Frieden militärisch – kriegstüchtig werden

von Konrad Schulz

Si vis pacem para bellum. Wörtlich übersetzt lautet das lateinische Sprichwort: „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.“ Nur in einer Position der Stärke sah man sich geschützt vor Krieg und Unrecht. Kriege können auf ganz unterschiedliche Weise enden, sei es durch Kapitulation, militärisches Patt oder durch die Intervention Dritter.

 

Thomas Mann schreibt am 8.Mai 45: „Kapitulation Deutschlands erklärt. …Dönitz ordnet die Rückkehr der U-Boote zu ihren Basen an. Ausgeschlossen ist das Kommando von Prag, das rebelliert und den Kampf fortsetzt. Mitteilung an das Deutsche Volk: die Überlegenheit des Gegners an Menschen und Material zwinge zum Niederlegen der Waffen.“

 

Es kommt eher selten vor, dass eine Kriegspartei militärisch geschlagen ist und ihre Niederlage anerkennen muss. Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8.Mai 1945 in Rennes und einen Tag später in Berlin-Karlshost ist ein Beispiel dafür. Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Damit war die nationalsozialistische Gewaltherrschaft endgültig gebrochen. In der Tat war die vollständige militärische und politische Niederlage des Dritten Reiches seit 1943 oberstes Kriegsziel der Alliierten.

 

Der Philosoph Immanuel Kant sieht in seiner 1795 verfassten Schrift „Zum ewigen Frieden“ Krieg als eine der größten Geißeln der Menschheit, die nur durch eine gemeinsame internationale Rechtsordnung überwunden werden kann. Auch wenn Kant sich offensichtlich geirrt hat, dass liberale Demokratien per se friedlich sind, wie wir an zahlreichen Konflikten sehen können, so hat er doch zweifellos recht darin, dass wir nicht einfach auf die Zunahme der Friedensliebe hoffen können, sondern die gesellschaftlichen Voraussetzungen schaffen müssen, die real Frieden stiften: Das heißt ein formaler Friedensschluss reicht für einen echten dauerhaften Frieden nicht aus. Da müssen Feindbilder abgebaut und Vertrauen zwischen den Konfliktparteien geschaffen werden. So wie das zwischen den ehemaligen Erzfeinden Deutschland und Frankreich gelungen ist.

 

Auch mit den Russen waren wir auf einem guten Weg. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Putin den Prozess der Entfeindung gestoppt hat. Er sieht im Zusammenbruch der Sowjetunion eine Katastrophe. Russki Mir, die russische Welt, die Weltmacht Russland soll wiedererstehen. Dazu ist jedes Mittel recht. Deshalb überzieht er Europa mit einer hybriden Kriegführung. Putin glaubt, Kriege militärisch gewinnen zu können. Das zeigen seine „Spezialoperationen“ in Tschetschenien, Georgien und gegenwärtig in der Ukraine.

 

Wenn aber ein Staat erwartet, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung von Krieg so aussieht, dass er sich rechnet, um die eigenen Ziele zu erreichen, dann sind seine potentiellen Gegner gut beraten, ihren Friedenswillen nicht wehrlos zu bekunden, sondern verteidigungsbereit zu sein, indem sie sich militärisch auf mögliche Konflikte vorbereiten.

 

„Kriegstüchtig werden“ nennt das unser Verteidigungsminister Pistorius. Dazu ist gegenwärtig weder Deutschland noch die EU militärisch in der Lage. Es fehlt an einsatzfähigem Gerät und Soldaten. Die Neuausrüstung und Rekrutierung von Soldaten brauchen Zeit. Und es ist nach einer langen Friedensperiode, in der wir geglaubt haben, Frieden schaffen ohne Waffen sei der bessere Weg, nicht einfach. Außerdem ist unser Land – wie ganz Europa – politisch nicht einig, wie mit autokratischen Staaten wie Russland, Iran oder China umzugehen ist. Die Chancen auf einen Friedensschluss in der Ukraine hängen davon ab, wie die Konfliktparteien ihre Erfolgsaussichten auf dem Schlachtfeld einschätzen und ob sie dem Gegner vertrauen können.

 

Von der Ukraine können wir lernen, welch hohes Gut für die Menschen dort ihre Freiheit und Demokratie bedeuten. Kriegstüchtig werden wir nicht allein durch militärisches Gerät und eine ausreichende Anzahl von Soldaten. Erst wenn in der Gesellschaft die Bereitschaft wächst, unsere Freiheit und demokratischen Werte auch militärisch verteidigen zu wollen, sind wir kriegstüchtig. Ich bevorzuge jedoch den Begriff verteidigungsbereit. Leider gibt es auch in liberalen Demokratien autokratische Tendenzen, wie Trump, Orban, Pis in Polen, Le Pen und Wilders oder Netanjahu in Israel zeigen. Trotzdem muss weiter daran gearbeitet werden, Kriege unmöglich zu machen.