Es ist Sonntagmorgen in der Laubacher Stadtkirche. Sonnenstrahlen fallen durch die Kirchenfenster, die große Barockorgel erhebt ihre Stimme – und drei Menschen sitzen abwechselnd an der Orgelbank. Sie alle haben in den vergangenen Tagen gezeigt, wie viel Herzblut, Talent und Hingabe in ihnen steckt. Und am Ende dieser musikalischen Reise gibt es einen Sieger: Tyron Unger aus Schwickartshausen bei Nidda.
Seit 2012 lädt der Laubacher Orgelwettbewerb nebenberufliche Organistinnen und Organisten aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ein, ihr Können unter Beweis zu stellen. Er ist einzigartig: keine Profis, sondern Musikerinnen und, die maximal die C-Prüfung absolviert haben. Ein Wettbewerb, der mehr ist als ein Wettstreit
In zwei Runden mussten die Teilnehmenden ihr Können zeigen: erst das Literaturspiel, unter anderem mit Werken von Buxtehude und Brahms, dann das liturgische Orgelspiel mit selbst entworfenen Vorspielen und Begleitsätzen zu Chorälen. Musik, die tief aus dem Glauben und der Übung erwächst. Die Sicht auf die Spieler an der Orgel war verdeckt, sodass die Jury die Musiker nur hören, aber nicht sehen konnte. Die dreimanualige Barockorgel der Stadtkirche – ein Klangjuwel, dessen Ursprünge bis 1751 zurückreichen – wurde dabei zur Bühne für Königinnenmomente
Drei Musiker stellten sich der hochkarätigen Jury, bestehend aus Susanne Koch (Kirchenvorstands-Vorsitzende Laubach), Domorganist Prof. Hans-Jürgen Kaiser (Hochschule für Musik, Mainz), Prof. Stefan Göttelmann (Hochschule für Kirchenmusik, Heidelberg), Prof. Carsten Wiebusch (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Frankfurt) und Landeskirchenmusikdirektor Stefan Küchler (Zentrum Verkündigung der EKHN, Frankfurt).
Tobias Reichert (19) aus Darmstadt erreichte den dritten Platz. Kurz vor dem Start seines Kirchenmusikstudiums in Leipzig sagte er nach seinem Auftritt in Laubach: „Es hat Spaß gemacht, man hat etwas erreicht. Es war schön, hier dabei zu sein.“ Den Preis überreichte Bürgermeister Matthias Meyer: 250 Euro, eine Schmuckorgelpfeife und eine Urkunde.
Thorsten Conrady (46) aus Kronberg im Taunus holte den zweiten Platz – sein erster Wettbewerb überhaupt. „Ein sehr schöner Wettbewerb, herausfordernd. Richtig klasse, sehr hohes Niveau! Drei Tage lang hatte ich total viel Spaß“, schwärmte er. Den Preis übergaben Reinhold Hahn und Pfarrerin Carina Schmidt-Marburger, Mitglieder im Dekanatssynodalvorstand, im Namen des Evangelischen Dekanats Gießener Land: 500 Euro, eine Schmuckorgelpfeife und eine Urkunde.
Tyron Unger (16), der Jüngste in der Runde, begann in der 1. Klasse mit Klavier – auf eigenen Wunsch, obwohl niemand in seiner Familie musikalisch war. „Ich habe mich einfach angemeldet und meiner Mutter gesagt: Du musst nur noch bezahlen“, erzählt er lachend. Heute blickt er auf zehn Jahre Klavier- und fünf Jahre Orgelunterricht zurück. Seine Lehrerin Kathrin Anja Krauße bestärkte ihn, beim Wettbewerb anzutreten. „Es war nicht mein Plan“, sagt Tyron ehrlich. Doch seit Mitte der Sommerferien übte er intensiv. Lachend erzählt er von „betreutem Üben“ mit seiner Lehrerin – und davon, wie wichtig es ihm war, „Musik zu machen“ statt „nur Noten zu spielen“.
Seine Art zu spielen ist besonders: Tyron tritt in Socken an die Orgelbank. „So habe ich ein besseres Gefühl“, sagt er. Außer Orgel spielt er Geige, hat sogar mal Bratsche im Orchester gespielt. Privat hört er Pop, R’n’B und Rap. Gerade macht er die C-Ausbildung zum Kirchenmusiker: Orgelspiel, Chorleitung, Gregorianik, Musikgeschichte, Tonsatz. Die Theorie hat er bereits abgeschlossen, „mir fehlt nur noch das Orgelspiel.“
Trotz dieses Könnens bleibt er bescheiden. „Die anderen beiden haben ziemlich, ziemlich gut gespielt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich gewinne“, gab er nach dem Wettbewerb zu. Den ersten Preis überreichte ihm Stephan Müller von der Sparkasse Laubach-Hungen, auch im Namen der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen: 1000 Euro, eine Schmuckorgelpfeife und eine Urkunde.
Der Wettbewerb mündete in einen Festgottesdienst, in dem die drei Teilnehmenden selbst die musikalischen Akzente setzten. Die stellvertretende EKHN-Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, Schirmherrin des Wettbewerbs, hielt die Predigt – und sie wurde zu einer Ode an die Orgel. Sie beschrieb die Orgel als „Königin der Instrumente“ und „Brücke zwischen Gott und den Menschen: In einer Welt, die täglich vom Bösen gezeichnet ist, kann die Orgel ein Zeichen von Widerstand und Beistand sein. Sie bestärkt uns, gibt Hoffnung und Frieden“.
Möglich gemacht wurde dieser Wettbewerb durch die Unterstützung des Evangelischen Dekanats Gießener Land, der EKHN, der Sparkasse Laubach-Hungen, der Sparkassenstiftung-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, der Stadt Laubach als Luftkurort, der Orgelbaufirma Förster&Nicolaus und des Landkreises Gießen.