13. Mai 2025
Colin McLemore hat mit seinen 27 Jahren schon viele Erfahrungen in der Evangelischen Kirche gesammelt. Der Jugendarbeit entwachsen, hält er nun als Prädikant im ganzen Dekanat Gottesdienste. © Shannon McLemore
„Colin, du wirst mal Pfarrer“, hat die Großmutter dem Jungen prophezeit, der schon als Kind Psalm 23 aufsagen konnte und sich für
die Geschichten der Bibel begeisterte. Nun, Pfarrer ist er nicht geworden. Colin McLemore, Jahrgang 1998, verdient seinen Lebensunterhalt als Vorstandsreferent in einem großen
Wirtschaftsunternehmen. Zur Kirche hat er dennoch eine enge Bindung: Seit vergangenem Jahr ist der 27-Jährige Unter-Widdersheimer Prädikant, ein ehrenamtlicher Prediger. Er gestaltet
Gottesdienste und darf auch Predigten verfassen. Dafür hat er eine zweieinhalbjährige Ausbildung absolviert.
Das Spannungsfeld, in dem Colin McLemore sich bewegt, könnte kaum größer sein: Auf der einen Seite die Wirtschaft mit dem Fokus auf Effizienz und Wettbewerb, auf der anderen Seite die Kirche, die zur Verantwortung für Mensch und Schöpfung mahnt. Dass beides in seinem Leben einen Platz hat, das Rationale und das Spirituelle, empfindet er als Gewinn. „Es ist großartig, dass ich alles, was ich in meinem Leben gelernt habe und lerne, in den unterschiedlichen Kontexten anwenden kann“, sagt er. „Meine christlichen Werte lasse ich ja nicht zurück, wenn ich zur Arbeit gehe.“ Andererseits profitiere er im Gottesdienst von der Souveränität, die er im Beruf erlangt.
Im ganzen Dekanat ist der 27-Jährige unterwegs, manchmal Sonntag für Sonntag. Er hat schon in Ulrichstein gepredigt und in der Büdinger Marienkirche. Manchmal sind die Gottesdienstbesucher an zwei Händen abzuzählen. „Das macht mir nichts aus. Ich feiere Gottesdienste genauso gerne mit nur wenigen Menschen wie mit einer vollen Kirche.“ Hauptsache, die Gottesdienste fallen nicht aus.
Vor dem Hintergrund sinkender Pfarrerzahlen wächst die Bedeutung der ehrenamtlichen Verkündigung. In Zeiten knapper werdender personeller Ressourcen sind Lektoren und Prädikanten unverzichtbar, damit sonntags in den Dörfern regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden können. Im Evangelischen Dekanat Büdinger Land sind derzeit 14 Lektoren und 28 Prädikanten im ehrenamtlichen Verkündigungsdienst tätig. Wie Colin McLemore engagieren sich viele nicht nur in ihren Gemeinden und Nachbarschaftsräumen, sondern im gesamten Dekanat.
Die Vorbereitung eines Gottesdienstes ist auch für die ehrenamtlichen Verkünder eine zeitintensive Arbeit, zumal, wenn sie selbst eine Predigt schreiben. Für Colin McLemore der „perfekte Ausgleich zum Beruf“. Mit dem Predigttext (ein Bibelvers, Grundlage für die Predigt) geht er ein paar Tage schwanger, ehe er sich an den Schreibtisch setzt und formuliert. Ein roter Faden im Gottesdienst ist ihm wichtig. Und Authentizität: bloß nicht pastoral wirken, Alltagssprache sprechen, Biblisches mit Persönlichem verweben, überraschende Elemente einbinden.
Dabei stellt sich der Überraschungseffekt meist schon ein, wenn Colin McLemore, jungenhafte Gesichtszüge, gewinnendes Lächeln, ein großes Kreuz um den Hals, zum ersten Mal vor den Altar tritt: Wie, der will mit uns Gottesdienst feiern? Die Reaktionen danach: durchweg positiv. Vielleicht, überlegt er, verheiße der frische Wind, der durch seine Gottesdienste weht, ja auch Hoffnung. In den Abgesang auf die Kirche jedenfalls will er nicht einstimmen: „Es gibt viele junge Menschen, die Interesse am christlichen Glauben haben. Die muss man abholen.“
Dass der Aufbau einer funktionierenden Jugendarbeit herausfordernd ist, will er nicht kleinreden. Aber seine Erfahrung lehrt ihn, dass das gelingen kann. Colin McLemore kommt aus einer lebendigen Jugendarbeit, hat alle Stationen durchlaufen, vom Kindergottesdienst bis zum Hauskreis für junge Erwachsene. Er hat Kinder- und Jugendgruppen aufgebaut und geleitet, Freizeiten und Jugendgottesdienste organisiert. Der damalige Pfarrer Wilfried Höll habe dieses Engagement gefördert und ihm den Freiraum gelassen, Dinge auszuprobieren und zu gestalten. Eine wesentliche Voraussetzung, wie er findet. „Man muss jungen Menschen etwas zutrauen und mit ihnen in den Dialog treten.“
13 Jahre Jugendarbeit an fünf Tagen in der Woche, Mitarbeit im Kirchenvorstand – die Lektorenausbildung bei Pfarrer Manuel
Eibach, um selbst Gottesdienste halten zu können, war nur folgerichtig. Darauf folge der Prädikantenkurs. Die Pfarrerinnen Tanja Langer und Beate Henke hätten ihn hier nachhaltig geprägt. Das
nächste Ziel hat Colin McLemore schon im Blick: eine Kasualausbildung. Dann darf er auch trauen und bestatten. (jub)
LEKTORIN/LEKTOR WERDEN
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) fördert Gemeindemitglieder für den ehrenamtlichen Dienst der Wortverkündigung. Die Ausbildung findet in zwei
Stufen statt. Der erste Teil der Ausbildung besteht in der Qualifikation zum Lektorendienst. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verständnis der Liturgie und der einzelnen liturgischen Elemente, auf
dem Aneignen und Vortragen von Lesepredigten sowie auf der Präsenz als Liturg und Liturgin. Die zweite Stufe ist die Ausbildung für den Prädikantendienst. Darin werden grundlegende Kenntnisse für
die Erarbeitung einer Predigt und liturgischer Texte vermittelt.
Die Evangelischen Dekanate Büdinger-Land und Wetterau starten im September einen neuen Ausbildungskurs für Lektorinnen und Lektoren. Ein Informationstreffen für Interessierte findet am Dienstag, 10. Juni, um 19.30 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Florstadt, Kirchgasse 14, statt. Der Kurs wird geleitet von den Pfarrerinnen und Pfarrern Tanja Langer und Leroy Pfannkuchen, beide Evangelisches Dekanat Büdinger Land, sowie Cornelia Hankel und Ulrike Mey, beide Evangelisches Dekanat Wetterau. An diesem Kurs können bis zu zehn Personen teilnehmen. Um eine Anmeldung per E-Mail beim jeweiligen Dekanat bis zum 31. Juli wird gebeten:
dekanat.buedinger-land@ekhn.de
Fragen zu dem Kurs beantworten gerne die leitenden Pfarrpersonen per E-Mail:
Evangelisches Dekanat Büdinger Land | Bahnhofstraße 26 | 63667 Nidda
E-Mail: Verwaltung
Telefon: 06043-8026-0
Fax: 06043-8026-26