Spurensuche und interreligiöser Dialog

Dekanatsfrauentag in der Kirchengemeinde Mockstadt befasst sich mit jüdischem Leben in der Region

25. August 2025

Jüdisches Leben gehörte zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbstverständlich zum Alltag in unseren Dörfern und Städtchen. Menschen jüdischen Glaubens waren Kollegen, Sportkameradinnen, Freunde und Nachbarn. Sie betrieben Landwirtschaft, arbeiteten als Ärzte, führten Geschäfte. Doch welche Spuren haben sie hinterlassen? Wie lebten sie? Welche Feste feierten sie? Wie prägte ihre Religion den Alltag? Diesen Fragen widmete sich der Dekanatsfrauentag in der Kirchengemeinde Mockstadt, einen Tag vor dem Israelsonntag.

 

Die Erinnerung an die Shoah macht das Thema schwierig, und so schwang an diesem Nachmittag immer wieder die unausgesprochene Frage mit: Wie konnte das geschehen?

 

Dabei war das Zusammenleben von Christen und Juden einst selbstverständlich. Frauen des Arbeitskreises „Jüdisches Leben in Florstadt“ lasen aus den Erinnerungen der in Stammheim geborenen Jüdin Hedi Strauß. Ihre Eltern hielten den Schabbat und besuchten regelmäßig die Synagoge, versteckten aber zu Ostern für die Kinder bunte Eier im Garten – wie die christlichen Nachbarn.

 

Dann die Familie Halberstadt, seit Generationen in Nieder-Mockstadt daheim: Ein projiziertes Foto zeigte Gerson und Berta Halberstadt an ihrer Silberhochzeit. In festlicher Kleidung saßen sie an einem kleinen Tisch mit Spitzendeckchen, umgeben von ihren sechs Kindern: Leopold, Selma, Erwin, Recha, Julius und Irma, die den Arm um die Mutter legt. Gerson Halberstadt führte mit seiner Frau zwei Läden. Die Familie lebte in einem großen Haus in der Orlesgasse – ein bodenständiges, angesehenes Leben. Doch neun Jahre später war alles vorbei. Die Kinder konnten rechtzeitig nach England und Palästina fliehen, Gerson und Berta aber wurden 1942 im Ghetto Izbica in Polen ermordet. Wie konnte das geschehen?

 

Leah Frey-Rabine, Kantorin einer liberalen jüdischen Gemeinde, die in der Wetterau lebt, brachte eine gewisse Leichtigkeit in die Veranstaltung. Die zierliche, kluge Frau ließ Berührungsängste gar nicht erst aufkommen, erzählte aus dem heutigen jüdischen Alltag und stellte Verbindung her: „Haben wir nicht ähnliche Probleme? Nach der Konfirmation oder der Bar und Bat Mizwa bleiben die jungen Gemeindemitglieder den Gottesdiensten fern.“ Junge Menschen „an die Schönheit unserer Liturgien heranzuführen“, sei deshalb eine wichtige Aufgabe sowohl von Juden als auch von Christen.

 

Judentum, unterstrich sie, ist vielfältig: Während orthodoxe Juden ihren Alltag streng nach den religiösen Geboten ausrichten, verbinden andere den Glauben vor allem mit Gemeinschaft und Identität. Elisabeth Engler-Starck, Ökumene-Referentin des Dekanats Büdinger Land, ergänzte die Informationen mit einem kurzen Überblick über jüdische Feiertage und Feste.

 

Der Dekanatsfrauentag ist für viele Frauen im Dekanat Büdinger Land ein Pflichttermin im Kalender, stellt er doch eine gelungene Verbindung von historischer Spurensuche und Spiritualität mit Geselligkeit dar. An die 100 Frauen aus dem weitläufigen Gebiet von Feldkrücken bis Rommelhausen hatten den Weg nach Mockstadt gefunden und an den wie immer liebevoll gedeckten Tischen in der Nieder-Mockstädter Kirche Platz genommen.

 

Wochenlang hatte der Dekanatsfrauenausschuss unter der Leitung von Beate Harbich-Schönert zum Thema der Veranstaltung recherchiert, Präsentationen vorbereitet, Einladungen verschickt – und natürlich Kuchen gebacken. Nach dem informativen Teil und der Kaffeetafel in Nieder-Mockstadt ging es zu Fuß oder mit dem Auto zur Kirche in Ober-Mockstadt, wo der Abschlussgottesdienst stattfand.

 

Den Gottesdienst gestalteten Dekanin Birgit Hamrich, Pfarrerin Sonja Sternberger und Ökumene-Referentin Elisabeth Engler-Starck gemeinsam. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand das Buch Esther. Es erzählt, wie die jüdische Königin Esther durch Mut und Klugheit das jüdische Volk vor der Vernichtung im Persischen Reich rettet. Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst vom Volkschor Stammheim unter der Leitung von Andreas Feil. Die Orgel spielte Celia Back.

 

Die Kollekte des Tages soll unter anderem Verwendung finden für ein Jugendprojekt in Kooperation mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Wetterau, informierte Beate Harbich-Schönert am Ende der Veranstaltung: „Das ist uns sehr wichtig.“ (jub)