Der Horror der Kriegskinder

„Talk am Turm“ mit der Journalistin Sabine Bode über die Folgen der Kriegstraumata

8. Mai 2025

Sabine Bode. ©Annette Hauschild
Sabine Bode. ©Annette Hauschild

Das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren ist ein Schwerpunkt im diesjährigen Programm des Gesprächsformats „Talk am Turm“ des Evangelischen Dekanats Büdinger Land. Im Mittelpunkt der nächsten Veranstaltung am Montag, 19. Mai, steht ein Thema, das lange Zeit verdrängt wurde und keine Beachtung fand: die seelischen Langzeitfolgen des Zweiten Weltkriegs in den Nachkriegsgenerationen.

 

Die Journalistin und Autorin Sabine Bode befasst sich seit vielen Jahren mit den tiefgreifenden Nachwirkungen der kollektiven Kriegstraumata und hat mehrere Bücher dazu geschrieben, mit denen sie einen wichtigen gesellschaftlichen Diskurs angestoßen hat. Ihr bekanntestes Werk „Die vergessene Generation – Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“ erschien 2004 und gilt bis heute als Standardwerk zum Thema „Kriegskinder“. Aktuell liegt es in der 42. Druckauflage vor.

 

In der Reihe „Talk am Turm“ wird Sabine Bode darüber sprechen, wie das Schweigen über das Erlebte – über Bombennächte, Flucht, Verlust und Schuld – in vielen Familien bis heute nachwirkt. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und in Gaza mahnt sie: „Es darf sich nicht wiederholen, wie man in Deutschland an den Gedenktagen des 8. Mai mit der Generation der Kriegskinder umging. Ihr Schicksal wurde über 60 Jahre schlichtweg ignoriert. Das Schweigen verdankte sich einem flächendeckenden Tabu, an das die erwachsenen Kriegskinder gefesselt blieben. Sie überlebten den Horror ihrer Kindheit, indem sie sich selbst betäubten.“ Als Erwachsene habe ihnen der emotionale Zugang zu ihren wichtigsten Prägungen gefehlt. Sie hätten sich nicht Kriegskinder, sondern Nachkriegskinder genannt.

 

„Dazu kam, dass vor allem die Männer sich selbst verachteten, wenn sie sich schwach fühlten. Litt ein Patient unter Panikattacken oder Depressionen, kam äußert selten ein Arzt auf die Idee, die Ursache in Kriegserlebnissen der Kindheit zu suchen. Und die Patienten erst recht nicht – die meisten gaben sie sich selbst die Schuld. Nicht zu wissen, dass man traumatisiert ist, kann sehr grausam sein“, so Bode weiter. „Wer nicht fühlt, kann nicht trauern.“ Ohne Mitgefühl für sich selbst könnten Menschen schwere Verluste nicht verarbeiten. Wie hätten die Familien und die Gesellschaft die erwachsenen Kriegskinder entlasten können? Und warum taten sie sich so schwer damit?“

 

Über Fragen wie diese möchte die Autorin nach ihrem Vortrag mit dem Publikum ins Gespräch kommen.

 

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Stadt Nidda im Parksaal Bad Salzhausen statt und beginnt wie immer um 19.30 Uhr, Einlass ab 18.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenpflichtig, der Eintritt kostet zehn Euro.

 

Es gibt einen Büchertisch, die Autorin wird nach der Veranstaltung ihre Bücher signieren. (jub)