17. Juni 2025
Demnächst im Ruhestand: Kornelia Brückmann, Sozialarbeiterin, hat 41 Jahre im Evangelischen Dekanat gearbeitet. Foto: Judith Seipel/Dekanat Büdinger Land
Nach 41 Jahren im Evangelischen Dekanat wird Kornelia Brückmann am 4. Juli um 17 Uhr mit einem Gottesdienst in der Niddaer Stadtkirche in den Ruhestand verabschiedet. „Damit endet eine der längsten Beziehungen in meinem Leben“, bilanziert die 64-Jährige und verweist auf ihre etwas indifferente Gefühlslage: auf der einen Seite die Freude der Kreativen aufs Kochen, Gärtnern, Lesen und Werkeln, auf der anderen Seite die zweifelnde Frage der routinierten Sozialarbeiterin, was diese Veränderung in ihrem Alltag wohl mit ihr machen wird. „Es ist eine Zäsur, keine Frage. An manchen Tagen macht mir das zu schaffen.“
Aber eben nur an manchen Tagen, denn Kornelia Brückmann oder Konnie, wie alle, die mit ihr zu tun haben, sie nennen, ist ein pragmatischer Mensch. Den Plan, Jura zu studieren, gibt sie schnell auf, als sie sich länger mit dem Studiengang befasst. Ein jahrelanges Studium kommt für sie als BAföG-Empfängerin nicht in Frage. Kurzerhand entscheidet sie sich für Sozialarbeit „Das dauert nur drei Jahre“ – und zieht das in Frankfurt in der Regelstudienzeit durch.
Dass sie als erste und einzige ihrer Generation in der Familie Brückmann überhaupt studiert, ringt sie dem Vater ab. „Aber nur, wenn du als zweite Fremdsprache Russisch lernst“, macht der zur Bedingung fürs Gymnasium. Als 17-Jähriger wurde er gegen Kriegsende noch an die Ostfront geschickt. Dieses Erlebnis gräbt sich ein. Seiner einzigen Tochter gibt er deshalb mit auf den Weg: Es ist von Vorteil, wenn man Russisch kann. Die junge Frau hört auf den Vater, lernt Englisch und Russisch, dazu Latein und Griechisch und hat neben Biologie Religion als Leistungskurs.
Ihre Großmutter, die eine fromme Frau war, nimmt das Kind schon früh mit in die Kirche und auf den Friedhof und lehrt Kornelia das Beten. In der Auseinandersetzung mit dem strengen Vater, der ein waches Auge auf die Heranwachsende hat, schärft sie ihren Sinn für Gerechtigkeit und übt sich im Streitgespräch. Ihre Karriere „bei Kirchens“, wie sie es formuliert, beginnt nach der Konfirmation, klassisch mit Kindergottesdienst und Jugendgruppen.
Gegen Ende des Studiums lernt sie 1983 in Berlin vor einem Kino – „Es lief ,Harold und Maude‘.“ – den Biologiestudenten Stefan kennen, den sie drei Jahre später heiraten wird. Schnell macht sie ihm klar: „Nach Berlin ziehe ich nicht.“ Kornelia Brückmann hat ihre Wurzeln in Atzbach bei Wetzlar, Landwirtschaft im Nebenerwerb. Mit dem Leben auf der Großstadt-„Insel“ Berlin der 1980er Jahre kann sie wenig anfangen.
Ober-Widdersheim wird zum Lebensmittelpunkt. Sie hat mittlerweile eine Stelle im damals selbstständigen Dekanat Büdingen angetreten, arbeitet mit Familien und Frauen, begleitet und berät Alleinerziehende. Sie baut Krabbelgruppen in Kirchengemeinden auf, organisiert Treffs und Freizeiten, initiiert einen Tages- und Notmütterdienst. 1991 kommt Sohn Philipp zur Welt. Stefan Brückmann, der inzwischen promoviert, kümmert sich um Kind und Haushalt, seine Frau arbeitet weiter im Beruf. Das Leben der jungen Familie ist auf einem guten Weg.
Am 13. August 1993, einem Samstag, radeln die Brückmanns von einem Badeausflug an den Inheidener See zurück nach Hause. Nur kurz schaut Kornelia Brückmann einem Heißluftballon am Himmel nach – und stürzt. „Ich habe meine Beine nicht mehr gespürt und wusste, was das heißt.“ Komplette Querschnittlähmung. Von jetzt auf gleich steht das Leben Kopf.
Sie hadert nicht, zumindest nicht lange. Sie macht das, womit sie schon ihr ganzes Leben gut fährt: Sie schaut den Tatsachen ins Auge und nimmt an, was sie nicht ändern kann. „Gegen den Rollstuhl habe ich mich nie gewehrt“, sagt sie. Ihr erklärtes Ziel: „Ich will meine ganze Energie aufbringen und rausholen, was geht.“
Im November 1994 ist sie wieder an Bord. Behindern lässt sie sich von ihrer Einschränkung nicht. Die Freizeiten begleitet sie nun im Rolli. Die Organisation des Tages- und Notmütterdienstes allerdings muss sie aufgeben, dafür übernimmt sie neue Aufgaben. Kornelia Brückmann wird 2003 Gleichstellungsbeauftragte. Später dann, 2008 kandidiert sie für die Mitarbeitendenvertretung (MAV) des Dekanats Büdingen. Im mittlerweile fusionierten Dekanat Büdinger Land wird sie 2016 wieder MAV-Vorsitzende und bleibt das bis 2024. Außerdem wird sie in die Gesamt-Mitarbeitervertretung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gewählt. Die Arbeit mit Alleinerziehenden schrumpft deswegen auf einen geringen Stundenanteil zusammen.
Im Moment wickelt sie in ihrem Büro die vergangenen 41 Jahre ab. Jeden Tag ein bisschen. Effizient, wie sie nun einmal denkt, hat sie genaue Vorstellungen, wer was von ihren Materialien noch gebrauchen könnte.
Zum Rentenbeginn fahren Brückmanns nach Norwegen. Abstand gewinnen. „Wenn ich zurück bin, werde ich auch in meinem Rentnerdasein ankommen und schauen, was ich damit mache.“ (jub)
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