. auf Einladung des Pfarrers), Aufgaben ergreifen, Zeit schenken und die Stimme für die erheben, die in Angst verstummt sind oder traurig und mutlos sind und vielleicht gerade Gottes Wort brauchen, auch wenn sie bis dahin nur wenig oder schlechte Erfahrung mit Gott gemacht haben.
Wow, was für eine Wendung auch in dem, was ich eigentlich habe Schrei(b)en wollen.
Ein tiefer Riss geht derzeit durch unsere Gesellschaft und meine Gedanken. Herr, gib uns Deinen Geist, lasse uns das Recht unter die Heiden bringen. Gib uns und auch mir die Kraft dazu und lass uns nicht scheitern. Amen.
Richard Trunk, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Notar, war Mitglied des Kirchenvorstandes Bindsachsen und ist nach wie vor Autor zahlreicher Beiträge im Gemeindebrief "miteinander" für Gelnhaar / Bindsachsen. - Dieser Beitrag ist in "miteinander", Ausgabe 20, März - Juni 2016, Seiten 10 und 11 zuerst veröffentlicht worden.
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